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Der ruhige und der unruhige Gott

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Aurelius Augustinus (354 – 430)

„Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir.“40

Dieses schöne Wort aus dem Buch „Bekenntnisse“ des heiligen Augustinus, das dieser an Gott gerichtet hatte, wird seither gern auf das Phänomen der Liebe allgemein übertragen: Liebe sei ein „Ruhen im Herzen des Anderen“. Der Satz kann wohl als eine der schönsten Formulierungen gelten, die jemals über die Liebe gefunden wurde. Und die „Bekenntnisse“ enthalten noch viele weitere solcher Sätze, ja das ganze Buch gilt als eine „Sternstunde der Philosophie“ überhaupt.41 Hier wird wohl erstmals in der Geschichte der Menschheit jedem Leser eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensweg, dem tiefsten Inneren und eine ganz persönliche Begegnung mit Gott nahegebracht, weshalb man über Augustinus’ Biographie außergewöhnlich gut Bescheid weiß.

Dabei stand dem Autor der Sinn in seiner frühen Jugend meist nach ganz andern Dingen, obwohl ihm die Auseinandersetzung mit Gott gleichsam in die Wiege gelegt worden war. Diese Wiege befand sich am 13. November des Jahres 354 nach Christus in Thagaste in Nordafrika, dem heutigen Souk Ahras in Algerien. Augustinus’ Mutter, die heilige Monica (331 – 387), war eine begeisterte Christin und erzog ihren ältesten Sohn im Sinne dieses Glaubens, ließ ihn aber nicht gleich taufen. „Nichts ist fern von Gott, es ist auch nicht zu fürchten, dass er beim Ende der Welt nicht wüsste, wo er mich erwecken soll.“42 Mit diesen Worten der Zuversicht aus dem Mund seiner Mutter – als Antwort auf die Frage, wo sie dereinst beerdigt sein wolle – belegte er deren tiefen Glauben.

Sein heidnischer Vater, der begüterte römische Beamte Patricius, soll keine besondere Rolle für Augustinus gespielt haben, ebenso wenig wie sein Bruder Navigius und seine Schwester Perpetua. Vielleicht wurde ihm durch den Vater immerhin das Bewusstsein von der damals noch festen geistigen Klammer des Römischen Reichs vermittelt, welche noch einige wenige Jahre den Rahmen für die gesamte damalige „Welt“ abgab. In diesem Reich hatte schon 313 die „Konstantinische Wende“ stattgefunden, durch die das Christentum erst zu einer geduldeten Kirche wurde und 380 zur Staatsreligion erhoben werden konnte – was in einem sehr rechtsbetonten Staatssystem, wie dem römischen, im Grunde überlebenswichtig war.

Augustinus soll der Begabteste in der Familie gewesen sein43, weshalb man ihn – nach dem Elementarunterricht in Thagaste – nach Madaura auf die Rhetoren- bzw. Grammatikschule schickte. Mit sechzehn Jahren zog Augustinus dann nach Karthago, wo er Rhetorik studierte.

Die dortige Schule, die man im Rückblick als „Hochschule“ bezeichnen könnte, betrachtete er später in seinen „Bekenntnissen“ recht abfällig und schonte auch sich selber nicht mit Kritik: „[…] dort wollte ich glänzen, um so ruhmreicher, je gewandter ich das Recht verdrehen würde. So groß ist die Verblendung der Menschen: Sie rühmen sich noch ihrer Verblendung. Und schon galt ich was in der Schule des Rhetors und freute mich dessen höchlich und schwoll von Selbstgefühl“.44

In Karthago hatte er auch eine Konkubine, also eine zeitweise Lebensgefährtin, mit der er nicht verheiratet war, die ihm aber einen Sohn schenkte, den sie Adeodatus nannten. „Ich hatte in diesen Jahren geschlechtlichen Umgang mit einer einzigen, nicht in einer Ehe, die man gesetzmäßig nennt – die schweifende Brunst, der Besonnenheit bar, hatte sie aufgespürt –, immerhin nur mit der einen“.45

Laut seinen „Bekenntnissen“ lernte er dadurch auch den Unterschied zwischen einer ehelichen Bindung, „die man der Zeugung wegen eingeht, und einem Abkommen zum geschlechtlichen Liebestausch“.46 Worin der Unterschied genau besteht, verriet er hier allerdings nicht. Sein Interesse galt also in seiner Jugend vorrangig seinem „Selbstgefühl“.

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