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»Mutti ist im Westen« – Die verlassenen Kinder von Ostberlin

Dezember 1989

Nicht nur die Partei löste sich langsam auf. Auch die Gesellschaft der DDR zeigte Zerfallserscheinungen.

Nicht wenige Eltern hatten die offene Grenze genutzt und sich in den Westen abgesetzt. Manche hatten ihre Kinder einfach zurückgelassen. Spiegel-TV-Mitarbeiter Cassian von Salomon besuchte ein Heim für verlassene Kinder in Ostberlin. Die zuständige Frau im Magistrat, Abteilung Volksbildung, schilderte einen Fall.

Die Zwillinge Sascha und Sebastian waren vier Jahre alt. Am 13. November sei ihre Mutter nach Westberlin gefahren und habe eine Freundin gebeten, die beiden aus dem Kindergarten abzuholen. In einer Bar wolle sie ein bisschen ihrem Vergnügen nachgehen und am nächsten Tag wieder zurück sein. Seitdem habe man nichts mehr von ihr gehört.

Vier Wochen zuvor war auch im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg der jüngere Teil einer Familie zurückgelassen worden.

Drei Jungen im Alter von drei, fünf und acht Jahren blieben allein in einer Zweizimmerwohnung. Die Nachbarn alarmierten die Volkspolizei. Die Kinder wurden abgeholt und in ein Heim gebracht.

Der fünfjährige Steve musste sofort in ein Krankenhaus.

Der Arzt erklärte dem Kamerateam: »Bei dem Größeren, den wir gleich aus der Wohnung bekommen haben, stellten wir fest, dass das Kind ausgesprochen hungrig war. Hat alles um sich herum gegessen, was er nur bekommen konnte.«

Mark schilderte dem Team, was geschehen war: »Die Mutti ist am Sonnabend um halb zwölf losgegangen und hat uns noch einen Zettel geschrieben. Und da stand drauf, wo die Sachen liegen und dass sie uns was mitbringt. Dann hat sie uns noch ein bisschen Frühstück auf den Schrank gelegt. Waren aber nur acht Stullen. Die haben wir alle gegessen, und mein Bruder hat drei Eier allein gegessen.«

Der kleine Steve wusste, wo die Mutter war: »Westberlin. Und jetzt bin ich nur noch allein.«

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