Читать книгу Goldmond - Tamara Glück - Страница 19

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So, das war es dann erst einmal«, bemerkte Maria. »Und?«, fragte ich und versuchte, nicht ungehalten zu klingen. Sie hatte den ganzen Tag Tests an mir durchgeführt und mir immer noch kein Ergebnis mitgeteilt.

Sie schien zwar entspannt zu sein, aber die Entspannung konnte sie mir auch nur vorspielen. Bei Unsterblichen wusste man nie. Und jetzt war ich einer von ihnen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Das hing vermutlich vom Ergebnis der Tests ab.

»Die Dosis, die ich dir – unabsichtlich – verabreicht habe, war ein bisschen höher als normal. Allerdings noch innerhalb des akzeptablen Bereichs. Du wirst vielleicht ein paar Schwierigkeiten haben, dich an das neue Leben zu gewöhnen. Es ist möglich, dass deine Begabungen entweder stärker ausgeprägt sein werden oder früher auftreten. Vielleicht auch beides.«

Ich musste das erst einmal verdauen. Ich fragte mich, was als »stärker ausgeprägte Begabung« galt. Ich dachte kurz an Laserstrahlen und schüttelte dann unmerklich den Kopf über mich selbst.

»Das ist doch gut, oder?«, fragte ich Maria.

Diesmal wirkte ihr Lächeln echt, und als sie antwortete, schien jede Anspannung verschwunden zu sein: »Wir hatten großes Glück. Aber du hast recht, laut diesen Messwerten bist du völlig gesund.«

Ich setzte mich langsam auf, wobei es mir schwerfiel, mich an Marias Geschwindigkeit anzupassen. Ich hatte noch nie erlebt, dass sich ein Unsterblicher oder eine Unsterbliche schneller als normal bewegt hätte. Nur langsamer. Komisch. Ich fühlte mich, als könnte ich dieselbe Bewegung auch doppelt so schnell machen.

Als ich schließlich auf den Füßen stand, ging ich zu Maria hinüber und schlang ihr meine Arme um den Hals. Ich hatte kurz Angst, dass sie diese untypische Geste missverstehen würde, da mir ihr kurzes Zögern nicht entging, doch dann lachte sie und erwiderte die Umarmung.

Als wir uns schließlich losließen, bedankte ich mich sofort bei ihr.

Sie winkte ab: »Ich weiß nicht, warum die Technik ausgefallen ist. Das System gilt als unfehlbar … Allerdings war die Titanic ja auch nicht so unsinkbar wie behauptet.« Sie lachte. Ich stimmte ein.

»Trotzdem. Du hast vermutlich mein Leben gerettet.«

»So extrem würde ich es nicht formulieren, aber wie auch immer, das ist ja mein Beruf.«

Nach einer kurzen Pause ging sie schließlich zu den holografischen Bildschirmen hinüber und verschob sie. Ich sah, wie sie die Einstellungen öffnete.

Ich trat neben sie und nahm meinerseits einen Bildschirm in Augenschein. Er schwebte auf konstanter Höhe in der Luft und schien normal zu funktionieren. Ich tippte ihn an.

Auf einmal wurde alles schwarz. Die Deckenlampe flackerte ein paar Mal und ging dann wieder an. Ich sah mich um. Maria stand wie versteinert da und starrte die Bildschirme an. Sie waren allesamt schwarz, meiner ebenfalls. Innerhalb des Hologramms zuckten Blitze. Auch Maria hatte sie gesehen. Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu.

Ich starrte geschockt auf meine Fingerspitzen. War ich das gewesen? War es meine Begabung, Stromausfälle herbeizuführen oder war das ein Zufall gewesen?

Maria machte ihren Mund auf, schloss ihn wieder, räusperte sich und sagte dann mit wiedergewonnener Stimme: »Ich glaube, ich weiß jetzt, was zu dem Technikausfall geführt hat. Ich habe eine deiner Begabungen entdeckt.«

Als wollten sie das unterstreichen, gingen die Bildschirme wieder an. Meiner blieb schwarz, mit zuckenden Blitzen darin. Ich streckte meine Hand danach aus und sah dann Maria fragend an.

Sie nickte. Ich berührte sanft den Bildschirm. So vorsichtig ich konnte, strich ich darüber. Nichts. Die Blitze schienen mir nichts auszumachen. Die anderen Bildschirme blieben – ebenso wie das Licht – aufgedreht, doch dieser blieb schwarz.

Vorsichtig zog ich meine Hand wieder zurück. Maria schwieg. Schließlich sagte sie: »Ich weiß nicht, ob der noch zu retten ist, aber wenn du noch einmal etwas in die Luft jagst, wäre es mir lieber, wenn du das draußen tätest.« Ihr Gesicht war eine Maske.

»Kommt so etwas öfter vor?«, flüsterte ich.

