Читать книгу Leiser Schrei - Slafa Kafi - Страница 21

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1210.11.2010

Direkt nach der Schule werde ich von meiner Mutter abgeholt. Heute steht für uns sehr viel auf dem Plan. Ich werde noch nichts verraten, sonst wird es ja langweilig.

Unsere Fahrt findet ihren ersten Stopp in Bab Tuma, das heißt, wir machen uns auf den Weg zur Kleiderauswahl. Oh ich merke, dass ich noch den Hauptgrund des Ausfluges nicht erwähnt habe und es wäre ziemlich schlau, ihn zu erwähnen.

Nächste Woche ist unser Opferfest und wir beginnen mit den Vorbereitun-gen, aber mehr sage ich jetzt nicht.

Wie wir uns dachten, sind die vielen Geschäfte in der langen Fußgängerzo-ne ziemlich voll und obwohl wir in jedem Geschäft suchen, werden wir nicht fündig, zumindest habe ich mein Fest-Outfit noch nicht zusammengestellt.

Ich habe zwar einen Rock gesehen in einem der Geschäfte, so doof wie ich aber bin, habe ich mir natürlich nicht gemerkt, in welchem Geschäft das war. Gut, jetzt ist der Rock halt weg.

„Was hältst du davon, noch in das Town Center zu fahren? Da wirst du sicher etwas finden, was dir gefällt.“

Ich nicke zufrieden. Natürlich möchte ich das. Ich bin sehr gerne im Town Center. Es ist ein großes Einkaufszentrum, das etwa zehn Kilometer von hier entfernt liegt.

Da alle unsere anderen Ziele ziemlich dicht beieinander sind, verschieben wir die Fahrt in das Einkaufszentrum auf den letzten Platz. Unser nächstes Ziel ist Schare Al Hamra, oder einfach nur Al Hamra Straße. Ich hoffe sehr, dass ich hier zumindest etwas finde.

Wir beginnen direkt mit dem ersten Geschäft. Schon beim Eintreten fällt mir ein Kleid ins Auge, das ganz hinten im Geschäft hängt. Es ist ein kurzes, dunkelblaues Kleid, das kurzärmelig ist. Unten ist es gemustert mit vielen verschiedenen Blumen.

Das, was mir gefällt, ist, dass die Blumen nicht pink oder knallrot sind, sondern eher hellere Farben haben, also sowas wie hellrosa, hellgrün oder hellblau. Ohne sonst irgendwas anderes anzuschauen, gehe ich zu diesem Kleid.

„Willst du dich nicht mal umschauen? Sie haben echt schöne Sachen.“, ruft mir meine Mutter hinterher, die noch an der Tür steht.

Ich laufe die übrigen Meter und bin endlich bei diesem Kleid. Natürlich beginne ich direkt nach meiner Größe zu suchen.

„Mama, es gibt meine Größe nicht“, rufe ich durch das ganze Geschäft. Genauer genommen schreie ich, aber meine Mutter hört es nicht.

Sie ist nämlich im Gespräch mit irgendeiner anderen Frau versunken. Bevor ich endgültig die Hoffnung aufgebe, suche ich nochmal unter allen Größen nach meiner.

Ich weiß nicht, ob es in diesem Geschäft Zauberer gibt oder ich einfach nur zu ungenau geschaut habe, jedenfalls gibt es jetzt das Kleid in meiner Größe. Wie gesagt, keine Ahnung wie das passiert ist. Ich nehme es heraus und mache mich auf den Weg zu meiner Mama, die immer noch mit der Frau spricht.

„Yasmin, du bist ja groß geworden. Wie geht es dir?“, fragt sie mich.

Ach, das ist ja die Mutter von meiner Freundin Amira, stelle ich gerade fest. Amira ist übrigens das Mädchen, das es geschafft hatte, mir mein Spray zu geben, als ich den Asthma-Anfall in der Schule hatte – nur so nebenbei.

„Danke, gut“, sage ich ziemlich knapp.

Sie scheint es nicht mal wahrzunehmen, weil sie wieder irgendwas erzählt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit beenden sie langsam das Gespräch.

„Richte Abu Yasmin noch schöne Grüße aus“, sagt sie noch im Gehen. Meine Mutter nickt und schaut sich das Kleid in meiner Hand genauer an. Abu Yasmin ist niemand anderes als mein Vater.

Bei uns werden die eigentlichen Vornamen an zweiter Stelle geschoben, sobald man Eltern geworden ist. Da ich das erste und einzige Kind bin werden meine Eltern dementsprechend nach mir benannt, also Abu und Um Yasmin. Wortwörtlich übersetzt würde das Vater beziehungsweise Mutter von Yasmin heißen.

