Читать книгу Seelenkater - Tamara Schenk - Страница 16
ОглавлениеWenn der Chefkater zum Patienten wird
Es funktioniert nichts mehr, wie es war. Diese Erfahrung war schnell gemacht. Flix inspizierte und beschnupperte den heimkehrenden Max erstmal kritisch. Dann ging er sofort auf Abstand. Nein, mit diesem Max wollte er nichts zu tun haben. Wie sah der denn aus? Und wie er roch. Sehr suspekt.
Später am Abend, als Max Nähe suchte, fauchte Flix ihn sogar an. Wow. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ein lieber Freund und Katzenexperte, Mike aus England, gab mir dann den entscheidenden Hinweis: Max riecht nach Krankenhaus und das verheißt nichts Gutes für Flix. „Wasch mal alle Sachen, die in der Klinik waren.“
Also habe ich Max‘ Deckchen gewaschen. Und siehe da, es wurde besser. Flix war das alles zwar weiterhin nicht geheuer – Warum hatte sein Freund Max einen bescheuerten Kragen um den Hals herum? – aber er hat ihn wenigstens nicht mehr angefaucht. Sie haben sich wieder angenähert.
Die nächsten Tage wurden durch Max‘ Schmerzmittelrhythmus bestimmt. Alle acht Stunden waren ein paar Tropfen notwendig. Parallel dazu mussten wir wieder in den normalen Fressrhythmus kommen, sowie seine Nierentherapie integrieren.
Und dann sollte es Max natürlich so gut wie möglich gehen, und er sollte sein können, wo er wollte. Es war Anfang September. Ein sonniger September. Also war Max oft auf dem Balkon und hat die Sonne genossen.
Max erholte sich schnell von der Operation. Was Katzen alles wegstecken, ist immer wieder bewundernswert. Man stelle sich nur einmal vor, einer von uns Menschen hätte eine Zahnoperation hinter sich, bei der alle drei Eckzähne entfernt worden wären.
Ich habe in dieser Zeit oft an meine Weisheitszahn-OP gedacht, die ich mit Anfang Zwanzig über mich ergehen ließ. Alle vier auf einmal raus. Denn wenn man nur zwei rausnehmen lässt, meldet man sich wohl nicht mehr freiwillig zum Folgetermin an. Ich war eine Woche zu nichts zu gebrauchen. Mit zugeschwollenem Gesicht, Kühl-Akkus im Dauereinsatz und einem richtig deftigen Schmerzmittel.
So viel Pflege Max auch benötigte, so gab ich mir doch Mühe, genügend Zeit für Flix zu haben. Flix, der mit seiner wunderbar verspielten Art der Liebling aller wurde. Flix, der aber auch sehr auf Max schaute, auf seinen Freund und Chefkater. Es war in allem klar, wer die Richtung und das Vorgehen bestimmte. Umso schwieriger war es für Flix, sich nun weiterhin sicher zu bewegen, wo Max doch offensichtlich erstmal selbst wieder gesund werden musste. Flix, der nur zu gern auf Max‘ Führungsstärke vertraute, musste nun seine Entscheidungen allein treffen. Max benötigte seine Energie für sich selbst.
Dass Max nun die Rolle des Chefkaters nur eingeschränkt wahrnehmen konnte, war eine ganz neue Situation für Flix. Eine Situation, die puren Stress für ihn bedeutete. Als die Decken gewaschen waren und der Krankenhausgeruch weg war, wurde es leichter. Aber da war noch der Kragen, den Max um den Hals trug. Das irritierte Flix gewaltig.
Max war selbst nicht sehr begeistert davon. Er fand auch am dritten Tag eine Lösung, wie er sich des Kragens entledigen konnte. Die Holzpaneele, die wir auf dem Balkon und der Loggia hatten, eigneten sich mit ihren Zwischenräumen ganz hervorragend. Er musste nur die Kante des Kragens in diesen Zwischenraum reinbekommen und dann eine Weile dran rumfummeln. Und schon war es weg, das Ding. Das erste Mal als ich es entdeckte, habe ich Max den Kragen wieder angezogen. Es ging nicht lange gut. Max hatte nun raus, wie er ihn loswurde und hatte weitaus mehr Geduld als ich.
Also habe ich ihm den Kragen nicht mehr übergezogen, natürlich nicht ohne ihm klarzumachen, dass er alles tun konnte, außer an seinen OP-Nähten im Maul rumzumachen. Er schien das zu wissen. Er ging nie an seine OP-Nähte ran. Was für ein toller, weiser Kater!
Es verheilte alles prima, nach drei Tagen wollte er kein Schmerzmittel mehr. Und nach zehn Tagen war ich nochmal mit ihm zur Nachkontrolle in der Tierklinik. Die Zahntierärztin war zufrieden mit dem Heilungsprozess und Max‘ Nierenwerte waren wieder auf dem Niveau vor der OP. Wir würden erst wieder im Dezember zur Kontrolle kommen. Er hatte auch erstmal genug von Tierärzten und Tierklinik. Als seine Zahntierärztin, die ihn ins Herz geschlossen hatte, in sein Gesichtchen sah, meinte sie nur zu mir: „… die schon wieder, denkt Max.“ Sie lachte dabei. Verstehen konnte sie ihn gut.
Bald war Max wieder der Alte und Flix war glücklich darüber. Es ging auf den Herbst zu. Das Katerverhältnis hatte sich wieder normalisiert. Max war wieder der Chef im Haus, thronte oben auf dem Kratzbaum und Flix fühlte sich zunehmend sicherer und verweilte auf „seinem“ Kratzbaum mit Aussicht. Beide erfreuten sich ihres Lebens.