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3.2 Der Dreischritt der VerständigungVerständigung

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Wie sorgen Beteiligte wechselseitig für Verständlichkeit in der mündlichen Kommunikation? Kooperative Verständigung erfordert verschiedene Techniken der VerständnissicherungVerständnissicherung, um Störungen vorzubeugen oder auszuräumen. Man unterscheidet präventive und reparative Verständnissicherung (Foppa, 1987; Galliker & Weimer, 2006; Kindt & Rittgeroth, 2009). Der Dreischritt der Verständigung läuft so ab: 1. Der Absender äußert eine sprachliche Mitteilung, 2. der Adressat meldet sein Verständnis zurück, 3. der Absender modifiziert bei Bedarf seine Mitteilung.

Der Absender formuliert

Ein kooperativer Absender stellt sich auf seinen/seine Adressaten ein und ergreift Maßnahmen, um Verstehensprobleme präventiv zu vermeiden.

KorrigierenKorrigieren. Der Sprecher ist gleichzeitig Hörer seiner eigenen Äußerungen, im Prinzip kann er alle Arten von Fehlern korrigieren. Hier interessieren vor allem die Korrekturen, die dem besseren Verstehen beim Adressaten dienen. In einem Prozess des Self-monitoring wird das Verstehen der eigenen Äußerung kontrolliert und gegebenenfalls modifiziert (Klotz, 2017):

 inhaltliche Kontrolle: Ein Inhalt ist nicht angemessen oder sogar falsch ausgedrückt.

 lexikalische Kontrolle: Ein Wort ist irrtümlich oder nicht treffend gewählt oder falsch ausgesprochen (Versprecher).

 syntaktische Kontrolle: Ein Satz ist kompliziert oder mehrdeutig formuliert, der oder die Sprechende bringt ihn syntaktisch nicht korrekt zu Ende (Stranding).

 pragmatische Kontrolle: Eine sprachliche Handlung, also die kommunikative Intention ist mit der Äußerung nicht eindeutig vollzogen.

In diesen Fällen kann ein bewusstes Umformulieren erfolgen (Levelt, 1983). Im Sprechen wird so oft erst ein Gedanke „verfertigt“, der vorher nicht formulierungsreif vorliegt.

Heinrich von Kleist (1805) hat in einem Brief-Essay „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ beschrieben, wie ein Redner beim Sprechen erst seine Ideen entwickelt: „Ich glaube, daß mancher große Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte, noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.“ In der sprachlichen Kommunikation liegt eine Mitteilung nicht immer konzeptuell bereits vor, sondern das Sprechen oder Schreiben ist ein Mittel, um Gedanken zu generieren und zu ordnen.

KommentierenKommentieren. Der Sprecher kann seine Äußerungen kommentieren, d.h. erläutern, wie er sie verstanden haben will. Dies geschieht häufig als metakommunikative Ankündigung oder Zusammenfassung:

(2.1) „Der nächste Punkt liegt mir besonders am Herzen!“
(2.2) „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber …“

Um das Verstehen einer Äußerung zu kontrollieren, werden sogenannte Disclaimer eingesetzt, die eine bestimmte InterpretationInterpretation einer Äußerung ausschließen sollen.

(3) „Ich bin absolut kein Antisemit, aber die Siedlungspolitik Israels lehne ich ab.“

Die Fähigkeit, mit Sprache über Sprache reden und schreiben zu können, ist für einige Linguisten so wichtig, dass sie neben Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion noch eine metakommunikative Funktion der Sprache annehmen (z.B. Jakobson, 1960).

Voraussetzung für Verständigung ist das angesprochene MonitoringMonitoring: Wenn der Sprecher kritische nonverbale Signale beim Adressaten erkennt, kann er Absicherungsfragen stellen:

(4.1) „Verstehst du, was ich meine?“
(4.2) „Habe ich mich klar ausgedrückt?“
(4.3) „Das ist doch logisch, oder etwa nicht!“

Derartige Äußerungen sollen den Adressaten dazu bringen, den nächsten Schritt der Verständigung einzuleiten.

Der AdressatAdressat reagiert

Eine Rückmeldung des Adressaten kann bereits während der Äußerung mit nonverbalen Zeichen erfolgen, z.B. einem Kopfnicken oder einem Stirnrunzeln. Ist eine Äußerung formuliert, kann der Adressat seinerseits verständnissichernde Maßnahmen einsetzen.

RückfragenRückfrage. Vielleicht die wichtigste verständnissichernde Maßnahme ist das Rückfragen. Der Adressat erfrägt direkt weitere Informationen, wenn er nicht sicher ist, korrekt verstanden zu haben.

