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Kapitel 7 Nochmals 3 Jahre später, herrschaftlicher Wohnsaal auf Burg Hiltenburg, im November anno 1427

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Graf Friedrich saß in einem Lehnstuhl vor dem offenen Kamin in seinem Arbeitszimmer und wärmte sich die kalten Füße am Feuer. Er war erst vor kurzem vom kaiserlichen Hof heimgekehrt, um eine Weile bei seiner Familie zu verbringen. Außerdem hatte sich etwas ergeben, das er dringend arrangieren musste.

Schon seit Jahren hatte die Familie auf solch eine Gelegenheit gewartet, um die maroden Finanzen der Helfensteiner ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Jetzt hatte sich ihm diese einzigartige Möglichkeit geboten, und er gedachte sie zu ergreifen. Allerdings... wenn da nicht Mathildas Sturheit im Wege stünde...

Der Graf brummte unwillig vor sich hin. Wohl war ihm nicht dabei, Mathilda zu eröffnen, dass er den perfekten Ehegatten für sie gefunden hatte. Sie würde außer sich sein vor Wut, schätzte er. Wenn ihm auch die ganzen Hofintrigen beim Kaiser wenig ausmachten, umso mehr fürchtete er sich vor Mathildas Zorn. Sie war sein Goldschatz. Und er befürchtete, sie dadurch zu verlieren. Er hatte all die Jahre Mathilda vor allem bewahrt, was irgendetwas mit Politik zu tun gehabt hatte. Er hatte sie verhätschelt und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Aber nun konnte er sich den Tatsachen nicht mehr verschließen. Sie war schon 18. Eigentlich verheiratete man seine Töchter eher oder schickte sie ins Kloster, daher war es längst an der Zeit dazu. Agnes, seine Frau, redete diesbezüglich schon seit langer Zeit immer wieder auf ihn ein, dass dieser Schritt unvermeidlich und längst überfällig wäre. Und, dass es bald zu spät wäre, etwas Vernünftiges für seine Tochter zu finden, denn bisher hatte er Mathilda die Wahl gelassen, mit wem und wann sie den Bund der Ehe eingehen wollte. Seine Tochter hatte jedoch in den letzten Jahren jeden Freier abgewiesen, der um ihre Hand angehalten hatte. Es waren einige gewesen, zum Beispiel Benno von Rechberghausen, oder auch Sigmund vom Reußenstein, zwei gute Partien. Sogar den Junker Hans von Berlingen aus dem nahe gelegenen Gosbach, das zur Gemarkung Trackenstein gehörte, hatte sie abgelehnt. Hans war ein junger verliebter Bursche, ein Freund seines Sohnes Ulrich, der zwar zugegebenermaßen nicht der Reichste der Bewerber war, aber sie immerhin auf Händen getragen hätte und sie sicherlich glücklich gemacht hätte, nach Meinung ihres Vaters jedenfalls. Schließlich war er der Hartnäckigste von allen und warb immer wieder um ihre Hand, wenn er auf der Burg weilte. Aber Mathilda wollte keinen.

Doch dieses Mal war es nicht ihre Entscheidung. Dieses Mal gab es keine andere Wahl für Mathilda. Dieses Mal ging es darum, mit dieser Heirat den helfensteinischen Besitz wieder zu mehren, nachdem die Ulmer einen Teil des Familienbesitzes der Helfensteiner an sich gerissen hatten. Zwar behaupteten diese, es würde an der schlechten Haushaltung der schon verstorbenen Herzogin Maria gelegen haben, Friedrichs Mutter und Mathildas Oma. Doch Tatsache war, dass diese nach dem Tod ihres Mannes das Gut hatte nicht führen dürfen. Dies war allein den Männern vorbehalten. Daher wurden zwei Vormunde für die Verwaltung des Guts eingesetzt, bis die Söhne volljährig gewesen waren. Der eine, ein Freund der Helfensteiner, hatte ordentlich gearbeitet, die finanziellen Mittel zusammengehalten und im Sinne der unmündigen Kinder gehandelt. Doch der andere, ein Ulmer Vogt, hatte das Geld nur so zum Fenster herausgeworfen, was zuerst zur Verschuldung, danach sogar zur Verpfändung der Güter geführt hatte und letztendlich zum Verlust dieser Güter an die Stadt Ulm. Welch Zufall...

