Читать книгу Soldatengesetz - Stefan Sohm - Страница 195

1. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Оглавление

10

Die politische Treuepflicht von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, ihre Inhalte und ihre dienstrechtlichen Konsequenzen bei Pflichtverstößen sind spätestens seit der grundlegenden Entscheidung des BVerfG v. 22.5.1975[19] im Grunde nicht mehr umstritten. Sie verlangt von jedem Staatsdiener – also auch von Soldaten – mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen aber uninteressierte, kühle und innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung. Vielmehr ist die Bereitschaft gefordert, den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung zu bejahen, sie als schützenswert anzuerkennen, i.d.S. sich zu ihnen zu bekennen und aktiv für sie einzutreten. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen.[20]

11

Auch wenn die Treuepflicht für Soldaten nicht unmittelbar aus den hergebrachten Grds. des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG hergeleitet werden kann,[21] spricht nichts dagegen, sie als eine Kern- und Grundpflicht für Soldaten und konkreten Ausfluss des Prinzips der wehrhaften Demokratie zu konstituieren, wie es durch § 8 erfolgt ist.

12

Selbstverständlich muss die Treuepflicht ihrerseits im Einklang mit grundrechtlichen Freiheiten und anderen verfassungsrechtlichen Grundsätzen stehen. Dies steht aber im Grds. nicht in Frage. Die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG wird durch § 8 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise begrenzt.[22] Das SG ist insoweit ein allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG.[23] Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen eine Abwägung zwischen Treuepflicht und Meinungsfreiheit i.S.d. Herstellung praktischer Konkordanz vorzunehmen, erscheint nur in Ausnahmefällen denkbar. Der Pflicht zur Verfassungstreue kommt ein absoluter Charakter zu; sie kann nur schwerlich durch entgegenstehende Grundrechte aufgeweicht werden.[24] Daher dürfte es missverständlich sein, in konkreten Fällen die Pflicht zur Verfassungstreue gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit abzuwägen.[25] Wertende Betrachtungen werden und müssen sich vielmehr darauf beziehen, ob eine konkrete Verhaltensweise oder Äußerung eines Soldaten inhaltlich im Widerspruch zur FdGO steht oder sich noch in deren Rahmen bewegt. Hierbei spielt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine entscheidende Rolle. Die rechtsstaatlich-demokratische Verfassungsordnung schützt gerade durch dieses Grundrecht auf unterschiedliche Meinungen, Sichtweisen und Wertvorstellungen, auch wenn sie von Mehrheitspositionen abweichen und selbst dann, wenn sie zugespitzt oder provokativ vorgetragen werden. Entscheidend ist, dass sie sich nicht gegen die Maßstäbe der FdGO[26] richten. Die politische Treuepflicht schließt auch ein politisches Engagement von Soldaten nicht aus („Staatsbürger in Uniform“)[27] und verlangt auch keine Identifikation mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung oder der in den Parlamenten vertretenen Parteien.[28] Ob eine Verhaltensweise wirklich gegen die FdGO gerichtet ist, muss daher gerade in Ansehung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit sorgfältig geprüft werden. Steht allerdings die Verfassungsfeindlichkeit (z.B. einer Äußerung oder einer politischen Betätigung) fest, so kann ein Verstoß gegen § 8 nicht mehr mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit verneint werden.[29]

13

Das Parteienprivileg nach Art. 21 Abs. 2 GG steht einer Verpflichtung von Soldaten zur Verfassungstreue nicht entgegen.[30] Die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei kann ein Verstoß gegen die Treupflicht begründen, selbst wenn das BVerfG die Partei nicht verboten hat.[31]

14

Auch der EGMR hat anerkannt, dass von Staatsdienern die Treue zu grundlegenden Verfassungsgrds. der jeweiligen Staaten verlangt werden kann.[32]

15

Rechtstatsächlich haben sich die Problemstellungen der politischen Treuepflicht in den letzten Jahren zum Teil verschoben. In den siebziger Jahren standen der Ost-West-Konflikt und die Bedrohung bzw. Infiltration durch kommunistische Regime (insbes. der DDR) und damit linksradikale Verhaltensweisen im Vordergrund,[33] obwohl in den Streitkräfte das Phänomen linksradikaler Angehöriger immer weniger ausgeprägt war als in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Inzwischen hat sich der Fokus allgemein eher auf die Problematik rechtsextremer Angehöriger verlagert[34] sowie im Zusammenhang damit auf Anhänger der sog. „Reichsbürgerbewegung.“[35] Eine noch relativ neue Entwicklung im Zusammenhang mit der politischen Treuepflicht, stellt der unmittelbar nicht politische, sondern religiöse Extremismus (insbes. Islamismus) dar, der – soweit er die Verfassungsordnung des GG nicht anerkennt – ohne Zweifel zu den verfassungsfeindlichen Strömungen zu rechnen ist.[36]

Soldatengesetz

Подняться наверх