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GENERATION TERRORISTS

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»Wir waren selbst Sprengstoff […], eingepflanzt unter den gewaltigen Bauwerken einer materialistischen Eiszeit. […] Wir waren selbst ›explosiv‹; mit jeder Faser unseres Seins verbrannten und vernichteten wir die zusammengeballten Hindernisse, die uns im Weg standen.«

Friedrich Wilhelm Heinz, Freikorps-Offizier

Punk entstammte dem gleichen Milieu der unzufriedenen unteren Mittelschicht/oberen Arbeiterklasse wie die Angry Young Men (oder tatsächlich auch die Freikorps) und teilte sich mit diesen auch viele Sehnsüchte: sich von einer Gesellschaft zu distanzieren, die sich rettungslos korrupt anfühlt, oder das Verlangen nach den verlorengegangenen Gelegenheiten für Heldentum. Wenn Frieden herrschte, bot die Gesellschaft einem explosiven Ausbruch ihrer Bedürfnisse keinen Raum. Stattdessen bot sie die Schinderei klerikalen oder bürokratischen Lebens, der Buchhaltung und der Erfassung von Arbeitszeiten.

Es gibt aber noch mehr Gründe dafür, warum das Militär in der Vorstellungskraft von Rockmusikern so eine große Rolle spielt. In ihrem Buch Teenage Wasteland untersucht Donna Gaines die amerikanische Subkultur der burn-outs, unzufriedener, struppiger junger Männer, die für Heavy Metal leben und sich mit Alkohol und Drogen zuschießen. »Für diejenigen, die in den Einbahnstraßen der Vorstadt feststecken, bietet das Rekrutierungsbüro eine Insel voller Möglichkeiten.« Eine Rockband zu gründen oder sich der Armee anzuschließen, sind oft die einzigen Alternativen zu einem Job im Dienstleistungssektor – oder einem Leben in der Arbeitslosigkeit. Wie Rock ’n’ Roll bietet auch das Militär ein Leben voller Abenteuer, eine Chance, wie ein Mann zu leben statt wie ein Lakai.

Die Manic Street Preachers wuchsen in einer Kleinstadt in Wales auf, die genauso wenig zu bieten hatte wie die Niemandsländer der burn-outs. Als sie 1990 erstmals auf den Plan traten, sahen die Manics aus wie die frühen Clash (ihre Kleidung war mit vagen, apokalyptischen Slogans übersät), versuchten sich an einer ähnlich rauen Variante von klassischem amerikanischen Rock ’n’ Roll und legten ebenfalls Wert darauf, als Klassenkrieger und Medienterroristen rüberzukommen. Für die Clash on Broadway-Compilation erinnerte Joe Strummer sich zurück, dass »Tommy Gun« vom »Ego von Terroristen« handle: »Plötzlich fiel mir auf, dass sie die Berichterstattung über sich mitverfolgen müssen, so wie es Rockstars oder Schauspieler und Schauspielerinnen tun.« Selbiges taten die Manic Street Preachers, um in der Presse einen Eindruck zu hinterlassen: Sie suchten bewusst Streit und machten sich Feinde, indem sie andere Bands attackierten. Sie durchsuchten Musikmagazine nach Artikeln, in denen sie erwähnt wurden, und behaupteten, sie könnten jede ihrer Rezensionen auswendig.

Schon mit ihrem Namen grenzten sie sich von der restlichen Musikszene ab. 1991 herrschte in der Britpop-Ästhetik die benommene und verwirrte Androgynität der Dreampop-Bands (Lush, My Bloody Valentine, Slowdive), deren Songs sich größtenteils im Liebestaumel befanden oder sich mit der Einsamkeit derer beschäftigten, die verlassen durch eine grausame Welt treiben. Jedes Element des Bandnamens der Manics stößt sich an dieser »verweiblichten« Ästhetik: »manic« als amphetaminbefeuerte Absage an die Verschlafenheit des Dreampop; »street« als Rückkehr zu den innerstädtischen Schauplätzen von Punk, weg vom eigenen Innenleben (ein Gebiet der Revolution und nicht eines der Träumereien); »preacher« als Ankündigung, die Dinge beim Namen zu nennen, im Gegensatz zu den vagen, apolitischen Ambiguitäten der Dreampop-Ästhetik. Prediger und Demagogen sind für gewöhnlich Männer und der Grund für die Unzufriedenheit der Manics mit der Rockmusik von 1991 war, dass sie viel zu girly sei.

