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4. Persönlichkeit und dramatisches Werk

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William Shakespeare war nicht nur ein erfolgreicher Dichter (vgl. Kap. IV), Dramatiker (vgl. Kap. V) und share-holder (vgl. Kap. II) einer renommierten Schauspieltruppe in London, sondern auch Familienvater und höchst erfolgreicher Geschäftsmann in Stratford-upon-Avon. Über seine Persönlichkeit wissen wir nicht viel: „He was indeed honest, and of an open and free nature“, schrieb Ben Jonson über Shakespeare in seinem Timber, or Discoveries, „[he] had an excellent phantasy, brave notions, and gentle expressions.“ (zit. bei Bevington, 9). Shakespeare „redeemed his vices with his virtues. There was ever more in him to be praised that to be pardoned.“ (zit. bei Bevington, 9). In der Preface zur Folio-Ausgabe von Shakespeares Dramen (1623) preist Jonson ihn – möglicherweise auch der Textsorte geschuldet – als „soul of the age“, „delight“, „wonder of our stage“, „sweet Swan of Avon“ (und bietet somit erneut einen Beleg für die historische Person William Shakespeare aus Stratford-upon-Avon), wenngleich er auch beklagt, dass er nur über „small Latin and less Greek“ verfügt habe. Spätestens seit der Romantik hat es dann ungezählte Versuche gegeben, Shakespeares ‚Wesen‘ zu erfassen. Wie jüngst Jonathan Bate im Vorwort seiner Shakespeare-Biographie darlegt, war Shakespeare Teil des intellektuellen Klimas seiner Zeit. Er muss viel gelesen oder zumindest akkulturiert haben, darunter Klassisches, aber auch Werke nicht besonders hohen intellektuellen Anspruchs. Insgesamt zeigt er sich als publikumswirksam, heterodox und anglo-zentrisch. Shakespeare arbeitete nicht nur mit einzelnen Texten sondern auch mit populären Traditionen wie z.B. stock characters (Tyrann, Jungfrau, zürnender Vater, prahlender Soldat, schlauer Diener), Situationen und rhetorischen Konventionen. Der senex iratus, also der Vater, der den Heiratsplänen seiner Tochter nicht zustimmt, findet sich z.B. in A Midsummer Night’s Dream (Egeus), sowie in Lord Capulet (Romeo and Juliet), und Prospero (The Tempest). Ein gutes Beispiel für die Mischung von Traditionen ist der Charakter des Falstaff. Er vereint in sich den Lord of Misrule und das Vice aus den mittelalterlichen morality plays (vgl. Kap. II), dazu stock characters aus der Komödie wie den schlauen Diener, der seine Vorgesetzten austrickst, oder den miles gloriosus und den Parasiten, der vor allem auf sein leibliches Wohlergehen bedacht ist. Shylock in The Merchant of Venice steht in der Tradition des mürrischen Alten aus der neuen griechischen Komödie, des Wucherers, des senex iratus und des Typus des Bühnenjuden.

Poetologische Standards

Was die poetologischen Standards der klassischen Antike anging, tadelte Shakespeares Freund und Rivale Ben Jonson seinen Kollegen aus seinem eigenen klassizistischen Dichtungsverständnis heraus: „I remember, the players have often mentioned it as an honour to Shakespeare that in his writing, whatsoever he penned, he never blotted out a line. My answer hath been, would he had blotted a thousand.“ (Timber, or Discoveries, zit. bei Dutton, 109). In seiner Einleitung zu seinem Drama Bartholomew Fair (1614, gedruckt 1631) klagt Jonson über „those who that beget Tales, Tempests, and such like Drolleries“, was sich auf Shakespeares spektakuläres Drama The Tempest (1611) beziehen dürfte. 1619 beklagt sich Jonson gegenüber William Drummond of Hawthornden, dass Shakepeare „art“, also planvolle Struktur, in seinen Dramen fehle, und er sachliche Fehler gemacht habe.

Ben Jonson

So habe er in The Winter’s Tale „a number of men“ zusammengebracht, „saying that they had suffered shipwreck in Bohemia, where there is no sea near by some 100 miles“. Jonsons Tadel ist sicher relativ zusehen. Jonson war überzeugter Klassizist, der sich die Einhaltung dramatischer Regeln wie poetic justice (die ‚guten‘ Charaktere werden am Ende für ihr Verhalten belohnt, die, bösen‘ bestraft), sowie die ‚Einheiten‘ der Handlung, des Ortes und der Zeit gewünscht hätte und diese auch selbst in seinen klar nach fünf Akten angelegten und sich an die ‚Einheiten‘ haltenden Dramen umgesetzt hatte. Jonsons Tragödien waren allerdings – im Unterschied zu seinen Komödien – beim Publikum nicht erfolgreich. Shakespeare dagegen hielt sich in seinen Dramen weder an die drei Einheiten noch an poetic justice (eklatantester Fall ist die unschuldige Cordelia, die in King Lear sterben muss). Auch mischte er komische und tragische Elemente in seinen Dramen. So treten in den Tragödien komische Figuren wie der porter in Macbeth, die Totengräber in Hamlet oder der Narr in King Lear auf, und werden umgekehrt Charaktere in Komödien mit dem Tod bedroht, wie Hermia zu Beginn von A Midsummer Night’s Dream. Beatrices Aufforderung an Benedick „kill Claudio“ (4.1.289) führt die Komödie Much Ado About Nothing fast in die Tragödie. Was die ‚Einheiten‘ des Ortes und der Zeit betrifft, so springt Shakespeare unbeschwert zwischen Schauplätzen hin und her (z.B. Venedig und Belmont in The Merchant of Venice, oder Rom und Ägypten in Antony and Cleopatra), lässt in The Winter’s Tale die Figur Time auftreten, die zu Beginn des vierten Aktes verkündet, es seien seit den zuletzt dargestellten Ereignissen 16 Jahre verstrichen. Das einzige Drama, welches sich an die, drei Einheiten‘ hält, ist The Tempest.