Sie antwortete auch etwas leiser, flüsterte aber nicht. »Technische Begabungen sind durchaus nicht selten. Ich habe aber noch kein so starkes, destruktives Talent erlebt.« Schließlich setzte sie hinzu: »Komm, ich möchte etwas versuchen.« Sie verschwand zur Tür hinaus, und als ich meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte, folgte ich ihr mit zitternden Knien. Sie kam gerade aus einem anderen Zimmer. In der Hand hielt sie alt aussehendes technisches Equipment. Eine Kamera mit Stativ, einen Computer, etliche Kabel und diverse, für mich unidentifizierbare Elektrogeräte.

Ich zog eine Augenbraue hoch.

»Ich will wissen, was passiert, wenn du wirklich versuchst, absichtlich etwas zu zerstören.«

Ich blieb wie angewurzelt stehen. War ihr die Vorführung im Zimmer nicht genug gewesen?

»Was, wenn ich jemanden verletze?« Meine Stimme war blank.

»Ich werde beiseite gehen«, sagte sie unbeeindruckt. Ich erinnerte mich daran, dass sie mir erzählt hatte, dass sie in schwierigen Situationen nur selten den Kopf verlor.

Sie hielt mir wortlos die Tür nach draußen auf. Ich setzte meine Beine in Bewegung und ging vor ihr nach draußen.

Vor der Tür waren meine Sorgen für eine Sekunde völlig vergessen. Alles war so … scharf. Ich spürte jeden Windhauch, während die Kälte überhaupt nicht so schlimm schien. Ich konnte die Temperatur problemlos bestimmen, ich fühlte sie auf der Haut, doch sie war nicht richtig unangenehm. Sie stellte für meinen Körper keine Gefahr mehr dar.

Zum Glück war Merlin nicht zu sehen, ich wollte ihn nicht auch noch kaputt machen. Ich fragte mich abwesend, was er wohl machte.

Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Maria ging an mir vorbei hinaus auf den leeren Parkplatz. Dort baute sie das technische Equipment auf.

Ich stand daneben und fühlte mich unnütz. Ich hätte ihr ja geholfen, wenn ich nicht Angst gehabt hätte, alles in die Luft zu jagen, während Maria danebenstand.

Als sie fertig war, trat sie zurück und deutete mir mit einer Handbewegung, dass ich anfangen sollte.

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ich wollte Maria nicht verletzen. Kühler Kopf hin oder her – sollte sie nicht noch einen Schritt zurücktreten?

»Mach schon«, flüsterte sie.

Unsicher hielt ich meine Hand an die Geräte. Nichts.

»Du sollst nicht versuchen, nichts kaputt zu machen, sondern alles. Lass deinen Gefühlen freien Lauf. Lass deine Energie durch das System jagen.«

Ich sah sie an und machte deutlich, dass ich ihren Geisteszustand für fragwürdig hielt, doch dann berührte ich wieder den Bildschirm eines alten Computers.

Diesmal schickte ich in Gedanken meine Energie aus und bekam sofort eine Rückmeldung. Ich konnte jedes Kabel, jeden Draht, jede Platine und jeden Speicher spüren. Ich versuchte, wütend zu werden. Es fiel mir nicht schwer. Musste ausgerechnet ich ein Talent haben, das mein Leben gefährdete? Und Marias? Ich bündelte meine Wut und schrie auf.

In diesem Moment jagte ein Stromstoß durch die Kabel. Funken stoben auf, ein Kabel fing Feuer und ein Miniblitz schlug durch das Kamerastativ in den Boden ein, wo er einen schwarzen, rauchenden Fleck hinterließ.

Maria war stocksteif wie eine Statue, aber unverletzt. Ich jedoch war außer mir vor Wut.

Die Anspannung der letzten paar Stunden machte sich nun bemerkbar. Ich hatte fast mein Leben verloren, die Geräte im Haus ausgeschaltet, den Parkplatz angezündet und einen Blitz hervorgerufen. Und Maria stand einfach daneben! Als wäre das hier ein gelungenes Experiment!

Ich hatte kein einziges Gerät berührt, aber ein Blitz schoss aus meiner Hand und setzte die noch nicht brennenden Geräte in Brand. Ich hörte es knallen und knacken, als mehrere Maschinen explodierten. Wieder schlug ein Blitz aus dem Stativ in den Boden ein. Diesmal schmolz die Glas-Holz-Mischung am Boden zu einer Lache.

Sekunden später stand ich inmitten einer brennenden Elektroschrotthalde.

Diesmal sah auch Maria verschreckt aus und trat einen Schritt zurück. Meine Wut verrauchte und ich fragte mich leicht nervös, wie ich aus den Flammen wieder herauskommen sollte. Unverletzt, wenn möglich.

Goldmond

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