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Traditionen

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Mittelalter

Als William Shakespeare Ende der 1580er Jahre anfing zu schreiben, lag die Eröffnung der ersten öffentlichen Theater zirka zehn Jahre zurück. Die Wurzeln des Theaterspiels reichen allerdings wesentlich weiter zurück. Im zehnten Jahrhundert begann die Kirche aus ihrer Liturgie eine rudimentäre Form des geistlichen Spiels mit einem kurzen Austausch von Fragen und Antworten zu entwickeln, welche vor allem heilsgeschichtlich wichtige biblische Episoden wie insbesondere die Passion oder die Auferstehung gestalteten. Hiermit erfolgte ein ‚zweiter Beginn‘ des Dramas nach dessen ‚erster‘ Entstehung in der Antike. Das früheste bekannte Spiel dieser Art ist das Quem quaeritis („wen sucht ihr“) Osterspiel der Kirche von St. Gallen in der Schweiz, eine kurze Dramatisierung der Szene des Dialogs der Engel mit den drei Marien am Grab Christi nach dem Matthäus-Evangelium. Weitere Zeugnisse belegen, dass an verschiedenen Orten in Europa zunehmend aufwändigere Inszenierungen um Ostern und Weihnachten herum entstanden, ohne dass aber eine wirkliche ‚Geschichte‘ der Entwicklung religiösen Dramas gezeichnet werden könnte.

mystery plays

Im 14. Jahrhundert bildete sich in England und anderen europäischen Ländern mit den so genannten mystery plays, miracle plays oder auch Corpus Christi plays eine anspruchsvollere Form des religiösen Dramas heraus, die in prachtvollen Spektakeln und mit großem Personal in den Städten Stücke mit heilsgeschichtlich bedeutsamen Stoffen von der Schöpfung bis zum Letzten Gericht darboten. Wie die erhaltenen Texte zeigen, hatten die Charaktere eine doppelte Identität, da sie zum einen Figuren der Heilsgeschichte verkörperten, zum anderen aber auch als Zeitgenossen vorgestellt wurden, die z.B. das schwere Leben des dritten Standes beklagen konnten. Von 1376 an wurden diese mystery plays in England jährlich um die Osterzeit aufgeführt. Ein Zyklus bestand aus mehreren Stücken (der York cycle aus nicht weniger als 48), wobei nicht gesichert ist, dass alle Stücke eines Zyklus innerhalb eines Jahres aufgeführt wurden. Gespielt wurde im Freien, beispielsweise auf Marktplätzen, und die Ausführenden waren keine professionellen Schauspieler sondern Mitglieder von Handwerkergilden. Ein festes script hat offenbar nicht existiert, und die Dramen dürften jeweils den Gegebenheiten des Ortes angepasst oder aus dem Gedächtnis reproduziert worden sein. Spielstätte waren von Pferden gezogene Wagen, die in ihrem unteren Teil die Bühne, im oberen Umkleidemöglichkeiten bereitstellten. Auf diesen wurde jeweils ein Stück vorgestellt, bevor die Truppe zur nächsten Spielstätte weiter zog. Der Niedergang dieser Dramenform in der Regierungszeit Elizabeths lässt sich erklären aus der Verarmung der Handwerkergilden aufgrund der wirtschaftlichen Veränderungen in der beginnenden Neuzeit, des zunehmenden puritanischen Einflusses, sowie der Unterdrückung durch die Staatskirche, die in diesen Spielen nur die Reste der römisch-katholischen Tradition zu sehen vermochte, welche der Durchsetzung der Reformation im Wege standen (vgl. Kap. I).

morality plays

Neben den Mysterienspielen entstanden ebenfalls im späten 14. Jahrhundert als religiös-allegorische Dramen die morality plays. Diese zeichnen sich – neben ihren geistlichen und später weltlichen Inhalten – insbesondere durch ihre didaktische Grundkonzeption aus: vor der Vergebung von Sünden und der Aufnahme der Seele in den Himmel muss ein Prozess der Umkehr und Reue stehen. Morality plays waren insbesondere bei den Humanisten des 16. Jahrhunderts populär, die diese Dramenform mit pädagogischen und politischen Inhalten füllten. Letzte Ausläufer finden sich noch etwa in Christopher Marlowes Dr Faustus mit den Charakteren der good angels and bad angels, die versuchen, auf den Zentralcharakter Einfluss zu nehmen. Wie mystery plays wurden auch morality plays von wandernden Schauspieltruppen mit nur wenigen Akteuren meist auf Volksfesten oder Messen im Freien dargeboten. Wie aus einer zeitgenössischen Skizze von The Castle of Perseverance (1400–1425) hervorgeht, wurde dieses Stück offenbar in einer runden Arena, auf der Gerüste für feste Schauplätze (etwa das Schloss) aufgebaut waren, aufgeführt. Die Schauspieler zogen von einem Gerüst zum nächsten, wenn die Handlung einen Schauplatzwechsel vorsah. Das Publikum dürfte mit diesen mitgegangen sein.

