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2.4.2 Die übernatürliche Gotteserkenntnis als Gnadenbeistand der eigenen Sehnsuchtsbewältigung (Beatrice 161 )

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Im zweiten Gesang des Infernums162 hegt Dante Zweifel, ob er würdig zu geratner Reise, da er sich weder mit Aeneas163 noch Paulus164 vergleichen könne.165 Der Mutlosigkeit166 (Feigheit) Dantes entgegentretend berichtet Vergil ihm von der Intervention Beatricens :

»[…] rief mich eine Frau so schön und selig […] :

›Mein Freund […]

Ist an dem öden Strande so behindert

Auf seinem Weg, daß er aus Furcht sich wendet […]

Nun geh und hilf […]

Ihm, daß ich selbst darob getröstet werde.

Ich bin Beatrice (Io son Beatrice), die dich zu ihm sendet.

Ich komm von dort, wohin ich gerne kehre.

Die Liebe trieb mich (Amor mi mosse), daß ich reden mußte.‹«167

Auf Fürsprache und Weisung Mariens (die »dort oben bricht des Richterspruches Härte«168) und der hl. Lucia sucht Beatrice (die aufgrund ihrer Seligkeit daran keinen Schaden nehmen kann)169 Vergil im Limbus der Hölle auf :

»Nun wird dich dein Getreuer brauchen,

Und ich will deiner Hilfe ihn empfehlen. […]

Beatrice, wahre Gottesfreude,

Was hilfst du dem nicht, der dich so sehr liebte,

Daß er sich deinetwegen ausgezeichnet ?«170

Auf die Fürsprache dieser drei Frauen macht sich Vergil auf, Dante ins Jenseits zu führen.

H. Gmelin (u. a.) ordnet sie gnadentheologisch als Personifikationen der gratia praeveniens (Maria), der gratia illuminans (Lucia) und der gratia cooperans (Beatrice) zu.171 Diese aus der Gnadenlehre entnommene Unterscheidung gibt in ihrem interpretativen Gehalt Aufschluss bzgl. der theologischen Bestimmung des rechtfertigenden Geschehens ; unableitbar, ungeschuldet und geheimnisvoll gewährt der Schöpfer und Erlöser die Gnade, welche erst den Durchgang durch die Hölle, den Aufstieg auf die Spitze des Läuterungsberges und den Flug durch die Himmel ermöglicht.

Die Gnadenmittlerschaft der drei Frauen ist wiederum vor dem Hintergrund der eschatologischen Lehre vom fürbittenden Dienst der in der ewigen Anschauung Gottes stehenden Heiligen zu sehen. Da die eine Kirche aus der Gemeinschaft der Lebenden, der zu Läuternden (im Purgatorium) und der Heiligen (im Paradies) besteht, können diese als Glieder des Leibes Christi für andere Fürbitte leisten.172 Auch wenn die fürbittende Gnadenvermittlung Mariens von derjenigen anderer Heiliger hervorgehoben werden muss – unter Beachtung ihrer christologischen Zu- bzw. Untergeordnetheit (die einzige und eigentliche Gnadenmittlerschaft Christi bleibt bestehen) – ist das fürbittende Gebet aller Heiligen und die Bitte darum stets als von der Kirche nützlich und bedeutsam angesehen worden.173 Die exponierte Stellung Beatricens als Dantes persönlicher Fürsprecherin um Befreiung von Schuld und die Gnade der Gottesschau wird in den folgenden Ausführungen thematisiert.174 Sie ist stets in ihrer Transparenz bzgl. der in ihren Augen durchschimmernden Liebesfülle Gottes Weggeleit der Sinnsuche menschlichen Fragens, sie ist Tor zur Ewigkeit, nicht diese selbst. Das Unbedingte scheint in ihr auf, insofern sie von ihm erfüllt ist und auf es hin verweist.

An dieser Stelle ist es bedeutsam, in der Person der Beatrice nicht nur eine Personenallegorie der Theologie, sondern auch der Gnade zu sehen. Theologie selbst wird somit als gnadenverwiesen und bekehrungsermöglichend ausgewiesen175, insofern die Personifikation theologischer Wahrheitssuche in Beatrice der Läuterung und personalen Umkehr Dantes dient und sich daran auch messen lassen will. Theologie als Hilfe zu Sündenabkehr und Gottzuwendung versteht sich selbst vom Gnadenmoment der erlösenden Vergebung Gottes her, wie Dante es im Anblick der Augen seiner nun zur Fürsprecherin bei Gott erhobenen Jugendliebe erfahren und erfassen kann :

»Du hast mit Sehnsucht so mein Herz beweget

Durch deine Worte, daß ich gerne komme

Und meinem alten Vorsatz wieder folge.«176

Das Geleit Beatricens verdeutlicht somit die Gnadenverwiesenheit aller Gottesbegegnung, da hierfür offenbarungsunabhängige Versuche (Vergil) letztlich ungenügend sind. Sie personifiziert diesen Grundzug theologischer Reflexion gegenüber der Offenbarung Gottes : Letztlich liegt die rechte Begegnung (Schau) mit der ewigen Liebesfülle des in Jesus Christus fleischgewordenen Gottes nicht in der Erklärung (Durchschaubarkeit), vielmehr in Lob, Dank und demütiger Anbetung. Die Übernahme der Begleiterrolle Vergils durch Beatrice im Vorraum des Paradieses (im irdischen Paradies ; Purg. XXX) entspricht diesem Charakterzug der Theologie gegenüber rein philosophisch-rationalen Überlegungen. Mit der Erweiterung der reflektierenden Selbstvergewisserung des Menschen in den Bereich der Eschatologie hinein wird die Superiorität und denkerische Uneinholbarkeit des sich selbst offenbarenden (oder verbergenden) Gottes anerkannt und somit die Insuffizienz menschlicher Erkenntnisprozesse gegenüber diesem Absoluten-Unbedingten (womit das Wesen der Gnade angesprochen ist).177 Das Theologieverständnis der DC geht von dieser Ambivalenz aus ; ihre Überlegenheit stützt sich auf die Einwilligung in das ihr stets vorgegebene (nicht von ihr erstellbare, sie mensurierende) Geheimnis der Offenbarung Gottes, womit zugleich ein kategorisches Unvermögen des über sie Reflektierenden angesprochen ist. Diese Selbstbescheidung der Theologie nimmt den Theologen selbst in den Blick, in seiner Gnadenverwiesenheit und Bekehrungsbereitschaft.

Dantes Theologie: Beatrice

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