Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 1 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 14
Оглавление3. An Rufinus
[Vorwort]
Es ist, als ob ein Ahnen die Seele unseres Heiligen durchzieht, wenn er am Schlüsse dieses Briefes mit bangen Worten von der Freundschaft spricht, die auf’ hören kann. Ist doch dieser Brief das erste literarische Denkmal, in dem er des Mannes gedenkt, mit dem er im späteren Leben so manches Mal in bitterster Fehde die Waffen kreuzen sollte. Es ist der Presbyter Rufin, mit dem ihn einst zu Rom innige Studienfreundschaft verband, der auch zum trauten Freundeskreise in Aquileja gehörte. Ein „plötzlicher Sturm“, unter dem wir uns nichts Bestimmtes vorstellen können, trennte die beiden Freunde im Jahre 373.6 Rufinus, der Mönch geworden war, unternahm mit der älteren Melania, einer frommen und vornehmen römischen Dame, eine Wallfahrt zu den Mönchssiedlungen in der nitrischen Wüste, um sich dann in Palästina niederzulassen. Hieronymus gibt seiner großen Freude über das Interesse des Freundes für das Eremitentum Ausdruck. Anschließend schildert er seine Erlebnisse seit den Tagen ihrer Trennung. Es folgt eine begeisterte Lobrede auf den gemeinsamen Freund Bonosus, der das gemeinsame Ideal auf einer öden dalmatinischen Insel bereits verwirklicht hat. Der Brief endet mit der Bitte, die alte Freundschaft weiter zu pflegen. Er dürfte im Hochsommer 374 zu Antiochia geschrieben sein, kurz bevor sich Hieronymus in der Wüste Chalkis niederließ.
1.
Daß Gott mehr gibt, als wir von ihm erbitten, daß er des öfteren schenkt, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, keines Menschen Herz erfahren hat, 7 war mir bereits aus den heiligen und geheimnisvollen Schriften bekannt. Nun aber, mein lieber Rufinus, habe ich es an mir selbst erlebt. Ich hielt es nämlich schon für einen reichlich kühnen Wunsch, durch den brieflichen Wechselverkehr uns gegenseitig ein Zusammensein vorzutäuschen, und nun höre ich, daß Du in Ägyptens Einöden vordringst, die Klöster der Mönche besuchst und Deinen Rundgang machst bei den himmlischen Gemeinschaften auf Erden. O wenn mir doch der Herr Jesus Christus einen plötzlichen Ortswechsel ermöglichen möchte, wie wir ihn in den Berichten von Philippus und dem Eunuchen 8, von Habakuk und Daniel lesen. 9 Wie wollte ich mich an Deinen Hals werfen und Dich aufs innigste umarmen! Wie wollte ich den Mund, der einst mit mir irrte, aber auch mit mir zur Weisheit kam, mit den zärtlichsten Küssen bedecken! Doch weil ich ein solches Wunder nicht verdiene und häufige Krankheiten meinen erbärmlichen Leib, der krank ist, auch wenn er gesund ist, zermürbt haben, schicke ich diesen Brief, damit er an meiner Stelle mit Dir zusammentreffe und Dich mit den Banden der Liebe gefesselt zu mir geleite.
2.
Die erste frohe Botschaft dieses unvermuteten Glückes verdanke ich dem Bruder Heliodor. 10 Was ich gerne wahr sah, glaubte ich nicht für wahr halten zu dürfen, da Heliodor sich auf einen anderen als Gewährsmann berief und die Überraschung meinen Glauben an die Nachricht beeinträchtigte. Aber meinen Zweifeln und meinem Schwanken machte ein Mönch aus Alexandria, den schon vor längerer Zeit das Volk in seiner treuen Anhänglichkeit zu den ägyptischen Bekennern, die ihrem Wollen nach Märtyrer sind, 11 gesandt hatte, durch seine einwandfreie Bestätigung ein Ende. Immerhin gestehe ich, daß auch da noch mein Glaube nicht ganz fest war. Trotzdem schien dieser Mönch, wenn er auch Deine Heimat und Deinen Namen nicht kannte, schon deshalb ein zuverlässiger Bote zu sein, weil er wiederholte, was Heliodor bereits berichtet hatte. Schließlich brach sich die Wahrheit mit voller Wucht Bahn. Rufinus ist in der nitrischen Wüste, er hat den seligen Makarius 12 an besucht; so lautete der Bericht der vielen, die hier ein und aus gingen. Nun ließ ich meiner Zuversicht die Zügel schießen; aber gerade da, es schmerzt mich wahrhaft, war ich krank. Wenn mich nicht die schwachen Kräfte meines heruntergekommenen Körpers einer Fessel gleich gehindert hätten, würde mich weder die Gluthitze des Hochsommers noch die Unsicherheit einer Seereise davon abgehalten haben, mit der Eile des Freundes Dich aufzusuchen. Du kannst mir glauben, geliebter Bruder; verlangender kann nicht nach dem Hafen ausschauen der Schiffer, vom Sturm umhergetrieben, gieriger können nicht die ausgetrockneten Fluren nach Regen schmachten, mit größerer Sehnsucht kann nicht die Mutter ihren Sohn erwarten, in Sorge am gekrümmten Gestade 13 sitzend.
