Читать книгу William Shakespeare - Sonja Fielitz - Страница 6

Einleitung

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„Who is afraid of William Shakespeare?“ Eine Ringvorlesung dieses Titels an einer deutschen Universität in jüngster Vergangenheit, zu der vom Veranstalter die wenigen Hochschuldozentinnen und -dozenten aus ganz Deutschland zusammengesucht und eingeladen wurden, die sich noch einen Lehr- und Forschungsschwerpunkt in der Shakespeare-Philologie bewahrt haben, mag in nuce erfassen, wie es um ‚Shakespeare‘ gegenwärtig in der deutschen Universitätslandschaft bestellt ist. Lehrende wie Studierende entfernen sich seit vielen Jahren aufgrund einer immer stärkeren Spezialisierung, Theorie-Verhaftung und Abkehr von Historischem auf Seite der Lehrenden wie auch aufgrund der Umwidmung von Lehrstühlen der Shakespeare-Philologie zu postcolonial studies und media studies mehr und mehr von dem Forschungsgebiet, welches vor zirka 30 Jahren noch eines der am höchsten angesehenen war – und bis heute aufgrund seiner zirka 400-jährigen Geschichte zweifellos zu den komplexesten gehört. Dazu kommt das „na, Shakespeare machen wir ja alle“, was die Verfasserin wiederholt von Kollegen gehört hat, die natürlich auch ‚Shakespeare‘ in Einführungskursen und Seminaren unterrichten, aber irgendwann in der Begegnung mit einem/einer der wenigen Professorinnen und Professoren an deutschen Universitäten, die auch international in der Shakespeare-Philologie ausgewiesen sind, feststellen müssen, dass sie eigentlich nichts Neues über einen der wirkungsmächtigsten Autoren der Welt sagen können.

genus neutrale

Eine (leider realistische) Szenerie wie diese erhellt vielleicht den Hintergrund für den Versuch eines Buches, welches es sich zur Aufgabe macht, in der gegenwärtigen Dürre der Shakespeare studies an deutschen Universitäten etwas Fruchtbarkeit anzubieten – und dies einer Leserschaft (ab hier wird der Lesbarkeit halber für das gesamte Buch geltend die maskuline grammatikalische Form ‚Der Zuschauer‘ immer auch die feminine ‚Die Zuschauerin‘ mit einschließen) wie Studierenden der Literatur- und Kulturwissenschaft, insbesondere der Anglistik, Lehrern, die vor allem auch in der Kollegstufe unterrichten, Kollegiaten, literarisch Interessierten und Theaterkundigen. Dass Shakespeare auch in einer breiteren deutschen Öffentlichkeit auf nachhaltiges Interesse stößt und aus unserer Kultur nicht wegzudenken ist, zeigen die Spielpläne der Theater, die Erfolge von Verfilmungen, die Bearbeitungen und nicht zuletzt die Schlagzeilen in der Boulevardpresse, wenn wieder einmal ein Kandidat für ‚Shakespeare‘ präsentiert wird.

Bestandsaufnahme

Nun wird sich mancher Leser fragen, wieso denn eine weitere Einführung in ‚Shakespeare‘ ‚sein muss‘ und worin das Neue des vorliegenden Buches liegt. An allgemeinen Einführungen zu ‚Shakespeare‘, d.h., in dessen Leben, dessen Zeit, dessen Werke, dessen Nachruhm und Wirkung in englischer oder deutscher Sprache herrscht in der Tat kein Mangel. Bei den vorhandenen Titeln (in englischer und deutscher Sprache, wobei Letztere in dieser exemplarischen Skizze eines Überblicks unberücksichtigt bleiben sollen) lassen sich verschiedene Schwerpunktsetzungen unterscheiden: Eine Gruppe, für die exemplarisch William Baker, William Shakespeare (Writers‘ Series, 2009) stehen kann, beschränkt sich bewusst auf Fakten und wendet sich polemisch gegen eher spekulative Bücher wie z.B. Stephen Greenblatts Will in the World (2004), welches, nicht unpassend, als „eine Biographie im Konjunktiv“ gilt. Die Informationen über Shakespeares Werk sind chronologisch angeordnet und in Beziehung zu zeitlichen Ereignissen festgesetzt. Interpretationsansätze werden nicht gegeben. Bakers letztes Kapitel (Conclusion) heißt demnach folgerichtig „Shakespeare’s Life Enshrined: The First Folio“. „Enshrined“ assoziiert deutlich die Vorstellung von ‚für alle Zeit bewahrt‘ und ‚unveränderlich‘. Diese Gruppe von Einführungen erweckt somit den Eindruck, als sei das Studium Shakespeares ein abgeschlossenes Gebiet, das aus Fakten bestehe. Es wird unserer Ansicht nach freilich nicht gezeigt, dass die Shakespeare-Forschung in ständiger Entwicklung ist und voller Umbrüche und Neuorientierungen steckt, und dass alle so genannten ‚Fakten‘ ebenso interpretationsbedürftig wie -fähig sind. Außerdem wird nicht zur Kenntnis genommen, dass ‚Shakespeare‘ wesentlich mehr ist als der historische William.

