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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersVII. Das Sachverständigengutachten › 11. Verwertung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)

11. Verwertung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)

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Nach § 282 FamFG kann das Gericht in einer weiteren Konstellation von einer Einholung eines Gutachtens absehen.[1] Voraussetzung dafür ist eine vorherige Begutachtung des Betroffenen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse im Rahmen der Feststellung des zu gewährenden Hilfebedarfs nach dem SGB XI – Pflegeversicherung. Erlangt das Betreuungsgericht Kenntnis von einem solchen Gutachten, kann dieses bei der Pflegekasse unter zwingender Angabe des Zwecks angefordert werden, § 282 Abs. 2 S. 2 FamFG. Bei einem Rückgriff auf Gutachten, die für die Pflegeversicherung erstellt wurden, ist jedoch Zurückhaltung angezeigt. Es wird sich lediglich bei einfach gelagerten Fällen bzw. irreversiblen Krankheitsbildern eine Verwendung anbieten. Eine Heranziehung von MDK-Gutachten bei schubförmig verlaufenden bzw. Veränderungen unterliegenden Erkrankungen ist abzulehnen.

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Weiterhin ist das Nachstehende zu bedenken: Den Gutachten des MDK liegt regelmäßig eine andere Fragestellung und Zielsetzung zugrunde. Es wird die Fähigkeit des Versicherten zur Erledigung tatsächlicher Verrichtungen überprüft. Inwieweit der Versicherte überfordert ist, rechtliche Angelegenheiten wahrzunehmen, steht weniger im Vordergrund der Begutachtung. Gleichwohl kann im Einzelfall das MDK-Gutachten in Kombination mit Auskunftsmitteln (Sozialbericht der Behörde, Äußerungen von Angehörigen) ein umfassendes Bild der entscheidungserheblichen Umstände abgeben. Das BetrG entscheidet darüber, ob das Gutachten des MDK ausreicht. Mit Hinblick auf die Qualifikation des Gutachters ist auf § 18 Abs. 7 SGB XI hinzuweisen. Danach erledigt der MDK seine Aufgaben im Rahmen der Pflegeversicherung. Die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit erfolgt von Ärzten in enger Zusammenarbeit mit Pflegefachkräften. Die Pflegebedürftigkeitsrichtlinien konkretisieren in Ziffer 5.5 die Berufsqualifikation des Gutachters. Ärzte, Pflegefachkräfte und andere Fachkräfte sind dort gleichrangig aufgeführt. In der Praxis wird die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit überwiegend von Pflegefachkräften durchgeführt.[2] Demgegenüber verlangt § 282 Abs. 1 FamFG die Verwendung eines bestehenden ärztlichen Gutachtens des MDK.

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Das MDK-Gutachten muss zudem aktuell sein. Analog § 293 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist ein Gutachten, das älter als sechs Monate ist, nicht mehr als zeitnah zu betrachten. Die Gutachtenanforderung durch das BetrG darf nur zum Zwecke der Vermeidung einer weiteren Gutachteneinholung erfolgen. § 94 Abs. 2 S. 2 SGB XI verpflichtet die Pflegekasse auf Ersuchen des BetrG zur Übermittlung des Gutachtens und der dazu erstellten Befunde als Abschrift oder elektronischen Datensatz. Die datenschutzrechtliche Befugnis resultiert aus § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB X. Bei fehlender Eignung der übermittelten Daten sind diese unverzüglich zu vernichten bzw. zu löschen, § 282 Abs. 3 S. 2 FamFG. Hält das BetrG das MDK-Gutachten für geeignet, eine vollständige oder teilweise Begutachtung zu ersetzen, ist vor der Verwertung obligat die Einwilligung des Betroffenen einzuholen bzw. im Falle von dessen Einwilligungsunfähigkeit ein Verfahrenspfleger zu bestellen, § 282 Abs. 3 S. 1 FamFG.

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Der Betroffenen muss in der Lage sein, die Bedeutung und die Folge der Verwertung des Gutachten intellektuell zu erfassen – ansonsten ist seine Einwilligung unwirksam. Das Erfordernis der Einwilligung des Betroffenen schützt den Betroffenen vor der gegen seinen Willen erfolgenden Verwendung von Daten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Aus der nicht erteilten eindeutigen Einwilligung des Betroffenen folgt die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Zwar ließ sich der Betroffene im Rahmen der Feststellung der Pflegebedürftigkeit begutachten. Hieraus kann jedoch noch lange nicht auf eine konkludente Einwilligung zur Weitergabe der Daten an das BetrG geschlossen werden.[3] Fehlt die erforderliche Einwilligung des Betroffenen bzw. des Verfahrenspflegers, sind die übermittelten Daten unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, § 122 Abs. 1 BGB, zu vernichten bzw. zu löschen, § 282 Abs. 3 S. 2 FamFG. Der Betroffene muss in der Lage sein, die Bedeutung und die Folge der Verwertung des MDK-Gutachtens intellektuell zu erfassen, andernfalls seine Einwilligung unwirksam ist.

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Checkliste

Das Gericht kann auf eine Begutachtung verzichten bei Vorliegen folgender Voraussetzungen:

Vorliegen eines bestehenden ärztlichen Gutachtens des MDK
Zeitnähe des MDK-Gutachtens, § 293 Abs. 2 Nr. 1 FamFG
persönliche Untersuchung durch den Gutachter im Wohnbereich, § 18 Abs. 2 SGB XI[4]
Eignung des Gutachtens zur Verwertung, § 282 Abs. 3 S. 1 FamFG
Einwilligung des Betroffenen oder Verfahrenspflegers, § 282 Abs. 3 FamFG.
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