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Neue Liebe in Irland

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John musste einen Moment nachdenken. Was hatte Mara wohl gemeint, als sie sagte, das Leben hier sei gewiss ganz anders als das, was er gewohnt sei. „Wahrscheinlich können Sie bei sich zu Hause nicht einfach ins nächstbeste Café gehen und eine Tasse Kaffee bestellen“, hatte sie eben gesagt. Hatte sie ihn erkannt? Konnte man ihn hier in Irland überhaupt kennen? Liefen selbst hier die Serien mit ihm, dem kalifornischen Soap-Helden? Hörte man auch hier seine Songs?

Er wiederholte seine Frage, da Mara nicht sofort geantwortet hatte: „Wie meinen Sie das?“

„John, natürlich wissen wir, dass Sie Stephen Carry sind. Wir haben Sie vom ersten Moment an erkannt, Fiona und ich.“

Er war verblüfft. „Aber Sie haben nichts gesagt.“

„Sie sind als John zu uns gekommen, als Privatperson. Warum sollten wir da etwas sagen?“

„Und die anderen Gäste? Wissen sie es?“

„Natürlich. Der Deutsche hat Sie gleich am ersten Abend enttarnt, und das englische Paar, Jim und Nici, hat sich diskret bei Fiona erkundigt, ob Sie inkognito hier sind.“

„Was ich gesagt habe, ist wahr. Ich war tatsächlich auf dem Weg zu einem Geschäftstermin in Deutschland. Und weil ich die Flugverbindung und damit den Termin verpasst habe, bin ich spontan, aus einer Laune des Augenblicks heraus, hierhergekommen.“

„Sicher. Sie können sich nennen, wie Sie wollen, John, es ist Ihr Leben, Ihr Urlaub.“

„Aber wenn alle Bescheid wissen …?“, meinte er zweifelnd.

„Im Ernst. Alle werden es respektieren, dass Sie als Privatperson hier sind. Außerdem sind die anderen ohnehin mit ihrem eigenen Leben beschäftigt.“

„Gut. Wenn die Gäste es sowieso bereits wissen, wird es mich ab jetzt auch erleichtern. Ich hatte nur gehofft, mein aktuelles Leben wenigstens für eine kurze Zeit hinter mir lassen zu können und eine Weile ohne all diesen Ballast verbringen zu können.“

Mara nickte verständnisvoll. „Es muss schrecklich nervig sein, ständig alles erklären zu müssen und gefragt zu werden, ob Sie Tom Hanks oder Jodie Foster kennen.“

„Eigentlich haben die Leute keine hohen Erwartungen an mich, außer Autogrammen. Die meisten denken eher, dass ich tatsächlich so bin wie in meinen Rollen. Ich habe immer das Gefühl, dass ich sie enttäusche.“

„Oh, das kann ich mir nicht vorstellen. Alle hier finden Sie äußerst charmant. Ich übrigens auch. Obwohl ich persönlich das Kapitel Männer für mich abgeschlossen habe, haben Sie es geschafft, wenigstens wieder einen Funken Interesse in mir zu wecken.“

„Ich glaube, Sie machen sich lustig über mich. Ich bin doch ein uralter Mann für Sie“, erwiderte er lachend.

„Oh nein, ich mache mich keinesfalls lustig über Sie, glauben Sie mir. Aber vielleicht wünsche ich mir für Sie, dass Sie mehr Spaß an der Sache haben. Am Erfolg, meine ich, und daran, von allen geliebt zu werden und berühmt zu sein. Hätte ich so viel geleistet wie Sie, wäre ich stolz auf mich und würde ständig mit einem breiten Grinsen durch die Gegend laufen.“

„Ich spiele doch nur irgendwelche Rollen“, sagte er. „Das ist mein Job. Aber im richtigen Leben will ich das nicht auch noch machen müssen.“

Mara überlegte. „Aber bei Ihrer Familie können Sie doch Sie selbst sein, oder?“, fragte sie.

„Ich habe keine Familie. Es sei denn, man definiert so mein Publikum.“

„Ihre Familie ist das Publikum?“

„Nein, gerade das möchte ich eigentlich nicht. Ich möchte für alle da sein und unterhalten, aber unter Familie stelle ich mir etwas anderes vor.“

Sie unterhielten sich mehr als die eingeplante Zeit bei ihrem Kaffee über ihre Einstellung zu Familie und Partnerschaften, und John legte dar, dass er niemals in das Leben der anderen mit bürgerlichen Besitzansprüchen hineingrätschen würde. Sie berichteten sich aus ihrer Vergangenheit, wobei John das Thema Svea ausklammerte. Schließlich sagte Mara: „Sie wären gewiss ein toller Vater. Warum habe ich bloß keine Eltern, die eine so offene Einstellung haben wie Sie?“

„Sind Ihre Eltern denn schwierig?“, fragte er voller Anteilnahme.