(5.1) „Was meinst du genau mit x?“
(5.2) „Kannst du mir dafür ein Beispiel geben?“

Oft unterbleiben derartige Rückfragen aus Angst davor, dass man sich blamiert, weil man etwas nicht verstanden hat. Für Journalisten, die ein Interview führen, ist die gezielte Rückfrage eine wichtige Technik, um den Gesprächspartnern verständliche Aussagen zu entlocken.

ParaphrasierenParaphrasieren. Eine verbreitete Technik ist die paraphrasierende oder zusammenfassende Wiedergabe. Der Hörer wiederholt das Gesagte in eigenen Worten:

(6.1) „Wenn ich richtig verstanden haben, dann behaupten Sie, dass …“
(6.2) „Wenn ich die Ausführungen einmal zusammenfasse, dann vertreten Sie die Meinung, dass …“

Der Adressat reagiert also nicht sofort auf eine Äußerung, sondern wiederholt sie mit eigenen Worten und Sätzen. In therapeutischen Gesprächen wird diese verständnissichernde Maßnahme auch als Spiegeln bezeichnet: Der Therapeut verbalisiert eine Äußerung des Klienten, die dieser „wie in einem Spiegel“ vorgehalten bekommt (ausführlich zur Paraphrase Lenke, Lutz & Sprenger, 1995, S. 162ff.).

Rückmelden von Folgerungen. Eine tiefergehende Technik ist die RückmeldungRückmeldung von Folgerungen (Inferenzen) aufgrund des Gesagten: Der Adressat formuliert unausgesprochene, implizite Folgerungen und legt sie dem Absender zur Bestätigung vor.

(7.1) „Heißt das denn, dass …?“
(7.2) „Aus deinen Äußerungen folgt für mich, dass … Stimmst du dem zu?“

Der Absender kann die Folgerungen bestätigen oder verwerfen. Im zweiten Fall wird erwartet, dass er eine Reformulierung anbietet.

Adäquates Handeln. Ein Adressat vollzieht nach einer Äußerung eine adäquate Anschlusshandlung und zeigt damit, dass er verstanden hat. Dies ist z.B. bei einer Bedienungsanleitung für ein Gerät ein Kriterium für eine gelungene sprachliche Handlung (Kap. 8.1).

Zurück an den AbsenderAbsender

Nachdem der Adressat reagiert hat, ist jetzt wieder der Absender gefordert. Er muss die Rückfragen beantworten oder eine Folgerung als korrekt akzeptieren oder als falsch zurückweisen. Wurde er nicht in seinem Sinne verstanden, wird erwartet, dass er eine neue Formulierung anbietet und der Dreischritt kann von neuem beginnen,

Modifizieren. Die sprachliche Anpassung an die Adressaten wird in der Linguistik auch als Modifizieren bezeichnet. Sie wird in der Hoffnung vollzogen, „dass die Sageweise das Verstehen möglichst genau bestimme“ (Klotz, 2017, S. 20). Eine ModifizierungModifizierung kann ein Erweitern, Einengen, Nuancieren, Relativieren, Fokussieren der ursprünglichen Äußerung umfassen.Fachwort (Terminus)1 Noch einmal Peter Klotz (2017, S. 21): „Es geht um die Versuche, etwas so zu sagen, wie man es meint, und es geht um die Versuche, den eigenen Ausdruck an das anzunähern, was der Sache, der Situation, dem Kommunikationspartner und einem selbst angemessen ist.“

Der Dreischritt der Verständigung kann mehrfach durchlaufen werden, dadurch findet eine kontinuierliche kommunikative Validierung des Verstehens statt. Beim Auftreten massiver Verständigungsprobleme kann ein Moderator hinzugezogen werden, bei Gesprächen von Konfliktparteien wird ein Mediator eingesetzt. Ihre Rolle besteht vor allem darin, das wechselseitige Verstehen abzusichern und einen Konsens oder KompromissKompromiss zu erarbeiten.

Verständlichkeit in der mündlichen Kommunikation ist das Ergebnis einer gemeinsamen Bemühung, die eine Motivation zur Verständigung voraussetzt (Verständigungsbereitschaft) und manchmal erheblichen Aufwand erfordert. „Verständlichkeit ist also zu einem beträchtlichen Teil eine Frage der wechselseitigen Abstimmung von Kommunikationspartnern“ (Schäflein-Armbruster, 1994, S. 495). Auf welcher Grundlage diese Kooperation zwischen Kommunikationspartnern abläuft, dazu schauen wir uns im Folgenden zwei wichtige theoretische Ansätze an.

Sprachliche Kommunikation: Verstehen und Verständlichkeit

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