Zum dritten Mal komme ich aus der Umkleidekabine heraus. Das dunkelblaue Kleid hat sehr gut gepasst, ich werde es auf jeden Fall nehmen. Ich trage jetzt mein drittes Outfit.

Es ist ein Jeansrock mit einem dünnen Pullover. Meine Mutter hatte Recht, in diesem Laden gibt es wirklich sehr schöne Sachen.

„Das ist ja auch wunderschön“, sagt sie, nachdem sie mich mehrmals von oben bis unten angeschaut hat.

Nach einigen Minuten überlegen, hat sie endlich das gesagt, worauf ich gewartet habe: „Wenn du willst, kannst du alle drei Outfits nehmen, aber dann fahren wir nicht mehr in den Town Center. Du hast die Wahl“, sie zwinkert mir zu.

Ich brauche auch ein bisschen, bis ich es entschieden habe.

„Ich nehme alle drei“, sage ich, nachdem ich alle Vor- und Nachteile durchgegangen bin.

Wir haben heute noch sehr viel vor uns, deswegen müssen wir uns nicht noch mehr Aufwand machen. Meine Mutter scheint mehr als zufrieden zu sein.

Als ich wieder umgezogen aus der Kabine komme, gehen wir auch schon direkt zur Kasse.

Unser nächster Stopp ist in Al-Hamidiya-Souq, ein traditioneller Souq, das heißt eine Einkaufshalle, in der sehr viele verschiedene Geschäfte sind. Ich bin sehr gerne hier, nicht nur, weil man alles, was man sucht, finden kann, sondern weil die Stimmung hier so wunderschön ist.

Egal zu welcher Tageszeit man kommt, es ist immer überfüllt, aber das ist genau das, was mir so sehr gefällt, und ich glaube, es geht vielen hier so.

Nachdem wir gefühlt in jedem Geschäft waren und langsam immer mehr von der Einkaufsliste abgehakt werden kann, machen wir uns auch schon auf den Weg zum nächsten Ziel.

Bevor wir allerdings den Souq endgültig verlassen, holen wir uns wie üblich ein Eis von Bakdaasch, das berühmteste Eis in ganz Damaskus. Es handelt sich hierbei nicht um die normalen Eissorten, die man kennt, sondern um ein besonderes Eis. Ich würde gerne beschreiben, wie genau es gemacht wird, aber ich finde irgendwie keine gute Erklärung dafür.

Auf der Einkaufsliste stehen noch die mit Abstand wichtigsten Sachen für das Fest - das Essen oder genauer gesagt die Süßigkeiten.

Wie beim Ramadanfest werden wir auch diesmal wieder kleine Tütchen mit Süßigkeiten für die Kinder vorbereiten und natürlich brauchen wir auch Süßigkeiten für die Erwachsenen.

Auch wenn wir das Fest nicht zu Hause verbringen werden, müssen wir Süßigkeiten für unsere Besucher daheim haben, die zu uns kommen werden, wenn wir wieder zu Hause sind.

Hier in Damaskus gibt es, um diese Aufgabe zu erfüllen, keinen besseren Ort als den AL-Buzuriyah Souq, der übrigens auch offiziell zum Al-Hamidiya Souq gehört.

Hier handelt es sich um einen ganz traditionellen orientalischen Souq und zu einem solchen gehören natürlich an erster Stelle Gewürze, die in sehr großen, überfüllten Säcken angeboten werden.

Es gibt aber selbstverständlich mehr als nur Gewürze, unter anderem Süßigkeiten. Es gibt von allem unendlich viele Sorten und wir stehen jedes Mal vor der schwierigen Entscheidung, welche Sorten wir nehmen sollen. Dieses Jahr gibt es besonders viele Menschen hier.

Eigentlich dachten wir uns, wir fangen mit den Vorbereitungen eine Woche früher an, damit es nicht ganz so schlimm wird, denn die letzten Jahre haben wir die Sachen nur ein paar Tage vorher besorgt und hatten immer sehr viel Stress, aber eine Woche vorher scheint nicht viel besser zu sein. „Schau mal da, die sehen doch lecker aus, oder?“, fragt mich meine Mutter, nachdem wir für eine Weile die verschiedenen Süßigkeiten von einem Geschäft angeschaut haben.

Ich schaue die Gemeinten genauer an. Es sind Schoko-Kugeln, die mit einer Schoko-Sahne-Füllung befüllt sind. Klingt ziemlich gut.