Friedrich grunzte abfällig, während er den Blick vom Feuer abwand und sich seine Stiefel wieder anzog. Mathildas Oma traf keine Schuld. Sie war eine gute Frau gewesen, die auch viel für die hiesige Bevölkerung getan hatte. Aber es war natürlich sehr einfach, die Schuld ihr unterzuschieben, stammte sie doch nicht aus dieser Gegend, sondern war aus dem fremden Bosnien nach hier gekommen.

Friedrich selbst hatte damals als unmündiges Kind nur zähneknirschend zusehen können, bis endlich einer seiner Brüder erwachsen war und dem bunten Treiben des falschen Vogts Einhalt gebieten konnte. Doch es war zu spät gewesen. Der Geislinger und Heidenheimer Teil der Grafschaft war lange verloren, als Friedrich selbst die Grafschaft mit dem neuen Hauptsitz der Helfensteiner, die Hiltenburg bei Tizimbach, übernahm.

Mathildas Heirat würde ein wenig von dem alten Glanz zurückbringen, so hoffte Graf Friedrich insgeheim.

Er erhob sich und ging zurück zu seinem Schreibtisch. Er war schon lange im Familienbesitz. Das dunkle Holz war mit Schnitzereien und Intarsien verziert. An Stellen, die oft angefasst oder an denen durch den Gebrauch darüber gerieben wurde, glänzte das Holz mehr als an anderen Stellen. Friedrich wusste, dass es eigentlich an der Zeit war, den Tisch überholen zu lassen, aber es wäre eine unnötige Ausgabe gewesen. Also beließ er ihn erst mal so wie er war. Dann schob er eine Schublade auf, fischte einiges an Papierkram heraus und legte es vor sich ab auf die Tischplatte.

Durch einen Bediensteten ließ er wenig später seine älteste Tochter zu sich rufen.

Mathilda ereilte die Nachricht, dass sie bei ihrem Vater vorstellig werden sollte, als sie gerade dabei war, einen Ochsen in die Führung eines Fuhrwerks einzuspannen. Es war wieder einmal ein trüber Tag. Über dem Tal lag der Nebel, es war kalt und die Blätter der Bäume hatten bereits begonnen, von den Ästen abzufallen.

"Mathilda, euer Vater schickt nach euch. Er erwartet euch", meldete der Diener und sah ängstlich auf die Hörner des Ochsen, die Mathildas Kopf ziemlich nahe waren. Offiziell sollte sie das hier nur beaufsichtigen und nicht selbst Hand anlegen, aber Mathilda hielt sich wie üblich nicht an das, was man ihr gesagt hatte. Sie erledigte gerne Arbeiten, die den Bediensteten oblagen oder aber dem männlichen Geschlecht vorbehalten waren. Ihre Familie sah es nicht gerne und sie bekam deshalb des Öfteren Ärger. Die Bediensteten hingegen ließen die Grafentochter gewähren. Sie mochten sie deshalb umso mehr, als sie die anderen mochten, da Mathilda sich in ihren Augen nicht so sehr abhob. Sie war eine Helfensteinerin des einfachen Volkes geworden. Und sie hatte keine Angst vor dieser ollen Kuh. Sie strich dem Ochsen über die Nase. Dieser quittierte die Liebkosung, indem er mit der Zunge versuchte, ihre Hand abzulecken.

"Ich komme schon, Daniel."

Sie ließ von dem Tier ab und nickte einem Stallburschen zu, der ihre Bemühungen fortsetzen sollte.

"Hier, übernehmt den guten Kerl für mich." Dabei warf sie ihm das eine Ende des Stricks zu, dessen anderes Ende um den Hals des Ochsen geschlungen war.

Sie wusch sich kurz die Hände an der zweiten Zisterne, die auf der Vorburg vor den Stallungen zu finden war, und stand binnen fünf Minuten vor ihres Vaters Schreibtisch im ersten Stock des Herrenhauses. Es musste wichtig sein, wenn er sie in seinen Arbeitsraum rief, was er selten tat. Aber wenn er es getan hatte, dann war es immer wichtig gewesen. Deshalb hatte Mathilda sich auch so beeilt.

