Читать книгу Torres del Paine - Stephan Hamacher - Страница 14

Goa

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Die Kirchenglocken läuten, und Frauen in goldener Seide treten hinaus auf die Stufen. Ihnen folgen Männer in weißen Hemden und dunklen Stoffhosen, schlanke Männer, einige wenige feiste, Reiche und weniger Reiche, aber keine Armen, dann die Kinder in ihrem Sonntags-staat. Die meisten unterhalten sich leise auf Konkani und warten auf die Limousinen. Ein feuchter Luftzug umweht die düstere, vom Monsum verwitterte Basílica do Bom Jesus. Borea Jezuchi Bajilika, eine rostbraune überdimensionierte Barocktruhe.

Die Tropensonne und ein weißblauer Himmel schicken Schatten über den Vorplatz. Man wünscht sich ein gutes neues Jahr, dann geht man auseinander zum Festessen im Familienreis. Auch nach all den Jahrhunderten sind die Spuren der Portugiesen nicht zu tilgen. Ein feuchter Luftzug umweht die düstere, vom Monsum verwitterte Basílica do Bom Jesus, eine Mission der Jesuiten.

Diese Portugiesen. Sie sind um die Welt gesegelt, sie sind gekommen und gegangen, sie sind gestrandet. So wie einst Alfonso de Albuquerque, Pedro Álvares Cabral, Bartolomeu Dias, Vasco da Gama und Magellan. So wie Francisco de Xavier, ein Mitbegründer der Gesellschaft Jesu und ein leiderschaftlicher Missionar auf der Suche nach Seelen in Asien. Auf dem Weg nach China starb er mit sechsundvierzig Jahren auf der Insel Shanchuan Dao in der Bucht von Kanton. 1554 wurde ihm in der Basilika zu Alt-Goa die letzte Ruhestätte gewährt.

Auf der Anhöhe über den Klippen beim Strand bestellt er Rindfleisch und Bier, zwei Dinge, die andernorts schwer zu haben sind. Einmal im Jahr, an Gandhis Geburtstag im Oktober, gilt auch hier ein Ausschankverbot für Alkohol, doch die Wirte nehmen es nicht ernst. Der Gast wird dann darauf hingewiesen, seinen Gerstensaft aus einem Silberbecher zu trinken statt aus einem durchsichtigen Glas, für den Fall, dass eine Polizeistreife vorbeischaut. Unten an der Palmenallee haben sich die Aussteiger längst verzogen, die letzten Hippies haben jetzt die weiter südlich gelegenen Strände für sich entdeckt, und das Meer gehört wieder den Fischern, den anmutigen Spaziergängerinnen in ihren dezenten Saris unter den Sonnenschirmen, den tollenden Kindern und den Netzflickern.

Lange sind sie geblieben, die Portugiesen, doch nun sind sie fort. Ihre Kirchen und Kathedralen stehen immer noch neben den Hindu-Tempeln und Moscheen. Zuletzt hat die moderne Zeit Panaji entdeckt, mit hässlichen weißgetünchten Häusern, Fabriken und Lagerhallen, die genauso der ungnädigen Witterung ausgesetzt sind wie die mächtigen Sakralbauten der einstigen Kolonialherren. Es wird gehandelt auf den Märkten, auf Basaren unter dem freien Himmel. Kein Grund, das nicht auch sonntags und am Neujahrstag zu tun. Das Leben ist ohnehin langsam, und der Rhythmus lässt sich nicht so einfach ändern.

Wann Neujahr ist, bestimmt ein jeder für sich. Für manche ist es der erste Tag des Monats Januar, für andere das Lichterfest Diwali im Oktober oder November, für einige fällt Neujahr mit dem Frühlingsbeginn im März oder April zusammen, die Parsen richten sich nach dem Bahai-Kalender, die Moslems nach ihrem eigenen. Vergangene Nacht gab es Feuerwerk in den Städten, Mumbai, Delhi, Bangalore, Channai, Kolkata. Keine Orgien von Blitz und Donner wie in den schnellen Metropolen dieser Welt, eher eine gesittete Show mit Bollywood, Freudenfeuern und Krachern. Die meisten zogen sich in die Familie zurück oder haben den Abend mit Freunden verbracht. Geschenke und Blumen wechselten die Besitzer.

Hier oben hoch über der Konkanküste ist es ruhig geblieben. So ruhig wie in all den Nächten davor und danach. Nur die letzten unter den Hippies haben die Nacht zum Tag gemacht, aber sie sind unter sich geblieben. Hippies sind keine Missionare und keine Kolonialherren. Darum lassen wir sie gewähren. Was geht uns die Welt an, wir haben hier unsere eigene. Wir lassen das andere draußen, das Böse, das Laute und Hektische, dieses moderne Babylon. Wir sind uns Babylon genug. Wir essen unser Rindergeschnetzeltes und trinken unser Bier. Jeder darf das sehen. Außer an Gandhis Geburtstag. Dann trinken wir unser Bier heimlich aus Silberbechern. Und schauen hinaus auf das Meer, in Erwartung des nächsten Monsunregens, und in gleichmütiger Erwartung dessen, was da noch kommen mag.

Torres del Paine

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