Eine andere Gruppe von Einführungsbüchern versucht, die Vielfalt des Werkes von Shakespeare mit Hilfe von Kategorien darzustellen. Im englischsprachigen Bereich kann für diesen Ansatz exemplarisch stehen Germaine Greers Shakespeare. A Very Short Introduction (Oxford, 2002), in dem nach einem Kapitel „Life“ die Kapitel „Poetics“, „Ethics“, „Politics“, „Teleology“ und „Sociology“ folgen. Ein solcher Ansatz wird hier als problematisch angesehen, weil der Eindruck entsteht, Shakespeares Werk sei ein homogener Textblock, in dem gewisse Vorstellungen und Auffassungen vorgetragen werden. Eine dritte Gruppe unterscheidet unserer Ansicht nach zutreffend zwischen der historischen Person William Shakespeare als Forschungsgegenstand und dem kulturellen Konstrukt ‚Shakespeare‘, wie es zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen realisiert wurde, so etwa Peter Hyland, Introduction to Shakespeare. The Dramatist in his Context (London, 1996) und Peter Holland in seinem als Buch gedruckten Oxford Dictionary of National Biography-Artikel (Oxford, 2007). Die Konstrukte des ‚Bard‘ als ‚Sweet Swan of Avon‘, ‚Naturgenie‘, ‚Kulturheros‘ etc. haben allerdings die Interpretationen der Werke in der Weise stark beeinflusst, dass sie eine Generalperspektive auf eben diese vorgeben. Dieses Vorgehen führt dazu, nach einer ‚universal meaning‘ oder ‚pure essence‘ von Shakespeares Dramen zu suchen, ohne wiederum die zeitliche, lokale oder kulturelle Einbettung seiner Werke zu berücksichtigen. Eine letzte Gruppe besteht aus Einführungen, die speziell für den Schulunterricht geschrieben wurden. Fakten und Drameninterpretationen sind so vereinfacht („write a letter to Ophelia“), dass Schüler als intendierte Leser befähigt werden sollen, die häufigsten Fragen der Prüfer zu beantworten, was allerdings einer Einführung in das universitäre Studium nicht gerecht wird.

Erkenntnisinteresse

Auch wenn der vorliegende Band natürlich Kompromisse mit der Textsorte und dem Umfang eines Einführungsbuches schließen muss, verfolgt dieser doch einen anderen Aufbau und ein anderes Konzept als die oben genannten Titel. Erkenntnisinteresse dieses Buches ist es, die Bereiche Shakespeare und Shakespeare-Forschung als ‚offenes‘ Phänomen zu vermitteln. Der Grundgedanke und die Leitidee, die dieser Einführung zugrunde liegt, ist, dass die Shakespeare-Philologie eben nicht als abgeschlossenes Gebiet präsentiert werden darf, sondern als Forschungsfeld, das ebenso kontinuierlich wie kreativ weltweit betrieben wird. Eine Antwort auf Fragen, eine Interpretation, wird es nie geben. Genau wie die nicht endende Auseinandersetzung mit Shakespeare mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und Bearbeitungen, mit Entdeckungen und Kontroversen, mit Umbrüchen und Neuorientierungen ständig im Gange ist, soll hier aufgezeigt werden, dass alle angeblich gesicherten ‚Fakten‘ und jede Interpretation je nach Erkenntnishorizont in immer wieder verschiedener Weise gedeutet werden können und müssen.