Friedrich von Helfenstein blickte auf und sah seiner Tochter in die Augen. Sie trug ihr Haare zwar wie eine echte Dame von Stand eng am Kopf geflochten, doch der restliche Aufzug seiner Tochter entsprach nicht gerade dem Adelsbild. Früher, als Kind hatte sie blondes Haar gehabt. Mit der Zeit war es nachgedunkelt, so dass es nun einen hellen Braunton durchzogen von einzelnen helleren blonden Strähnen inne hatte. Sie trug ein altes, ausgewaschenes Kleid, das eher zu einer Magd passte als zu seiner Tochter. Und die momentan übliche eng anliegende Kopfbedeckung fehlte leider gänzlich. Innerlich seufzte er. Er hätte schon lange gegen ihre aufmüpfigen kleinen Spielchen reagieren und diese unterbinden sollen, dachte er. Jetzt war es vermutlich zu spät. Nun ja. Wenn sie erst verheiratet war, würde sich in Mathildas Leben einiges ändern. Spätestens wenn sie Kinder bekam, sollten die jugendlichen Flausen, die in ihrem Kopf herumgeisterten, verschwunden sein. Außerdem musste ihr Ehemann sie dann zurechtweisen, wenn sie sich entsprechend verhielt, nicht mehr ihr Vater.

Er legte seine Sachen zur Seite und begann zu sprechen:

"Setz dich, Mathilda." Dann erreichte ihn eine dezente Duftwolke nach Kuhdung und der Graf schnaubte laut. Es war an der Zeit, dass sie ihre Marotten ablegte. Je früher, desto besser.

"Du riechst nach Kuhstall.

Wo hast du dich nur wieder rumgetrieben, Kind? Du bist meine Tochter! Die Tochter des hiesigen Burgherrn, wenn ich das mal so erwähnen darf. Und nicht irgendeine Magd der Burg, Mathilda! Nebenbei bemerkt riechen die vermutlich besser als du jetzt gerade.

Ist es denn so schwer, das zu akzeptieren?", fragte er scharf. Wenn die Beiden alleine waren, redeten sie meist in einem lockeren Umgangston miteinander Die Förmlichkeiten mit 'ihr‘ und 'euch‘ lagen dem Grafen ebenfalls nicht innerhalb der Familie.

"Du hast Recht, Papa", antwortete seine Tochter und nahm ihm mit diesem einen Satz den Wind aus den Segeln, bevor er diesbezüglich weiter machte.

"Gleich nachher gehe ich mich waschen und umziehen. Nachdem du mir gesagt hast, warum ich hier bin", schob sie hinterher. Friedrich nickte. Zufrieden war er allerdings nicht ganz, lag ihm doch das, was er ihr eröffnen musste, schwer auf seiner Seele. Er setzte sich aufrecht in seinen Stuhl und faltete die Hände, um ruhiger zu wirken.

Irgendetwas beschäftigte ihren Vater, das konnte Mathilda sehen. Ihr schwante etwas. Und dieser Gedanke gefiel ihr gar nicht. Ihr Vater würde doch nicht... er konnte doch nicht... oder doch? Sie würde es ja gleich erfahren.

"Womit wir gleich beim Thema wären", begann ihr Gegenüber nun und riss sie aus ihren Gedanken. Mathilda saß ebenfalls aufrecht mit den Händen im Schoß und sah auf ihres Vaters Lippen, aus denen gleich das strömen würde, was Friedrich von Helfenstein ihr sagen wollte und sie sicherlich nicht hören wollte.

"Nun, Mathilda, du bist mittlerweile 18, eine junge Frau im besten Alter, ein wenig wild und ungestüm, aber sehr hübsch und durchaus in der Lage, zu verstehen, wie unsere Welt funktioniert.

Wie du weißt, bin ich oft am Hofe des deutschen Kaisers unterwegs. Die Ehe deines Oheims wurde dort vermittelt als Ehrbezeugung für die Dienste, die er dem Kaiser geleistet hat. Wir Helfensteiner stehen immer noch in der Gunst des Kaisers, und so wurde mir bei meinem letzten Aufenthalt dort ebenfalls ein lukratives Angebot dich betreffend unterbreitet, das ich weder ablehnen konnte noch wollte. Und das ich bereits in deinem Namen angenommen habe." Schon während ihr Vater sprach, begannen Mathilda die Ohren vor Zorn zu summen und sie hörte die weiteren Worte ihres Vaters wie durch Watte. Schon als er ihren Opa, Graf Ulrich X. von Helfenstein erwähnte, war ihr klar, in welche Richtung das Gespräch ging, auch wenn ihr Vater noch nicht auf den Punkt gekommen war und in ihren Augen um den heißen Brei herumredete.

