Читать книгу Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren - Steffen Stern - Страница 119

e) Verteidigungsanstrengungen zur Frage der Schuldschwere

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Neuerdings gewinnt man den Eindruck, dass die Verhängung eines „einfachen“ Lebenslänglich zum Ausnahmefall geworden ist. Kaum ein spektakuläres Mordverfahren, in dem nicht die StA den Ausspruch der besonderen Schuldschwere verlangt und das Gericht dem auch nachkommt. Eine Verurteilung wegen Mordes ohne die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gilt als „Lebenslänglich 2. Klasse“; erst die Schuldschwerefeststellung scheint die Bezeichnung als „echtes“ Lebenslänglich zu rechtfertigen[82]. Die Gerichte können dem öffentlichen Druck, der auch vonseiten der verstärkt mitwirkenden Nebenklage kommt, kaum standhalten. Die konturenlose Gesetzesfassung des § 57a StGB und der durch den BGH anerkannte Beurteilungsspielraum macht es den Gerichten allerdings auch leicht, ohne sonderliche Gewissensbisse oder gar ein erhöhtes Revisionsrisiko der Erwartung der Medien oder der Öffentlichkeit nachzugeben. Die Verteidigung sollte bemüht sein, auch auf der medialen Seite ein Gegengewicht zu schaffen. Öffentliche Erklärungen sollten genutzt werden, die Diskussion um die besondere Schuldschwere durch Darstellung aller rechtlichen Voraussetzungen und Barrieren zu versachlichen.

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Steht die Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe im Raum, sind im Regelfall Ausführungen zur Frage der besonderen Schuldschwere im Schlussvortrag unerlässlich. Alle entlastenden Umstände können Gewicht erlangen, die auch – die absolute Strafandrohung hinweggedacht – gem. § 46 StGB zur Reduzierung einer zeitigen Strafe beitragen könnten. Aber bereits im Vorfeld, etwa bei der Beratung des Mandanten bezüglich der Einlassung, ist sorgfältig zu prüfen, ob mit Blick auf § 57a StGB besonderer Erklärungs- oder Nachermittlungsbedarf besteht. Auch an eine nach § 257c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StPO wohl zulässige[83] Verständigung über die Frage der besonderen Schwere der Schuld ist in geeigneten Fällen zu denken.

Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren

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