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LEANDER

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Als ich an diesem Morgen aufwachte, fühlte ich mich unruhig. Heute war eine große Prüfung fällig, auf die ich mich wochenlang vorbereitet hatte. Nervös schlug ich die Augen auf. Die Sonne schien durch die Fenster. Ich hatte Merlin, meinen Roboter, gestern gebeten, sie nicht zu verdunkeln, damit ich heute früher aufwachen würde. Ich blieb noch etwas liegen und versuchte, mich auf den Tag vorzubereiten, dann stieg ich langsam aus dem Bett und machte mich auf den Weg zu meinem begehbaren Kleiderschrank.

Ich öffnete die Tür, indem ich sanft die Schnalle berührte, und ging hinein. Auf dem Tisch in der Mitte lag bereits, perfekt gebügelt und gefaltet, der Anzug. Ich schlüpfte flink hinein und kehrte dann in mein Zimmer zurück. Ich sah mich im Spiegel an und fuhr mit meiner Bürste durch meine verwuschelten Haare. Es half wenig und ich drehte mich frustriert um und sah nach draußen. Es war ein wunderschöner Morgen. Da mein Zimmer eine große Glasfront hatte, konnte ich den Schnee unter mir und die Sonne hinter den Baumwipfeln aufgehen sehen. Ich beobachtete, wie eine Drohne unser Haus ansteuerte, vermutlich, um Essen zu liefern. Sie flog an meinem Fenster vorbei und verschwand hinter dem Dach der Bibliothek.

Eine Weile sah ich zu, wie die Sonne immer höher stieg, dann blickte ich auf die Uhr. Sie zeigte bereits neun Uhr an und so verließ ich mein Zimmer, wobei sich die Türe selbstständig hinter mir schloss.

Im Wohnzimmer warteten bereits Merlin und mein Vater.

»Guten Morgen!«, sagten sie gleichzeitig. Mein Vater lächelte, auch Merlin wirkte amüsiert. Ich lächelte nervös zurück.

»Komm her, mein Sohn! Hast du gut geschlafen?«, fragte mein Vater und nahm mich in die Arme. Ich versuchte nicht, mich zu wehren, erstens, weil mein Vater stärker war als ich, und zweitens, weil er mich nur selten umarmte.

»Guten Morgen, Dad. Ja, ich habe gut geschlafen, danke. Und du?«

»Danke, vorzüglich«, antwortete er und ließ mich los.

»Heute ist also der große Tag, nicht wahr? Deine vorletzte Abschlussprüfung! Mein Sohn wird ja richtig erwachsen. Ich kann es nicht glauben. In ein paar Monaten kannst du schon studieren!«, sagte mein Vater und lächelte traurig.

»Ich werde euch nie ganz verlassen. Ich komme euch bestimmt besuchen!«, versprach ich.

»Was darf ich zum Frühstück servieren?«, fragte Merlin. Ich drehte mich zu ihm um. Seine unnatürlich hellblauen Augen schimmerten und auf seinem Gesicht lag sein übliches Lächeln. Sonst verriet nichts, dass er kein echter Mensch war.

»Ich denke, Eier wären gut«, sagte ich.

»Wie Sie wünschen, Leander«, antwortete er höflich und ging in die Küche. Ich hatte nie ganz verstanden, warum Roboter ihre Herren siezten und doch den Vornamen benutzten, doch mein Vater meinte, erst wenn der Besitzer erwachsen war, wurde er mit seinem Nachnamen angesprochen.

Ich setzte mich an den Küchentisch und sah zu, wie die Schatten auf dem Boden kürzer wurden, als die Sonne höher stieg. Auch hier hatten wir eine Seite des Raumes komplett verglast. Bereits nach wenigen Minuten unterbrach Merlin meine Gedanken: »Ich habe Ihnen das übliche Omelett gemacht, Leander. Möchten Sie noch etwas anderes? Was kann ich Ihnen denn zu trinken bringen?«

»Eine Tasse Tee und eine Scheibe Brot, bitte.«

»Und für Sie, Mr. Merrywith?«, richtete Merlin sich an meinen Vater, der sich neben mich an den Tisch gesetzt hatte.

»Ich würde auch eine Tasse Schwarztee mit Milch nehmen.«

»Entschuldigen Sie vielmals, Leander, ich habe nicht mitgedacht, ich hatte einfach angenommen, dass Sie mit Tee Schwarztee meinen. Verzeihen Sie?«

»Natürlich verzeihe ich, es stimmt ja auch. Ich hätte gerne Schwarztee mit Milch, bitte«, sagte ich leicht amüsiert. Merlin war wie alle Roboter darauf trainiert worden, seinen Herrn zu respektieren, doch offenbar hatte der Programmierer übertrieben. Wir hätten seine Programmierung natürlich auch ändern können, aber ich mochte es so. Merlin konnte mich immer ablenken. Ich musste oft lachen, wenn er zu höflich war.

