Читать книгу Sex Revolts - Simon Reynolds - Страница 26
WHITE RIOT
ОглавлениеWenn die Gesellschaft ein Gefängnis ist, propagierten The Clash keinen Ausbruch, sondern einen Aufstand. »White Riot« war von den Ausschreitungen beim Notting Hill Carnival im August 1976 inspiriert, als schwarze Jugendliche aufgrund polizeilicher Verfolgung den größten Ausbruch zivilen Ungehorsams in Großbritannien seit 1958 lostraten. The Clash identifizierten sich mit den Aufständischen und beneideten sie gleichzeitig, also riefen sie die weiße Jugend zu ihrer eigenen Revolte auf. »White Riot« war nur die jüngste Fortsetzung einer langen Tradition weißer Radikaler, die auf der Suche nach einem Vorbild für rebellische Maskulinität bei schwarzen Radikalen fündig wurden.4 Sowohl Punks als auch Rastas und Rude Boys fühlten sich wie Exilanten und Ausgestoßene, doch anders als Letztere hatten die Punks keine spirituelle Heimat in Afrika, von der sie träumen konnten.
Die Agitation der frühen The Clash fand später im Oi! eine Fortsetzung, einer Subkultur in den späten 1970ern und frühen 1980ern, die sich dem Slogan »Punk’s not dead!« verschrieben hatte. Oi!-Bands rückten die Working-Class-Perspektive, die Artschool-Bands wie The Clash nur vortäuschten, in den Fokus, waren politisch allerdings weniger eindeutig. Es gab Bands, deren Weltanschauung quasi über Nacht von Neonazismus zu Trotzkismus wechselte. Die meisten blieben aber auf einer präpolitischen Ebene stecken. Sie protestierten gegen ihre Lebensumstände im Alltag und repräsentierten voller Stolz die Kultur der Arbeiterklasse. Die extrem rechten Bands wie Skrewdriver jedoch nahmen die Bedeutung von »White Riot« wörtlich (da sich Punk schwer eindeutig politisch einordnen ließ, hatten einige den Song als faschistische Hymne fehlinterpretiert). Die linke Militanz ist manchmal schwer von der Kriegslust der Rechten zu unterscheiden; beide werden sie von ähnlichen hormonellen Energien angetrieben. Anfang der 1990er lebte der »Hate-Rock« wieder auf, als in Amerika und Europa (vor allem in Deutschland und Osteuropa) rassistische Bands auf den Plan traten. Allein schon die Tatsache, dass der Skinhead-Look von rechts- wie linksextremistischen Gruppen aufgegriffen wurde, spricht für eine ähnliche Mentalität: Beide waren diszipliniert und dogmatisch, beide bezeichneten, wie Simon Frith anmerkte, ihre Feinde (jeweils die anderen) als Abschaum und Gesindel, und beide lehnten die verweichlichte, affektierte Dekadenz der Mittelschicht ab.