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Kratzbaum mit Aussicht

Kratzbäume und -utensilien sind lebensnotwendig für Katzen. Die Tigerchen müssen aus verschiedenen Gründen kratzen: um ihre Krallen zu pflegen und um ihr Revier zu markieren. Vor allem Wohnungskatzen brauchen unterschiedliche Möglichkeiten, ihren Kratzneigungen nachgehen zu können.

Ganz zu Anfang hatten wir eine schwarze Kratztonne besorgt, die auf drei Etagen verschiedene Einstiegsmöglichkeiten bot. Wir fanden das klasse. Das waren doch tolle Plätze, um sich zu verstecken. Max und Flix jedoch haben die Kratztonne zuerst keines Blickes gewürdigt. Nach einiger Zeit haben sie sie von außen benutzt, um sich der Krallenpflege zu widmen und um sich durchzustrecken. Erst viel später entdeckten beide, dass man sich doch am einfachsten oben draufsetzen konnte. Für Flix war das kein Problem, ganz elegant oben auf die Tonne zu springen. Für Max mit dem nahezu doppelten Gewicht war es das ab und an schon. Nicht weil er das nicht konnte. Nein, aber mehr als einmal hat er die Kratztonne zum Umsturz gebracht und sich selbst und mir auch einen Riesenschrecken eingejagt. Später haben wir sie dann anders platziert und in die Nähe der Anrichte gestellt, sodass Max von dort in zwei Schritten auf die Kratztonne springen konnte. Das war nervenschonender für uns alle.

Dann hatte ich einen kleinen Kratzbaum in meinem Arbeitszimmer aufgestellt, der ebenfalls wenig Beachtung fand. Er wurde erst sehr viel später von Max entdeckt. Ein idealer Platz, um das Frauchen bei der Arbeit zu beaufsichtigen. Auf Augenhöhe eben.

Also: Ein richtiger Kratzbaum musste her. Einer mit mehreren Etagen, einer Höhle, und zwei Sitzplätzen. Gesagt. Bestellt. Geliefert. Zusammengebaut. Wir haben ihn ins Wohnzimmer gestellt auf der linken Seite der Fensterfront, die zum Südwest-Balkon rausging. Eine Position, von der aus die beiden einen großartigen Überblick haben sollten: In die Wohnung hinein, Richtung Eingang und auch nach draußen. Kratzbaum mit Aussicht.

Was ich nicht bedacht hatte, war Max‘ Größe im Vergleich zur Standardgröße für Kratzbäume. Max inspizierte die Anschaffung, kraxelte hoch, quetschte sich in die Höhle und schaute mich vorwurfsvoll an. „Siehst Du nicht, dass das viel zu klein für mich ist?“

Ja, klar. Jetzt sah ich das auch. Die Normalausführungen waren für viel kleinere Katzen oder auch „normale“ Katzen. Flix mit seinen 3,5 Kilogramm hatte im ersten Jahr sehr viel Freude an diesem Kratzbaum. Er saß oft ganz oben drauf und schaute in die Welt. Im Sommer kuschelte er sich auch gern in die Höhle hinein, um sich vor zu viel Sonne zu schützen. Es wurde bald Flix‘ persönlicher Kratzbaum.

Ein XXL-Kratzbaum für Max musste her. Der Standort war schnell gefunden. Links vom Kamin war Platz. Der Korbsessel, der dort stand, war eigentlich eher Deko und konnte weichen. Also, die Anschaffung eines Kratzbaumes für Max‘ Größe war dann noch mal eine echte Investition. Er war aber sein Geld absolut wert: Sehr stabil, mit zwei verschieden großen Mulden, einer großen Sitzschale, einer Höhle und zwei Sitzbrettern. Alles in Etagen, vom Boden bis zur Decke. Ein Deckenspanner.

Sein Herrchen hat ihm diesen XXL-Kratzbaum zusammengebaut und implementiert. Es fällt mir schwer zu sagen, wer daran mehr Freude hatte. Schon während des Zusammenbauens stand Max erwartungsfroh daneben oder er lief über die vielen einzelnen Teile, die da schon zum Verbauen bereitstanden, vor und zurück. Michael hatte eine wahre Freude, das für die beiden Tigerchen – vor allem für Max – zu bauen.

Es kam der Tag der Fertigstellung! Nun, was würden die beiden machen?

Die Eroberung des Kratzbaumes geschah in verschiedenen Phasen. Erstmal lag Max in der unteren, viel kleineren Mulde. Genau da wo er wegen seines Gewichtes natürlich nicht liegen sollte. Murphy’s Law könnte man sagen. Und Flix sprang geschwind mit Eleganz ganz nach oben in die große Mulde, die eigentlich für Katzen mit Max‘ Gewicht ausgelegt waren. Das hielt nicht lange vor und Max entdeckte den gesamten Baum mit all seinen Möglichkeiten.

In Alphakatermanier hat er Flix ganz flott vom Chefplatz weggekloppt. Ab diesem Zeitpunkt war er oben – und nur noch er. Flix durfte nicht mehr, solange Max der Chefkater war und die Position verteidigen konnte. Später, wenige Monate vor seinem Tod, veränderte sich das Kräfteverhältnis der beiden und Flix hat erst zaghaft und dann immer bestimmter den Chefplatz übernommen. Das ging sachte und ohne Klopperei vonstatten. Max hatte seinen Abgang geplant und für eine ordnungsgemäße Übergabe der Pflichten gesorgt als es an der Zeit war und er spürte, dass er Flix aktiv stärken musste.

Hatten wir, ich meine, Max und Flix, nun nicht genügend Kratzmöglichkeiten? Eigentlich schon, könnte man meinen. Wenn da nicht das Regal neben dem Schrank in Michaels Arbeitszimmer gewesen wäre. Beide Kater schafften es irgendwie vom Regal in Kommodenhöhe auf den Schrank zu springen. Runter tat es immer richtige Schläge und uns taten die Knochen unserer beiden doch schon etwas älteren Herren leid.

Also haben wir einen „Teilbaum“ implementiert, einen Altherren-Schrank-Aufgang sozusagen. Der wurde von beiden vor allem im ersten Jahr oft frequentiert. Flix nutzte den Schrankaufgang immer sofort, wenn Besuch kam. Dann kamen seine alten Ängste hoch und er flüchtete auf den Schrank. Und blieb da. Ansonsten hatte er einfach Spaß daran, auf den Schrank zu springen und seine Welt von oben anzusehen.

Im ersten Jahr fanden wir ihn oft morgens auf dem Schrank sitzend, wartend bis das Personal endlich soweit war, um das Frühstück zu servieren. Später dann, je mehr Vertrauen er aufbaute, kam er lieber ins Schlafzimmer und weckte uns auf, um etwas zu kuscheln und sicherzustellen, dass alle morgendlichen Prozesse der Katerversorgung endlich anliefen.

Seelenkater

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