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LEANDER

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Als ich an diesem Morgen zur Schule kam, sah ich schon von weitem meinen besten Freund, Norman. Wir kannten uns seit der ersten Klasse. Ich winkte ihm und er winkte zurück. Auch er wirkte aufgeregt.

»Fahr nach Hause. Ich sage dir Bescheid, wenn du mich abholen sollst, Merlin.« Merlin hatte mich wie jeden Morgen mit dem fliegenden Auto, dem EFV, wie es richtig hieß, dem »Electronic Flying Vehicle«, zur Schule gebracht und sollte jetzt zuhause aufräumen und auf mich warten. Ich würde ihn anfunken, wenn er mich abholen konnte.

Bevor Merlin irgendetwas sagen konnte, ging ich zu Norman hinüber. »Guten Morgen!«

»Guten Morgen«, murmelte er nervös.

»Hey, verunsichere dich nicht. Es ist alles okay. Du wirst die Prüfung bestimmt fehlerlos bestehen!«

Norman schüttelte unsicher den Kopf und ging ins Schulgebäude. Ich seufzte. Wie sollte ich ihn beruhigen, wenn ich doch selbst so nervös war? Ich seufzte ein weiteres Mal und folgte ihm nach drinnen.

Alle waren aufgeregt. Ich setzte mich an meinen Platz neben Norman und fuhr meinen Computer hoch. Norman war gerade dabei, das Französisch-Testprogramm zu starten. Er drehte sich zu mir um und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.

»Bist du auch so nervös?«

»Ja, sehr. Mehr als du vielleicht.«

Wieder schüttelte er den Kopf. »Es beruhigt mich, wenn du auch nervös bist.«

Ich legte meine Hand sanft auf seine klopfenden Finger. Es war unüblich für Adelige, so etwas zu tun. Normalerweise waren wir stets gelassen und machten alles langsam und mit Bedacht. Schließlich wurden wir, wenn wir einmal erwachsen waren, nicht mehr älter. Es eilte also nicht.

Norman sah zerknirscht aus und zog seine Hand weg. Ich seufzte noch einmal und beschäftigte mich mit meinem Computer.

Kurz darauf kam der Prüfer herein. Er trug einen Anzug und bewegte sich ein bisschen wie in Zeitlupe. Er musste sehr alt sein, auch wenn er aussah wie zwanzig. Er drehte den Lehrercomputer auf und begann die Namen der Klassenmitglieder vorzulesen, um die Anwesenheit zu überprüfen. Norman kam vor mir dran, doch da wir nur 15 Schüler und Schülerinnen waren, dauerte es nicht lange.

»Edwards, Norman Harry?«

Norman räusperte sich. »Anwesend«, sagte er, seine Stimme klang kräftiger.

Schließlich war auch ich dran:

»Merrywith, Leander Soleil?«

Ich holte tief Luft: »Anwesend.«

Schließlich startete die Prüfung. Ich fand die Aufgaben gar nicht so schlimm und ich spürte, wie meine Nervosität sank, doch als nach drei Stunden bald die Zeit ablief, wurde ich wieder nervös. Schnell las ich mir meine Arbeit ein letztes Mal durch. Ich fand noch ein paar Fehler und war gerade beim vorletzten Abschnitt angekommen, als der Prüfer laut »Schluss!« rief und sich das Programm selbstständig herunterfuhr. Ich starrte auf meinen Bildschirm. Mein Bildschirmschoner zeigte wie immer eine Diashow. Gerade sah ich ein Schloss, das eine Universität beherbergte. Es war zwar eine längere Zugfahrt entfernt, genoss allerdings einen sehr guten Ruf und ich würde deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach dort studieren.

Neben mir seufzte Norman. Er hatte normalerweise mehr Selbstvertrauen, doch Sprachen lagen ihm nicht so. Nach seiner anfänglichen Nervosität schien er sich jetzt etwas beruhigt zu haben. Seine Hände waren zwar immer noch zu Fäusten geballt, aber ansonsten sah er komplett entspannt aus. Sein Gesicht war ein Pokerface.

»Oh Gott! Leander, was heißt ‚kosten‘ auf Französisch?«

Ich versuchte nicht, ihn davon abzuhalten, mir Fragen zu stellen, in der Hoffnung, dass es mich ablenken würde. Außerdem machte es Norman glücklich.

Überall im Raum waren bereits leise Gespräche im Gange und so seufzte ich und antwortete dann: »Meinst du, im Sinne von Preis? ‚Coûter‘.«

»Gut, dann habe ich das richtig. Und …« Er brach ab. Er wusste, dass ich es nicht mochte, wenn wir Arbeiten im Nachhinein durchgingen. Vor allem, da die Computer in zehn Minuten die Prüfungsergebnisse ausgewertet haben würden und es daher keinen Sinn hatte, zu diskutieren.

»Danke«, sagte ich leise und setzte dann hinzu: »Was machst du heute noch?«

»Meine Eltern werden vermutlich mit mir essen gehen und ich werde noch für die Mathematikprüfung in drei Wochen lernen. Außerdem arbeitet mein Vater an einem neuen Gesetzesvorschlag und hat mich gebeten, mit ihm zu einem Geschäftsessen zu gehen. Und was ist mit dir? Hast du dir für die Prüfung schon etwas angeschaut?«, fragte er.

»Na ja, meine Eltern haben geplant, dass wir am Abend bei Freunden sind, aber da ich noch nicht für die Mathematikprüfung gelernt habe, bin ich mir nicht sicher, ob es klug ist, mitzugehen.«

Jetzt sah er mich komisch an. Das war nicht gerade, was zum Beispiel mein Vater sagen würde, aber ich musste wirklich noch lernen. Egal, sagte ich mir, das geht sich aus. Und wenn du dir das gut einteilst, bleibt auch noch Zeit für etwas anderes.

»Du bist so gut in der Schule, du musst bestimmt nicht heute schon den ganzen Abend lernen«, fand auch Norman. Ich lächelte. Gut in der Schule. Ach ja. Schließlich war es so, dass alle ein »Fehlerlos« anstrebten. Und die meisten bekamen es auch.

»Du hast recht«, lenkte ich ein. »Ich werde natürlich mit meinen Eltern unsere Freunde besuchen gehen. Mein Vater würde mich ohnehin nicht zuhause bleiben lassen.«

Norman nickte. Wenn man gute Beziehungen hatte, dann vereinsamte man nicht so leicht und blieb gesund und lebensfroh, wie mein Vater immer sagte.

»Ich denke, ich werde meinem Vater auch zusagen. Es wird bestimmt interessant, einen Einblick in die Politik zu bekommen und etwas über unser Rechtswesen zu lernen. Er hat gesagt, sein neues Gesetz wird dafür sorgen, dass gefährliche Adelige besser überwacht werden und das Justizsystem gerechter wird. Außerdem versucht er, neue Regelungen für Redbloods durchzusetzen.«

Bevor ich mir überlegen konnte, was das zu bedeuten hatte, wurde ich durch plötzliche Stille aus meinen Gedanken gerissen. Alle Gespräche waren verstummt. Der Prüfer stellte sich vor die Klasse und sagte mit gewichtiger Stimme: »Die Ergebnisse sind gekommen.«

Goldmond

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