Charaktere

Die auftretenden Charaktere sind in morality plays nicht individualisiert, sondern vielmehr repräsentativ: es treten personifizierte Tugenden wie Conscience, Good Deeds, Mercy, sowie Laster wie Greed, Envy, Wrath als allegorische Figuren auf und kämpfen um die Seele eines Menschen (Psychomachia). Dieser Mensch ist dabei mehr das Objekt dieser Auseinandersetzung als handelndes, individuell charakterisiertes Subjekt, was sich bereits in Namen wie hecastos (griechisch: ‚jeder‘), humanum genus (lateinisch: Menschengeschlecht‘), juventus (lateinisch: Jugend‘), everyman oder mankind andeutet. Diese Zentralfigur befindet sich zu Beginn der Handlung unter dem Einfluss von guten Mächten im Zustand der Gnade, wird dann durch Lasterfiguren in den Zustand der Sünde verführt, letztlich aber durch Gottes Gnade und seine eigene Reue geläutert. Die Figur erhält mit ihrem Tod die Heilsgewissheit, also das ewige Leben, und stirbt im Zustand der Gnade.

vice figure

Wurde in den frühen morality plays die Zentralfigur noch durch den Teufel oder mehrere Verführer-Figuren beeinflusst, bildete sich im Laufe der Jahre eine Figur als zentral in dieser Gruppe heraus: die so genannte vice figure (Lasterfigur). Als Anführer der verwerflichen Eigenschaften organisierte diese Figur die Tricks und Fallen, die die Zentralfigur in den Zustand der Sünde locken sollten. Das Vice verbündete sich üblicherweise mit dem Publikum, indem es dieses in seine Pläne einweihte und wurde damit zu einer sehr populären Figur, deren Erbe sich auch noch in den Dramen Shakespeares, etwa in Richard III, Falstaff in Henry IV oder Jago in Othello, finden lässt. Morality plays konnten aufgrund ihrer Struktur des Kampfes guter gegen schlechte Mächte für verschiedene Ziele instrumentalisiert werden.

interludes

Nach der heilsgeschichtlichen Erbauung der mystery plays und der didaktischen Ausrichtung der morality plays waren die interludes die erste Form des rein weltlichen Theaters in England. Prominentester Autor war der produktive Thomas Heywood. Interludes, die in banqueting halls aufgeführt wurden, dienten anfangs besonders als burleske Einlage zur Unterhaltung bei höfischen Banketten und Festen, später fungierten sie auch als selbständiger Teil des Festprogramms. Kennzeichen des interlude sind die Kürze und Einfachheit der Handlung, deren Rücknahme gegenüber dem witzig-pointierten Dialog, sowie die geringe Anzahl der auftretenden Figuren.

Schuldramen

Ein weiterer Einfluss auf Shakespeare und seine Zeitgenossen zeigte sich im gelehrten Schuldrama der Humanisten um Erasmus und Sir Thomas More. Diese Stücke wurden von Schülern aufgeführt, wobei die Jungen der St. Paul’s School und die Children of the Chapel Royal zu den bekanntesten Truppen der Zeit gehörten. Um 1575 gründeten die Paul’s Boys ihr eigenes Theater in der Nähe der St. Pauls Kathedrale, um für Hofaufführungen zu proben, aber auch zahlendes Publikum zuzulassen. 1576 begannen die Children of the Chapel Royal im Bereich Blackfriar’s ebenfalls, vor zahlendem Publikum zu spielen. Die Eintrittspreise waren relativ hoch (die billigste Karte kostete so viel wie die teuerste im Globe Theatre), so dass das Publikum sich eher aus den wohlhabenden Schichten rekrutierte. Grundlage von Schuldramen waren Komödien der römischen Dichter Plautus und Terenz sowie Tragödien von Seneca, die von den Lehrmeistern für die Schüler in lateinischer und zunehmend auch in englischer Sprache adaptiert wurden.

William Shakespeare

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