"So, hast du das", sagte sie sarkastisch. "Sag doch gleich direkt heraus, dass du mich verkauft hast. Verkauft an einen wohlhabenden Ehemann", fauchte sie zornig und erhob sich geschwind. Der Graf ließ sich dadurch nicht beirren. Er hatte mit so einer Reaktion gerechnet.

"Setz dich wieder hin, Mathilda! Ich bin noch nicht fertig", sagte er laut und in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Mathilda ließ sich zurück auf den harten Holzstuhl fallen. Sie zitterte an den Händen, die sie, um dies nicht zu zeigen, zusammenballte und in ihr Kleid drückte.

Innerlich war ihrem Vater ganz anders zumute, auch wenn er nach außen hin die Ruhe bewahrte. Er fürchtete, Mathilda so zu verärgern, dass ihr gutes Verhältnis, das sie immer zueinander hatten, auseinanderbrechen würde.

"Ich würde es nicht ganz so ausdrücken, wie du es gerade formuliert hast, aber ja. Ich habe eine Heirat für dich arrangiert. Es ist an der Zeit, dass du eine eigene Familie gründest. Ich habe dir lange genug Zeit gelassen, dich mit diesem Gedanken anzufreunden, Mathilda. Bisher hast du jedes Angebot diesbezüglich ausgeschlagen. Doch nun ist Schluss. Diese Heirat ist wichtig für dich..."

"Wichtig! Wichtig für wen, Vater? Wirklich für mich- oder für dich und deine Geldkatze?"

"Für beides, mein Kind! Es ist an der Zeit, dass du das Leben lebst, das Dir vorherbestimmt ist. So wie es sein soll, Mathilda. Durch diese Heirat, Mathilda, werden die Helfensteiner wieder hohes Ansehen am Hofe erhalten und mit ein wenig Geschick und Glück werden wir unsere alte Grafschaft zurückerhalten können. Etwas, was ich der Herzogin, deiner Oma, einst geschworen habe, als Ulm uns so schamlos betrogen hat, und was jeder kommende Helfensteiner anstreben wird. Aber mit deiner Hilfe, Mathilda, ist das vielleicht gar nicht notwendig, weil wir es in wenigen Jahren Wirklichkeit werden lassen können. Mit dieser Vermählung."

"Du meinst damit wohl, mit dem Geldbeutel meines Gemahls, den du für mich ausgesucht hast und den ich noch nicht einmal kenne!", verbesserte sie ihn spöttisch. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Er hatte es noch nicht einmal für notwendig gehalten, ihr zu sagen, wer dieser Gemahl sein würde... das war doch alles ein schlechter Scherz, oder?

"Und was erwartest du jetzt von mir, Vater? Dass ich das alles so schlucke und ohne Widerspruch hinnehme? Dass ich freudig aufspringe und dir für deine Güte um den Hals falle? Dass ich mit Freuden heirate, um die Grafschaft zu retten?" Mathilda machte ein verächtliches Geräusch.

"Ja, genau das erwarte ich von dir, Tochter. Es ist bereits alles geregelt. Du wirst in fünf Monaten zu deinem Gemahl aufbrechen. Ich erwarte von dir, dass du ihn so begrüßt, wie es ihm zusteht, in allen Ehren und demütig, wie es sich für eine Frau deines Standes gehört." Ein strenger Blick fiel auf das Mädchen. Doch Mathilda dachte gar nicht daran, klein beizugeben, geschweige denn, sich zu fügen.

"Wer? Und wohin?", fragte sie trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust ineinander. Ihr Blick war eisig, was Friedrich erschauern ließ.

"Der Gran Principe Horche Baristadina Jerez de la Frontera." Mathildas Miene entgleiste.

Der Name sagte ihr rein gar nichts. Aber er klang kompliziert und vor allem ausländisch. Daher sagte sie schlicht:

"Nein."

Friedrich von Helfenstein zog eine Augenbraue hoch.