Henry Chettle

Neben Jonson hat sich auch der heute weitgehend unbekannte Drucker und Dramatiker Henry Chettle über Shakespeare geäußert: er, der Greenes Tadel an Shakespeare (siehe oben) herausgebracht hatte, entschuldigt sich im Vorwort „To the Gentlemen Readers“ seines Pamphlets „Kind-Harts Dreame“ (1592) für Greenes ungerechtfertigte Angriffe auf Shakespeare: „because myself have seen his demeanor no less civil than he excellent in the quality he professes: Besides, divers of worship have reported his uprightness of dealing, which argues his honesty, and his facetious grace in writing, that approves his art.“ (zit. bei Bevington, 14).

Shakespeares Bildung

Wir besitzen keine Dokumente darüber, was Shakespeare gelesen hat, welche Bücher er besessen hat, keine Listen, keine annotierten Ausgaben. Dass er die Stratford grammar school besuchte, können wir nur vermuten. Latein wurde dort gelernt anhand der Grammatik von William Lily (siehe oben). Ferner würde er dort unterrichtet worden sein in der griechischen Literatur, d.h. Isocrates, Neues Testament, Homer, Demosthenes, Hesiod, Aesop, Euripides, Dionys von Halicarnass, Heliodor, Lucian, Plutarch, Theokrit, Xenophon. In Latein im Zodiacus Vitae des Palingenio (zirka 1528; engl. Übersetzung durch Barnabe Googe zirka 1560) mit Material zu Astronomie, Metaphysik und Naturphilosophie, und vor allem in der klassischen römischen Literatur: Cato, Terenz und Plautus (Komödie), Seneca (Tragödie), Cicero und Quintilian (beide Rhetorik, ebenso wie das Cicero zugeschriebene Ad Herennium), Vergil (Epos und Eklogen), Horaz und Juvenal (Satire), Lukan, Sallust und Caesar (Prosa), Catull (Elegien), sowie den Nachklassikern, und hier vor allem Erasmus.

Klassische Autoren

Auch wenn Jonson Shakespeare in seiner Preface zur First Folio (vgl. Kap. III) nur „little Latin and less Greek“ zuweist, spielt die klassisch-antike Welt in Shakespeares Werken eine nicht unerhebliche Rolle, so in Venus and Adonis, The Comedy of Errors, The Rape of Lucrece, Titus Andronicus, A Midsummer Night’s Dream, Julius Caesar, Troilus and Cressida, Antony and Cleopatra, Coriolanus, Timon of Athens, Pericles, Cymbeline und The Two Noble Kinsmen. Konkrete Bezüge lassen sich feststellen für Ovids Fasti in The Rape of Lucrece, Ovids Metamorphosen für Venus and Adonis, die Sonette, A Midsummer Night’s Dream, The Merry Wives of Windsor und The Tempest. North’s Übersetzung von Plutarch in Titus Andronicus, A Midsummer Night’s Dream, Julius Caesar, Antony and Cleopatra, Coriolanus, Timon of Athens, King Lear. Seneca für Titus Andronicus, Richard III, Hamlet, Othello, Macbeth, King Lear. Plautus für The Comedy of Errors. Am häufigsten bezieht sich Shakespeare auf Ovid, und hier vor allem auf die Übersetzung der Metamorphoses durch William Golding.

Übersetzungen

Wahrscheinlich hat Shakespeare nicht nur Ovid, sondern auch andere klassische Autoren nicht im Original, sondern in Übersetzungen gelesen. Zur Verfügung standen ihm Hobys Übersetzungen der Werke des Castiglione (1561), Adlingtons Apuleius (1566), Goldings Ovid (1567), Norths Plutarch (1579), Haringtons Ariost (1591), Chapmans Homer (1598), Hollands Livius (1600), Fairfaxs Tasso (1600) und Florios Montaigne (1603).

Englische Autoren

Shakespeares Quellen waren freilich nicht nur auf die klassische Literatur beschränkt, sondern er wählte auch englischsprachige Werke wie Banaby Riche’s Apolonius and Silla (1581), Robert Greene’s Pandosto (1588) und Thomas Lodge’s Rosalynde (1590). Diese waren die Hauptquellen für Twelfth Night, The Winter’s Tale und As You Like It. Für die Historien (vgl. Kap. V) waren Edward Hall’s Union of the Two Noble and Illustre Families of Lancaster and Yorke (1548) und Raphael Holinshed’s Chronicles of England (1578) seine wichtigsten Quellen. Auch der bedeutendste Dichter des Mittelenglischen, Geoffrey Chaucer, war vor allem für A Midsummer Night’s Dream und Troilus and Cressida von Einfluss, sein Zeitgenosse John Gower für The Comedy of Errors und Pericles.

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