»Natürlich.« Merlin nickte dankbar. »Darf ich Ihnen während des Essens die neuesten Nachrichten vorlesen?«

Mein Vater sah interessiert auf, was Merlins scharfen Augen nicht entging. »Ich habe hier die neuesten Aktienkurse für Sie, das aktuelle Fernsehprogramm für alle 1.200 verfügbaren Kanäle oder vielleicht die neuesten politischen Meldungen von einem Parlamentarier, der angeblich eine Affäre mit einer Redblood hatte.« Während er sprach, erschienen in der Luft Hologramme, die um den Esstisch herumschwebten und passende Bilder präsentierten.

Mein Vater lachte und sah sich eines der Hologramme an, das das Gesicht eines gutaussehenden Mannes zeigte.

»Ich glaube ja nicht, dass diese Gerüchte wahr sind. Kein hochrangiger Politiker würde jemals … Wie dem auch sei, selbst wenn, könnte man ihm ja rein theoretisch kein Verbrechen anlasten. Trotzdem, Leander …« Er wandte seinen Blick von dem Hologramm ab und drehte sich zu mir. »Tu mir das bitte nicht an und halte dich von den Redbloods fern.« Er zwinkerte und ich lachte.

Als ich gerade mit dem Frühstück fertig wurde, kam meine Mutter herein. Sie schlief gerne lange und war vermutlich nur aufgestanden, um mir viel Glück zu wünschen. Sie war ganz anders als mein Vater: Ihre braunen Augen waren stets warm und freundlich. Außerdem schien sie fast so oft zu lächeln wie Merlin, obwohl es bei ihr viel natürlicher wirkte. Ihre braunen, hüftlangen Haare glänzten und wehten hinter ihr her, als sie auf uns zukam, da sie noch keine Zeit gehabt hatte, sie kunstvoll flechten zu lassen.

Sie ließ die Tür offen. Hinter ihr kam Sally, ihre treue Roboterfrau, leise ins Zimmer und schloss sie sanft.

»Mary, du bist ja schon wach!«, bemerkte mein Vater.

»Ja, Cassander, ich wollte doch Leander vor der Prüfung viel Glück wünschen!«, sagte meine Mutter und lief leichtfüßig auf mich zu. Im Gegensatz zu meinem Vater umarmte sie mich oft, denn sie war generell jemand, der die Leute schnell ins Herz schloss. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass das ihre Rollen waren: Mein Vater war immer wie ein Vorbild für mich gewesen, ihn fragte ich um Rat, aber meine Mutter war immer meine erste Anlaufstelle, wenn es mir nicht gut ging, besonders, wenn ich als Kind geweint hatte. Sie war ruhig und wie eine persönliche Sonne für mich. Ich liebte sie, tief und innig, egal wie kindisch das klingen mochte. Ich war schließlich schon fast 17 Jahre alt. Aber bei meiner Mutter hatte ich nie das Gefühl, dass ich aufpassen musste, wie ich mich benahm. Sie liebte mich und sie zeigte das so offen, dass ich mich in dieser Gewissheit geborgen fühlte.

Sanft zog sie mich aus ihrer Umarmung. »Ich bin so stolz auf dich«, sagte sie und lächelte traurig. Ich konnte in ihren Augenwinkeln Tränen entdecken. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände.

»Ich werde dich immer lieben, egal, was du tust. Aber ich bin ganz sicher, dass du das heute wunderbar machen wirst. Du bist so schlau, du schaffst das bestimmt. Und vergiss nie: Wenn du nicht perfekt wärst, so wie du bist, dann hätte Gott dich nicht so geschaffen!« Sie schlug die Augen nieder und Tränen rannen unter ihren perfekten Wimpern hervor. Sie gab mir, ohne die Augen zu öffnen, einen Kuss auf jede Wange. Dann ließ sie mich los. Sie öffnete langsam die Augen und flüsterte: »Viel Glück!«

»Mary!«, sagte mein Vater bestimmt. »Er geht ja heute noch nicht weg, oder? Erst einmal müssen wir noch ein College für ihn finden!« Er sah meine Mutter streng an.

Das war ebenfalls typisch: Mein Vater war immer ruhig und gelassen und zeigte selten Gefühle. Meine Mutter zeigte sie stets, aber auch, wenn mein Vater das behauptete, glaubte ich nicht, dass es sie schwach machte. Sie war so offen, dass man einfach nicht anders konnte, als ihr zu vertrauen.

Mary warf ihrem Mann einen Blick zu, in dem wie immer Liebe lag, aber auch etwas Drängendes.

»Er wird bald 17. Lange wird er nicht mehr bleiben. Und irgendwann wird er die Frau seines Lebens finden. Und dann …«, sie lächelte, »wird er nicht mehr kommen müssen.« Es lag etwas Neckendes in ihrem Ton, aber ihr Gesicht war immer noch nass von den Tränen.

Goldmond

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