Beschränkung

In Anbetracht der Fülle des Materials, welches es zu Shakespeare und seinen Werken gibt, muss im Rahmen dieses Buches auf einiges, was die Verfasserin gerne berücksichtigt hätte, was aber der Textsorte Einführungsbuch und dessen Umfang geschuldet ist, verzichtet werden. So konnte eine Bühnengeschichte von Shakespeares Dramen nicht geleistet werden, da ein solches Vorhaben eigene Regale von Büchern füllen würde und jede Auswahl nur subjektiv bleiben müsste. Des Weiteren muss in einzelnen Kapiteln exemplarisch vorgegangen werden, d.h., ein Phänomen zunächst an sich erläutert und dann repräsentativ für andere an einem Text erläutert werden. Weiterführende Hinweise finden sich für alle Kapitel in der bewusst umfangreich angelegten Bibliographie.

Danksagung

Mein tief empfundener Dank gilt an erster Stelle meinem akademischen Lehrer, Prof. em. Dr. Wolfgang Weiß, der mich seit meinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München in den 1980er Jahren für Shakespeare zu begeistern wusste und mir auch für das vorliegende Buch zahlreiche wertvolle Anregungen gegeben und Korrekturvorschläge gemacht hat. Meine Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philipps-Universität Marburg, Imke Kimpel M.A., war, wie immer, eine unverzichtbare Hilfe bei der Zusammenstellung von Materialien, sowie der fachlichen Durchsicht und letzten Korrektur des Typoskripts. In einer Zeit extrem hoher Belastung in der akademischen Selbstverwaltung und zudem der einen oder anderen E-Mail, welche nachhaltig Hamlets Gefühl einer „world out of joint“ aufkommen ließ, war sie einmal mehr der nervenstarke und stets diskrete Fels in einer „sea of troubles“, wofür ich ihr meinen sehr herzlichen Dank aussprechen möchte. Carolina Bauer M. A. und Katharina Willstumpf erwarben sich große Verdienste bei der Beschaffung oft schwer erhältlicher Sekundärliteratur, wofür ich ihnen ebenfalls nachdrücklich danken möchte. Mein Dank in der Academia gilt ferner den Studierenden meiner Lehrveranstaltungen an den Universitäten München, Göttingen, Münster und Marburg, die mir über den Zeitraum meiner inzwischen zirka 20-jährigen akademischen Lehrtätigkeit hinweg durch ihr Interesse und ihre Fragen an ‚Shakespeare‘ immer wieder aufgezeigt haben, welch vielschichtiges, vielfältiges und in ihrer Faszination nie endendes Gebiet die Shakespeare-Philologie ist.

Maike Gotthardt hat manch wertvollen Präsenz-Moment durch ihr weiches Klarinettenspiel geschaffen. Beatrix Busse war während der Entstehungszeit dieses Buches immer als Freundin da, die mir geduldig zugehört und weitergeholfen hat, wenn es ganz schwierig war. Rev. Paul Edmondson war, ebenfalls wie immer, ein wunderbar einfühlsamer und verständnisvoller Freund. Und Gilbert Gornig, Marga Munkelt, Erich Poppe, sowie Daniela und Markus Herzog, Patricia Schlote, Brigitte Zach und Doris Zeller haben sich, wie auch Alf und Tessi, in den letzten Monaten mehr über Shakespeare angehört als sie wahrscheinlich gewollt hätten. Ihr habt es Euch nie anmerken lassen – lieben Dank dafür.

Last but not least gebührt Frau Jasmine Stern der Dank dafür, diese Publikation für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft angeregt und angenommen, sowie stets mit großer Freundlichkeit und Geduld begleitet zu haben. Generell möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der WBG und der Setzerei, die mit dem vorliegenden Buch befasst waren, für ihre stets schnelle, sehr sorgfältige und kompetente Arbeit danken.

Widmen möchte ich dieses Buch IHM.

William Shakespeare

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