"Nein? Ich glaube aber doch. Du wirst dich fügen, Töchterlein das ist eine einmalige Chance. Und Spanien ist nicht das Schlechteste, was einem passieren kann, Mathilda."

"Es ist heiß da. Also: Nein. Niemals. Ich gehe nicht nach Spanien, auf gar keinen verdammten Fall!"

Dem Helfensteiner wurde es langsam zu bunt, nicht nur, dass sie sich weigerte, seiner Entscheidung Folge zu leisten, nein, jetzt packte sie auch noch eine Wortwahl aus, die ihrer Position überhaupt nicht entsprach.

"Du sollst nicht fluchen, Mathilda!", wies er sie zurecht.

"Und ob ich fluche, wann, wo und wie ich es will, Vater! Ich habe alles Recht zu fluchen, wenn ich vor vollendete Tatsachen gestellt werde und irgendwo in ein weit entferntes Land ziehen soll zu jemandem, den ich noch nie gesehen habe! Den ich wahrscheinlich noch nicht mal leiden kann! Das ist einfach ungerecht, Vater!", brauste sie erbost auf und erhob sich wieder. Dieses Mal würde sie sich nicht wieder hinsetzen.

"Ich werde nicht gehen! Niemals! Eher wähle ich die Armut und Einsamkeit im Kloster oder den Tod, anstatt mich der Qual zu fügen, die du und Mutter für mich vorgesehen habt! Wenn ich einmal heirate, dann nicht aufgrund von Politik!", redete sie sich in Rage und fauchte ihren Vater zornig an.

Wollte sie es nicht verstehen, oder konnte sie es einfach nicht, fragte sich Friedrich. Es war doch gar nicht so schlimm zu heiraten. In ihren Kreisen war es einfach gang und gäbe, aus politischen Gründen zu heiraten statt aus Liebe.

"Eine Liebesheirat? Dass ich nicht lache. Du wirst den Gran Príncipe ehelichen. Die Liebe kommt danach."

"Blödes Geschwätz!"

"Mathilda, du vergisst dich!

Beruhige dich erst einmal, so schlimm ist das alles nicht, wenn du einen Moment darüber in Ruhe nachdenkst, wirst du einsehen, dass es das Beste ist, was...“, doch den Satz konnte der Graf nicht mehr beenden. Mathilda fiel ihm einfach ins Wort. Tränen liefen ihr nun die Wangen hinunter.

"Ich hasse dich! Ich will dich nie mehr sehen!", schimpfte sie, drehte sich auf dem Absatz um und stürmte schluchzend zur Tür hinaus. Friedrich sah seiner Tochter bestürzt hinterher. Dass seine Tochter heftig auf diese Nachricht reagieren würde, damit war zu rechnen gewesen. Aber so hatte er sich den Ausgang des Gesprächs ganz und gar nicht vorgestellt.

“Komm sofort zurück!“, donnerte er ihr hinterher, doch Mathilda tat ihm den Gefallen nicht. Er stand auf und schickte sich an, seiner Tochter zu folgen. Doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, betrat seine hochschwangere Frau Agnes das Zimmer und versperrte ihm den Weg.

"Du hast es ihr also gesagt?"

Der Graf nickte nur, immer noch enttäuscht, dass Mathilda seinen Standpunkt offenbar nicht verstanden hatte. Die Gräfin hielt ihm einen Becher mit Rotwein hin. Wenn ihr Mann schwierige Gespräche hinter sich hatte, sei es mit Bediensteten oder auch mit höher gestellten Herrschaften, dann genehmigte er sich immer einen kleinen Schluck zur Beruhigung der Nerven hinterher. Er nahm den Becher dankbar entgegen.

"Gut. Und wie hat sie es aufgenommen?"

"Sie hat lauthals geschimpft und ist einfach hinausgelaufen."

Die Gräfin nickte und Friedrich trank einen Schluck.

"Also nicht allzu gut", stellte Agnes bedauernd fest. Ihr Mann bestätigte diese Annahme.

"Offensichtlich." Der zweite Schluck machte sich auf den Weg in Friedrichs Magen.

"Nun ja, Das war zu erwarten. Sie wird sich schon wieder beruhigen." Dabei legte sie ihrem Ehemann beruhigend die Hand auf den Arm, der sie nur kurz ansah, nicht überzeugt nickte und einen dritten Schluck nahm.