„Du kannst sie gerne probieren“, höre ich den Verkäufer hinter mir sagen und natürlich mache ich das.

Während ich die Schokolade esse, schaut mich meine Mutter erwartungs-voll an. Ich nicke, nachdem ich sie vollständig gegessen habe.

„Die sind voll lecker“, füge ich noch als Bestätigung hinzu.

„Gut, dann nehmen wir die auf jeden Fall mit“, sagt meine Mutter lachend.

Es dauert eine weitere Ewigkeit, bis wir all unsere Süßigkeiten haben. Natürlich habe ich noch viele weitere Sorten probieren dürfen, was ich in vollen Zügen genossen habe.

Nach den Süßigkeiten kümmern wir uns noch kurz um die, ähm, um die Mukasarat? Ich hab keine Ahnung, wie ich die anders nennen soll, aber was ich damit meine sind zum Beispiel Erdnüsse, Cashew-Kerne, Mandeln und noch viel mehr.

Auch hier wird uns alles zum Probieren angeboten und ich probiere auch alles. In diesem Souq haben wir auch unsere Aufgabe erledigt und vor uns bleibt nur noch eine Station.

Langsam fängt es an zu dämmern und bis wir am letzten Ziel sind, wird es schon dunkel sein.

Eigentlich dachten wir, dass vor uns nur noch der Besuch der Umayyaden-Moschee bleibt, aber wir hatten eine wichtige Sache vergessen, wahr-scheinlich liegt es daran, dass es ungewohnt ist.

Normalerweise backt meine Mutter nämlich selbst verschiedene Gebäcksorten für das Fest, diesmal hat sie es eben zeitlich nicht mehr geschafft und deshalb müssen wir sie kaufen.

Um nicht viel Zeit zu verlieren, gehen wir in die erste Bäckerei, die wir finden und es dauert auch nicht lange, bis wir wieder vollbepackt aus dem Laden kommen.

Nachdem wir die Tüten ins Auto geladen haben, entscheiden wir uns zu laufen, weil wir zu dieser Zeit laufend vermutlich schneller da sein würden, als mit dem Auto.

Die Umayyaden-Moschee ist auch einer von vielen Orten, an dem ich liebend gerne bin. Unser heutiger Besuch hat neben dem religiösen Grund noch einen weiteren.

Erinnert ihr euch noch daran, dass ich zu meinem ersten Fastentag und zum Ramadanfest sehr viel Geld bekommen habe? Wenn ja, dann wisst ihr bestimmt noch, dass ich erwähnt hatte, dass ich damit etwas vor habe und später noch mehr dazu sagen werde, oder? Und wenn nein, dann wisst ihr es jetzt. Jedenfalls werde ich heute ungefähr drei Viertel des Geldes verwenden. Mittlerweile sind wir schon da und wie erwartet, ist es schon dunkel. Überall sitzen Menschen. Der Boden ist sehr kühl und alles leuchtet sehr schön.

Wie immer gibt es hier nicht nur Syrer, sondern auch viele Touristen, die man an ihrem Aussehen und bei den Frauen auch an dem grauen, langen Mantel mit einer Kapuze, die als Kopftuch dienen soll, erkennen kann. Da wir sowieso nicht mehr so lange Zeit haben, versuchen wir, so schnell wie möglich alles zu erledigen.

Wir gehen erst herein, um kurz zu beten. Ich kann jetzt übrigens alle Texte beim Gebet, weil mein Vater jeden Tag mindestens einmal mit mir betet. Nachdem ich fertig bin, bleibe ich noch neben meiner Mutter, bis auch sie fertig ist.

„Ich bleibe hier und warte auf dich“, sagt sie zu mir.

Ich nehme meine Tasche und gehe in Richtung Eingang, wo die Spendenkis-ten stehen. Das gespendete Geld wird an arme Menschen verteilt. Ich hole das Geld heraus und lege es in die Kiste.

Als ich mich umdrehe, steht meine Mutter hinter mir und hat auch Geld in der Hand, das sie, ohne irgendwas zu sagen, in die Kiste legt.

„Möge Gott es annehmen“, flüstert sie.

„Amen.“

Als wir zu Hause ankommen, ist Papa schon da und auch das Essen steht auf dem Tisch. Wir hatten gestern vereinbart, dass wir heute Falafel essen möchten und er hat sie mitgebracht.

Wir sitzen nach dem Essen noch eine Weile beim Fernsehen und danach muss ich auch schon wieder ins Bett. Obwohl es heute sehr stressig war, fand ich den Tag wunderschön und freue mich auf das Fest.

Leiser Schrei

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