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II. Die Zeit: Epochenkonstrukte und das Theaterleben in London 1. Problematik von Epochenkonstrukten

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Der Zeitraum, in dem wir uns mit der, Zeit Shakespeares‘ bewegen, ist nicht genau abzugrenzen; die Grenzen lassen sich irgendwo zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert ziehen. Wichtig ist hierbei, sich generell bewusst zu machen, dass Periodisierungen und Epochenkonstrukte keine stabilen Größen sind, sondern sich diese je nach Ansatz immer wieder ändern. Epochenkonstrukte sollten daher nie kritiklos übernommen werden, da immer wieder neue Periodisierungen möglich sind. Eine ‚Geschichte der Literatur‘ impliziert stets eine kontinuierliche Abfolge von historischen Ereignissen, die dann im Nachhinein zu einem besseren Verständnis in Epochen gegliedert werden. Dies geschieht jeweils in Abhängigkeit von Wissen, Geschichtstheorien, Erkenntnisinteressen und Perspektiven anders, z.B. geistesgeschichtlich, gesellschaftsgeschichtlich, wirtschaftsgeschichtlich oder politikgeschichtlich.

Epochenbezeichnungen

Ein außerordentlich wirkungsmächtiger Versuch, für die Zeit Shakespeares ein Epochenkonstrukt zu entwerfen, geht zurück auf den historical criticism (vgl. Kap. VII). Dessen Vertreter haben die englische Renaissance monolithisch konstruiert als die Zeit zwischen 1500 und 1660, welche aus verschiedenen Gründen (Rosenkriege, Humanismus) im Vergleich zum Kontinent verspätet eingesetzt hat. Prominenter Ausdruck dieses Konstrukts ist das so genannte Elisabethanische Weltbild von E.M.W. Tillyard (siehe unten). Im Gegensatz zu dieser monolithischen Konstruktion der Epoche als einer von Korrespondenzen und Harmonien bestimmter Einheit wird heute nicht mehr von Renaissance sondern von Früher Neuzeit gesprochen, da diese eben nicht mehr als Einheit, sondern als Zeit der Diskursvielfalt gesehen wird, in der viele Autoritäten nebeneinander existierten. Der Religionsstreit (vgl. Kap. I), die Naturwissenschaften, die Infragestellung antiker Autoritäten sind – neben vielen anderen – Tendenzen, die zur Neuzeit führen.

In Literaturgeschichten finden sich auch Epochenbezeichnungen wie Tudor, Elizabethan oder Jacobean Age. Diese sind freilich als problematisch anzusehen, weil hier Regierungperioden von Monarchen oder Herrscherhäusern literarisch definiert werden. In den 50er Jahren wurde zudem vor allem in Deutschland versucht, Shakespeare in Anlehung an die Periodisierungen in der Kunstgeschichte dem Barock oder dem Manierismus zuzuordnen, was sich aber nicht halten ließ.

Monolithische Konstruktion: Das elisabethanische Weltbild

E.M.W. Tillyards Konstrukt des elisabethanischen Weltbildes, welches dieser in seinem The Elizabethan World Picture (1943) veröffentlichte, hat über Jahrzehnte hinweg einen immensen Einfluss auf die Shakespeare-Philologie gehabt. Tillyard geht davon aus, dass die Elisabethaner ein Weltbild universaler Ordnung hatten, welches das Denken der Menschen durchdrang. Dieses Weltbild geht letztlich zurück auf die klassisch griechische Philosophie und verstand das Universum als System korrespondierender, eng miteinander verbundener Hierarchien als eine Great Chain of Being. Gott steht an seiner Spitze, darunter befinden sich die Stufen der Engel, Menschen, Tiere, Pflanzen und Mineralien. Innerhalb jeder einzelnen Stufe existieren wiederum Hierarchien, wie etwa die Sonne als oberste Instanz der Sterne und Planeten, und das Gold der Mineralien. An der Spitze der sozialen Hierarchie steht der König (der mit Metaphern anderer ‚Spitzen-Existenzen‘ wie Sonne oder Löwe, oder Gold repräsentiert wird), an der Spitze der Familie der Mann bzw. Vater. Die Hierarchie reicht letztlich bis zum menschlichen Körper, der als Mikrokosmos den Makrokosmos des Universums widerspiegelt.

Sir Philip Sidney

Das Konzept der Kette des Seins sah den Menschen zwischen dem Reich der Engel und dem der Tiere, weshalb er Geist und Körper in sich vereine und aufgrund seiner rationalen Begabung nach oben zur Erkenntnis Gottes, aber aufgrund der Erbsünde auch nach unten zum triebgesteuerten Tierreich gezogen werde. Die Humanisten nahmen die optimistische Sicht ein, dass die gottgegebene Fähigkeit zu rationalem Denken den Menschen befähige, seine Instinkte zu kontrollieren. In den Worten von Sir Philip Sidney in seiner Defense of Poesy: „our erected wit maketh us know what perfection is, and yet our infected will keepeth us from reaching unto it.“ Nach christlichem Glauben war der Mensch durch Jesus Christus von der Erbsünde erlöst worden, und Sidney argumentierte, der Mensch könne das Goldene Zeitalter vor dem Sündenfall durch die Dichtung wieder entdecken.

Niccolò Machiavelli

Dem gegenüber vertrat Niccolò Machiavelli in seinem Il Principe (1513) ein pragmatisches Konzept politischen Handelns, indem er Ordnung als den Ausdruck des Willens des Herrschers verstand, der zu harten und schnellen Entscheidungen fähig ist. Wie die Calvinisten sah auch Macchiavelli den Menschen als in sich böse an, weshalb er strenger Kontrolle unterworfen werden müsse. Machiavellis empirischer Realismus wurde vielfach falsch verstanden, zumal er in England vor allem durch Gentillets Contre-Machiavel bekannt wurde. Auf der elisabethanischen Bühne wurden seine Ideen zur Karikatur von Verwerflichkeit verzerrt. Bekanntestes Beispiel ist Christopher Marlowes Drama The Jew of Malta, in dem ‚Machiavel‘ den Prolog spricht:

Beispiel: Christopher Marlowe, The Jew of Malta

To some, perhaps, my name is odious;

But such as love me guard me from their tongues,

And let them know that I am Machiavel,

And weigh not men, and therefore not men’s words.

Admired I am of those that hate me most […]

I count religion but a childish toy

And hold there is no sin but ignorance. (5–9; 14–15)

Kosmos

Das kosmische System, so, wie die Frühe Neuzeit es verstand, sah die Erde im Zentrum mit einer Reihe von neun konzentrischen Sphären, die den neun Planeten entsprachen und sich um die Erde drehten. Jenseits der neunten Sphäre war das Empyreum oder der Himmel, das Reich Gottes.

Kopernikus

Das Werk des Nicolaus Kopernicus, welches nicht mehr die Erde, sondern die Sonne im Zentrum des Universums sah, wurde 1543 veröffentlicht, und spätere Astronomen wie Tycho Brahe, Johannes Kepler, und vor allem Galileo Galilei; führten sein Werk weiter. Massiver Widerstand kam von der Kirche: Wenn die Erde der Sonne untergeordnet wäre, wo wäre dann der Ort für den Menschen als Vollendung von Gottes Schöpfung?

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