"Dein Wort in Gottes Ohr, Agnes, dein Wort in Gottes Ohr", seufzte er und ging gemeinsam mit seiner Frau in Richtung der oberen Räume. Etwas plagte ihn, aber er konnte es nicht genau benennen. Noch nicht jedenfalls.

Auf der Treppe angekommen, fiel es Friedrich siedend heiß ein, was ihn so beunruhigte! Er ergriff seine Frau an den Oberarmen und fragte eindringlich:

"Ist sie nach oben gelaufen, Agnes?"

"Wer, Mathilda?" Agnes überlegte kurz. "Nein, als ich die Treppe herunter kam, habe ich sie nicht gesehen. Also muss sie nach draußen gelaufen sein", beantwortete Agnes die Frage des Grafen, unangenehm im Griff des Grafen, dessen Augen aufblitzten und nach unten zum Ausgang huschten.

"Das ist nicht gut...“, brachte er noch hervor und ließ seine Frau wieder los. In dem Moment drang tumultartiges Geschrei von draußen an die Ohren des Grafenpaares. Friedrich schloss für einen kurzen Moment die Augen. Mathilda...

"Was zum...“, entschlüpfte es ihm, während er noch auf der Treppe stehen blieb und sich gen Hausausgang drehte. Agnes folgte seinem Beispiel.

"Was ist denn überhaupt los?", fragte sie verwirrt, die noch nicht ganz verstand, dass das Geschrei und die Frage ihres Mannes wohl miteinander zusammenhingen. Dann erst kapierte sie.

Mathilda! Der Tumult konnte nur mit ihrer Tochter zusammen hängen!

Just betrat ein Stallknecht aufgeregt das herrschaftliche Wohnhaus.

"Verzeiht, Graf Helfenstein, aber gerade ist eure Tochter aufgebracht und schimpfend im Stall aufgetaucht, hat Dara gesattelt und ist ohne Begleitung zum Tor hinausgeritten. Wir konnten sie nicht aufhalten, Herr. Und sie hat nicht gewartet, damit sie jemand begleiten kann, obwohl...“

Mehr brauchte der Graf nicht zu hören. Er ließ den vor sich hin stammelnden Stallknecht einfach stehen. Mit großen Schritten polterte er die Stufen hinunter und hastete hinaus. Der Graf eilte, die nächste Gelegenheit nutzend, die Wehrmauer zu erklimmen, nach oben in Tornähe und spähte hinaus in die Landschaft. Hier draußen war es kühl. Aber das war nicht das Schlimmste. Kühl war es im Herbst immer. Oftmals auch neblig, so wie heute. Der Nebel waberte wie ein weißer Schleier um die Burg herum.

"Herr, wir haben sie binnen Sekunden aus den Augen verloren in diesem Nebel. Und auf Rufe reagierte sie nicht", unterrichtete ihn ein Mann der Wache, der nun neben ihm im Wehrgang der Burg stand. Er brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

"Mathilda!", brüllte er trotzdem mehrmals aufs Geratewohl von der Mauer hinunter in die Nebelschwaden hinein.

Doch eine Antwort bekam er nicht.

Mathilda war fort.

"Los, schickt die Wachen aus, um sie zu suchen", befahl Graf Helfenstein dem Mann neben sich, welcher sich beeilte, den Befehl weiterzutragen, damit er schnell ausgeführt werden konnte. Helfenstein selbst stieg wieder hinab und eilte zu den Stallungen.

"Sucht sie! Und bringt sie mir heil wieder. Informiert den Jagdtrupp unter Ulrich, dass sie aufpassen sollen, welches Wild sich jetzt mit im Wald befindet", rief er den Männern zu, die sich schon bereit machten, Mathilda hinterher zu reiten. Sein Sohn war in die Wälder jagen gegangen. Meist war der Nebel nur um die Bergspitze, auf der die Hiltenburg sich befand, recht dicht. Unten im Tal und in den dortigen Jagdrevieren hatte man oft noch freie Sicht. Aber sie wussten ja nicht genau, wohin Mathilda geritten war.

Der Hauptmann und sein Gefolge nickten bestätigend, dann preschten die Reiter zum Tor hinaus und wurden vom herrschenden Nebel verschluckt.

Steineid

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