Der Titel ihres Debütalbums, Generation Terrorists (1993), war ein Vor- und Weckruf an ihre eigene »nutzlose Generation«. Ihre Überzeugungen glichen Sergei Netschajews »Der Katechismus des Revolutionärs« von 1869, das den Revolutionär zu einer dem Untergang geweihten Figur erklärte, ohne überschüssige Energie für Gefühlsduselei, Romantizismus oder Glückseligkeit. Er war »ein unerbittlicher Feind dieser Welt, und wenn er in ihr weiterlebte, dann nur, um sie effektiver zu zerstören. […] Alle sanften und weibischen Emotionen in ihm, wie Verwandtschaft, Freundschaft, Liebe und Dankbarkeit, […] müssen von einer kalten, simplen Leidenschaft zum Schweigen gebracht werden.« Und so argumentierte Manics-Rhythmusgitarrist und -Texter Richey Edwards: »Sobald du dich verliebst oder deine Freundin schwängerst, […] hast du keine Chancen mehr, sondern Verpflichtungen. Du kannst unmöglich noch irgendetwas tun. Sobald du zu einem Paar reduziert wirst, bist du zusammen allein […] mit deinem Fernseher, du bist [von der Welt] abgeschnitten.« Die Band schien das Gespenst der romantischen Bequemlichkeit als etwas zu fürchten, was den Arbeitseifer ihres Tunnelblicks verstummen und schmelzen lassen würde.

Lieber gaben sich die Manics der »sexlosen« Intensität der Amphetamine hin, die ihre Inbrunst verstärkte und es ihnen erlaubte, sich mit politischer Theorie zu beschäftigen, ohne dabei von ihren körperlichen Bedürfnissen abgelenkt zu werden. Sie belebten die Drogen-Ethik von Punk wieder, indem sie Speed (weil es Ego, IQ und Willenskraft stärkt) favorisierten und andere Drogen wie Marihuana, LSD und Ecstasy, die innere Einkehr, Reflexion oder Empathie fördern, ablehnten. Ihr Trip war der auf Selbstverehrung/Selbsthass basierende Fix des Rock-Rebellen – der Glamour der Entfremdung (im Arsch sein, andere Leute ankotzen). Den größten Kick bereitete es ihnen jedoch, wenn sie die Sprache des Manifests benutzten, wenn sie verfügten und verurteilten. Das Manifest ist das vorherrschende Genre des phallokratischen Diskurses: Es ist prägnant und kategorisch, die Antithese zur Poesie und zu einer Sprache, die versucht, die Wirkung von Musik nachzuahmen. Ihre Songtexte waren demnach antimusikalisch, eine Montage von Slogans. Frauen haben nur selten strenge Manifeste veröffentlicht (mit Ausnahme von Valerie Solanas und ihrer Society for Cutting Up Men), polarisierte Stellungnahmen oder kategorische Aussagen traditionell eher vermieden und die Kanzel oder Tribüne den männlichen Predigern überlassen.

Auf dem Album befand sich mit »Stay Beautiful« eine Hommage an die Jugend als den höchsten Zustand des Seins, mit ihrer (männlichen) Kameradschaft, ihrem Sinn für unbegrenzte Möglichkeiten und totale Verschwendung. Für die Manics hieß schön zu bleiben, jung zu sterben oder zumindest die Rockkarriere aufzugeben, bevor Senilität und Schande einsetzen. In Der Heros in tausend Gestalten hatte Joseph Campbell verkündet: »Der Held von gestern wird der Tyrann von morgen, es sei denn, er kreuzigt sich noch heute.« Die Manics planten ihr Märtyrertum im Voraus. Sie spielten die Bandgeschichte der Sex Pistols nach, einschließlich Johnny Rottens heldenhaftem Manöver, die Band zu zerstören, bevor diese zu einer grotesken, Geld abwerfenden Karikatur ihrer selbst wurde. Der Masterplan der Manics sah eine Kamikaze-Mission vor, im Zuge derer sie zur größten Rockband der Welt werden würden, nur um sich nach einem extrem erfolgreichen Album selbst zu zerstören. Sie wollten zum Mythos werden, verewigt als ultimative Geste der Zurückweisung. Doch zwangsläufig brachen sie ihren Selbstmordpakt und mühten sich mit mittelmäßigem Erfolg auf der altbekannten Route ab, auf deren Weg zahlreiche Gigs und Singles in zahlreichen Editionen lagen. Wie Berufssoldaten meldeten sie sich für ihren nächsten Einsatz.

Sex Revolts

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