„Ja, um ehrlich zu sein. Sie hätten es vermutlich gern, wenn ich anders wäre. Ich bin ihnen irgendwie zu frei. Sie finden es nämlich ein bisschen verfrüht, dass ich in meinem Alter schon eine eigene Wohnung habe.“

„Mit Mitte Zwanzig ist es für eine Frau doch Zeit, sich ein eigenes Nest zu bauen“, bestätigte er sie.

„Woher wissen Sie mein Alter?“

„Ich habe es geschätzt.“

„Treffer! Gut geschätzt. Ich habe gehofft, etwas älter zu wirken.“

„Wir unterhalten uns auf gleichem Level, wo ist das Problem?“

Sie lächelte ihn an und ihr Lächeln, so schien es ihm, hatte dieses Mal etwas an sich, was er so schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte. War es ein verführerisches Lächeln?

Dann wich ihr Lächeln einem ernüchterten Gesichtsausdruck und sie fuhr fort: „Nach Meinung meiner Eltern vergeude ich mein Talent, wenn ich bei Fiona Geschirr spüle, wie sie sich ausdrücken. Ginge es nach ihnen, dann sollte ich irgend so einen reichen lokalen Honoratiorensohn heiraten und in einem großen protzigen Haus mit Dallas-Säulen davor und drinnen drei Badezimmern meine Kinder großziehen.

„Sagen sie das?“

„Das müssen sie nicht sagen, das weiß ich auch so.“

„Vielleicht wünschen sie sich einfach nur das Beste für Sie und wissen nicht, wie sie es ausdrücken sollen.“

„Oh nein, meine Mutter weiß immer, was sie sagen soll, normalerweise in vier Variationen, die alle auf dasselbe hinauslaufen – dass ich mein Leben vergeude.“

„Mal abgesehen vom männlichen Honoratiorennachwuchs, der von Beruf Sohn ist, gibt es denn jemanden, den Sie mögen?“ Er fragte behutsam, nicht aufdringlich, eher interessiert.

„Nein. Wie ich schon sagte, das Kapitel Männer ist für mich abgeschlossen.“

„Das ist aber schade. Es soll ein paar ganz nette geben.“ Er hatte ein schönes Lächeln, leicht ironisch, mit einem verschwörerischen Augenzwinkern.

„Das Risiko will ich lieber nicht eingehen. Ich bin sicher, Sie wissen, was ich meine.“

„Und ob ich das weiß.“ Einen kleinen Moment überlegte er, und dann erzählte er ihr die ganze Geschichte von Svea. Er erzählte alles aus einer lange zurückliegenden Zeit, lange bevor er ein Star des US-Showbiz geworden war. Er erzählte auch von seiner langjährigen Arrestierung wegen Desertation und von der an­schließenden, so vergeblichen Rettungsaktion von Svea. Er erzählte von all den Freunden, mit denen er sie gesucht und schließlich tot aufgefunden hatte. Dabei erwähnte er auch den Namen »Quiny«.

Mara horchte auf. „Woher stammte Quiny?“, fragte sie.

„Sie war eine Deutsche, sehr nett, sehr hübsch, sehr klug. Ein Arbeitermädchen, wie sie immer betonte. Aber auch sie hatte nach ihrer Ansicht nicht die richtigen Eltern. Sie hätten ihre Tochter fördern sollen. In der damaligen Zeit hätte Quiny eine Chance gehabt, das Abitur zu machen und eine Universität zu besuchen. So aber brachte sie es nur zur Kindergärtnerin.“

„Aber das ist doch ein sehr wichtiger und ausfüllender Beruf“, wandte Mara ein.

„Das habe ich ihr auch immer gesagt.“ Stephen Carry schaute Mara erwartungsvoll an, als habe sie noch etwas zu bemerken.

Und genauso war es. „Ich kenne auch eine Quiny. Doch hier bei uns nennen sich viele so, und es wird unter all den Tausenden gewiss nicht deine Quiny sein.“

„Woher kennst du sie?“

„Sie arbeitet aushilfsweise bei uns im Hotel. Aber sie ist keine Deutsche, obwohl sie auch Deutsch spricht. Sie spricht sogar spanisch. Und sie ist mit einem Iren verheiratet. Am Wochenende, bevor du abreist, hat sie Dienst und du wirst sie kennen lernen. Sie ist wie jene Quiny, die du kennst, hübsch, nett, klug und in deinem Alter.“

„Meine Quiny war einmalig.“

„Unsere Quiny ist auch einmalig, glaube mir.“

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