Читать книгу Deutschland, Deutschland - Stefan Aust - Страница 15

Besuch in der alten Heimat

Dezember 1989

Die Volkskammer streicht den Führungsanspruch der SED aus der Verfassung (1. Dezember). Gorbatschow verhandelt mit US-Präsident Bush auf Malta über die Deutschlandfrage (2. Dezember) und weist kurz darauf Helmut Kohls Zehn-Punkte-Plan als »Diktat« zurück (4. Dezember). Alexander Schalck-Golodkowski flieht aus der DDR (3. Dezember), Egon Krenz tritt zurück (6. Dezember). Am Runden Tisch kommen erstmals Vertreter der SED, der Blockparteien und der Bürgerbewegungen zusammen und beschließen die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (7. Dezember).

Nicht nur von Ost nach West bewegten sich die Menschen. Der ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann trat zum ersten Mal wieder in seiner Heimat auf und besang den Mann, der die Mauer geöffnet hatte. »Hey Krenz, du fröhlicher kalter Krieger, ich glaube dir nichts, kein einziges Wort.« Beifall brandete auf. Biermann sang weiter: »Wir wollen dich nicht ins Verderben stürzen, du bist schon verdorben genug. Nicht Rache, nein, Rente im Wandlitzer Ghetto und Friede deinem letzten Atemzug.«

Nun hatten die Genossen ihn also wieder, ihren Biermann, diese Nervensäge am sozialistischen Gemüt. Der Auftritt dürfte Egon Krenz fast so geschmerzt haben wie der Verzicht auf das Machtmonopol der SED. Immerhin hatte Biermann den kurzzeitigen SED-Chef doch als den miesesten aller möglichen Kandidaten, als versoffenen FDJ-Veteranen, opportunistischen Idioten und als das ewig lachende Gebiss bezeichnet.