3.
Nachdem ein plötzlicher Sturm mich von Deiner Seite gerissen hatte und es bösen Menschen gelungen war, das enge Band der Liebe, mit dem ich an Dir hing, zu zerreißen, da stand eine dunkle Wetterwolke über meinem Haupte, da war ringsum nur noch Himmel und Wasser. 14 Schließlich fand ich, der ich aufs Geratewohl umherirrte, einem Schiffbrüchigen gleich, in Syrien einen sicheren Hafen. Inzwischen hatte meine Wanderung durch Thrakien, Pontus, Bithynien, ganz Galatien und Kappadokien und durch Kilikiens Gluthitze meine Kräfte aufgerieben. In Syrien habe ich, nachdem ich alle möglichen Krankheiten erduldet, eines meiner beiden Augen eingebüßt, den Innocentius nämlich, 15 ein Stück meines eigenen Ich. Ihn hat ein plötzlicher Fieberanfall von meiner Seite weggerafft. Nun habe ich nur noch ein unversehrtes Auge, unseren guten Evagrius, 16 dem ich, der ständig Kranke, bei seiner vielen Arbeit eine schwere Belastung geworden bin. Bei uns war noch Hylas, der Sklave der heiligen Melania, 17 der den seinem Stand anhaftenden Makel durch die Reinheit seiner Sitten ausglich. Leider riß sein Tod die noch nicht vernarbte Wunde wieder auf. Doch des Apostels Wort verbietet uns, über die Entschlafenen zu trauern. 18 Auch ist der allzu große Schmerz durch das Eintreffen der freudigen Nachricht gemildert worden- So teile ich Dir diese Dinge nur mit, damit Du sie erfährst, falls Du noch nicht davon gehört hast; falls sie Dir aber bereits bekannt sind, damit Du Dich zusammen mit mir der Freude hingibst.
4.
Dein, oder besser mein und noch richtiger unser Bonosus 19 erklimmt schon die von Jakob im Traum geschaute Leiter. 20 Er trägt sein Kreuz, 21 ohne an den morgigen Tag zu denken 22 oder rückwärts zu blicken. 23 Er sät in Tränen, um in Freude zu ernten. 24 Nach dem geheimnisvollen Beispiel des Moses hat er die eherne Schlange in der Wüste aufgerichtet. 25 Wie weit stehen doch die in griechischer und lateinischer Sprache erdichteten und erlogenen Wunderberichte gegen solche Tatsachen zurück! Ein junger Mann, der mit uns in all den Künsten, welche die Welt schätzt, unterrichtet worden war, außergewöhnlich reich, geachtet von seinen Altersgenossen, zieht weg von seiner Mutter, seinen Schwestern und dem heißgeliebten Bruder und läßt sich wie ein neuer Siedler des Paradieses auf einer vom Meer umbrandeten, von den Schiffern gefürchteten Insel nieder, welche das rauhe Gestein, die kahlen Felsen und die Einsamkeit zu einer Stätte des Schreckens machen. Kein Bauer, kein Mönch, ja nicht einmal der kleine Onesimus, den Du gekannt hast und dem er wie einem jüngeren Bruder zugetan war, hat es in dieser Einöde als Begleiter an seiner Seite ausgehalten. Allein und auch wieder nicht allein, da ja Christus bei ihm ist, schaut er die Herrlichkeit Gottes, die ja auch die Apostel nur an einem einsamen Orte zu schauen bekamen. 26 Turmgekrönte Städte erblickt er nicht. Dafür trug er seinen Namen in der Bürgerliste einer neuen Stadt ein. Zwar starren seine Glieder im plumpen Bußgewande, aber so wird er leichter emporgehoben zu den Wolken, Christus entgegen. 27 Er genießt nicht die Anmut lieblicher Quellen, statt dessen trinkt er aus der Seite des Herrn vom Wasser des Lebens. Halte Dir dies vor Augen, teuerster Freund, und bringe es Deinem Herzen und Gemüte recht lebhaft nahe! Erst dann kannst Du den Sieg besingen, wenn Du die Strapazen, denen sich der Kämpfer unterzieht, richtig eingeschätzt hast. Um die ganze Insel tost das tolle Meer» und gegen die Bergfelsen peitschend bäumt sich der Ozean auf. 28 Den Boden ziert kein grüner Grashalm, und selbst im Frühling bietet die Insel kein schattiges Plätzchen. Zerklüftete Felsen umschließen gleichsam einen schauerlichen Kerker. Er aber hört unbeirrt und furchtlos, einzig mit den Waffen des Apostels ausgerüstet, auf Gott, 29 wenn er die göttlichen Schriften immer wieder liest. Oder er spricht mit Gott, indem er zum Herrn fleht. Wer weiß, vielleicht wird ihm noch ein Gesicht zuteil, wie einst dem Johannes, als er auf seiner Insel weilte. 30
5.
Welche Ränke mag da nun der Teufel schmieden? Welche Schlingen wird er stellen? Vielleicht wiederholt er die alte List und rät ihm, seinen Hunger zu stillen. Aber er hat bereits zur Antwort erhalten: „Nicht vom Brote allein lebt der Mensch“. 31 Vielleicht verspricht er Reichtum und Ehre. Doch ihm wird gesagt werden; „Die da reich werden wollen, fallen in die Fallstricke der Versuchung.“ 32 „All mein Rühmen ist in Christus.“ 33 Am Ende wird er die vom Fasten ermatteten Glieder mit Krankheit schlagen. Aber Bonosus wird ihn mit des Apostels Wort zurückweisen, der da schreibt: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich um so stärker. Die Kraft wird in der Schwachheit vollendet.“ 34 Der Teufel wird ihn mit Tod schrecken. Doch die Antwort wird lauten: „Ich wünsche aufgelöst und mit Christus zu sein.“ 35 Der Satan wird feurige Pfeile losschnellen, doch wird unser Freund sie mit dem Schilde des Glaubens auffangen. 36 Um kurz zu sein: Der Satan wird angreifen, aber Christus wird sein Schutz sein. Dank sei Dir, Herr Jesus, daß ich am Gerichtstage jemanden habe, der für mich bei Dir eintreten kann. Du, dem der einzelnen Herzen offenkundig sind, der Du die verborgensten Geheimnisse erforschest, der Du den im Bauche des großen Fisches eingeschlossenen Propheten in der Meerestiefe nicht vergaßest, 37 Du weißt, wie er und ich vom zarten Kindesalter an bis zur Blüte der Jünglingsjahre gemeinsam herangewachsen sind, wie wir an der Brust der gleichen Ammen genährt und von den gleichen Wärtern auf den Arm genommen wurden. Du weißt, wie wir nach Beendigung unseres Studiums zu Rom an den halbbarbarischen Ufern des Rheins Tisch und Wohnung teilten, und wie ich als erster den Entschluß zu Deinem Dienste faßte. Ich bitte Dich, o Herr, vergiß nicht, daß dieser Dein Kämpfer einst mit mir zusammen als Rekrut gedient hat. Ich kenne die Drohung Deiner Majestät: „Wer lehrt, aber nicht demgemäß handelt, der wird der geringste im Reiche Gottes genannt werden. Wer aber entsprechend handelt und lehrt, wird groß sein im Himmelreiche. 38 Er mag der Tugend Krone erhalten und zum Lohne für seine tägliche Abtötung, angetan mit dem Ehrenkleide, dem Lamme folgen. 39 Denn es sind viele Wohnungen beim Vater. 40 Und ein Stern unterscheidet sich durch seine Helligkeit vom andern. 41 Mir aber erlaube, daß ich mein Haupt zu den Füßen der Heiligen erheben darf. 42 Was er durchgeführt hat, das erstrebe ich erst, Verzeihe mir, daß ich nicht zur Vollendung gelangte; ihm aber gib den Lohn, auf den er Anspruch hat!
6.
Doch habe ich schon mehr Worte gemacht, als eines Briefes Kürze es zuläßt. Freilich wiederholt sich dies immer wieder bei mir, wenn ich etwas zum Lobe unseres Freundes Bonosus zu sagen habe. Nun aber will ich wieder auf das zurückkommen, wovon ich in meinem Briefe ausgegangen bin. Ich beschwöre Dich, daß es nicht heißen möge; „Aus den Augen, aus dem Sinn“ bei einem Freund, wie man ihn lange sucht, schwer findet und nicht leicht behält. Mag mancher von Gold strotzen; mögen bei feierlichen Aufzügen an der einhergetragenen prunkenden Bürde gleißende Metalle aufleuchten, die Liebe kann damit nicht erkauft werden. Die Liebe hat keinen Marktpreis. Eine Freundschaft, die aufhören kann, war niemals wahre Freundschaft. 43