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Max‘ Zahnsanierung, die erste …

Im September, als Max gerade mal neun Monate bei uns in seinem neuen und Für-immer-Zuhause war, habe ich ihn morgens in die Tierklinik gebracht, damit seine Zähne saniert werden konnten. Das bedeutete, dass direkt nach der Narkose seine Zähne professional gereinigt und der Zahnstein entfernt würde. Dann würden seine Zähne mit einem Dentalröntgengerät untersucht werden. Damit ließe sich zum Beispiel die tückische Zahnkrankheit FORL3 erkennen und man könne entscheiden, ob und wenn ja, welche Zähne raus müssten. Diese würden dann gleich im Anschluss auch extrahiert werden. Ich war nervös. Vorher, während und nach der OP sollte er als CNI-Patient Infusionen bekommen.

Ich kann an dieser Stelle nur jedem raten, bei einer Zahnsanierung immer ein Dentalröntgen machen zu lassen. Es bringt gar nichts, nur den Zahnstein entfernen zu lassen und gegebenenfalls FORL nicht zu entdecken. Das würde bedeuten, dass die Zähne oberflächlich „gut“ aussehen, die Katze aber weiterhin immense Schmerzen hat. Wie im Fall von Max würden außerdem die Nieren weiterhin durch diese nicht entdeckte Erkrankung geschädigt. Man sieht FORL lange Zeit nicht, da es sich aus dem Zahninneren entwickelt. Eine Autoimmunerkrankung, die extrem schmerzhaft ist. Und nein, man erkennt es nicht unbedingt am Fressverhalten. Ich habe es wieder und wieder in der Katzen-Community erlebt, dass Katzen mit extrem kranken Kauleisten wegen FORL, ohne äußere Anzeichen immer noch „normal“ gefressen haben.

Max hatte das Talent, im Auto permanent zu sprechen. Er kommentierte die Fahrt zur Tierklinik in großer Klarheit und Direktheit, dass es mich zu Tränen rührte. Noch bevor wir dort waren.

Er wurde aufgenommen und an den Tropf gelegt für seine Infusion. Ein letztes Mal knuddeln und ihn an mich drücken. Oh Mann, war das schwer. Ich hatte gleich gesagt, dass ich auf die Zahntierärztin warten würde. Ich kannte sie noch nicht und unter gar keinen Umständen würde ich Max in die Hände von jemanden geben, den ich nicht kannte. Sein Leben hing schließlich von meinen Entscheidungen ab. Nicht mehr. Nicht weniger.

Ich hatte meinen Laptop mitgenommen. So konnte ich die nächsten zwei Stunden arbeiten. Und dann noch etwas länger, weil es einen Notfall gab und Max noch eine weitere Stunde am Tropf blieb. Dann kam die Zahntierärztin. Wir haben uns kurz unterhalten und sie hatte mir alles nochmal genau erklärt. Ich hatte gleich ein gutes Gefühl. Sie würde das alles prima machen. Ich war so nervös, weil mir plötzlich bewusst wurde, dass ich Max‘ Leben in ihre Hände legte.

Ich hörte mich fragen, ob ich ihn nochmal sehen könne. Sie sah mich nur kurz an und verstand genau, was in mir vorging. Sie holte ihn und ich nahm meinen Max in die Arme und sah in seine Augen. Große Pupillen schauten mich an. „Was machen die hier mit mir? Wie kannst Du das zulassen? Ich will sofort nach Hause. Ich habe solche Angst.“ Ich habe ihn gedrückt, ihm gesagt, dass nun seine Zähne gerichtet werden und ich ihn heute Abend wieder abholen würde und wir wieder zusammen nach Hause fahren würden. Dann habe ich ihn der Tierärztin zurück auf den Arm gegeben und bin gegangen. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. All mein innerer Druck löste sich nun auf. Ich bin unter Tränen nach Hause gefahren. Mein Max! Hoffentlich war das alles richtig so. Was für eine emotionale Achterbahn.

Ich saß neben dem Telefon, bis es klingelte und die Tierklinik nach der Zahnsanierung anrufen würde. Es klingelte jedoch, kaum dass ich zu Hause war. Oh mein Gott, was war jetzt passiert? Die Tierärztin erklärte mir, dass sie nun Max‘ Zähne gereinigt und geröntgt hätten. Überraschenderweise seien Max‘ Backenzähne gesund aber zwei, besser noch drei, seiner vier Fangzähne müssten raus. Wegen FORL. Dazu wollte sie meine Zustimmung einholen. Mein armer Max. Nun, was würde sie denn empfehlen? Was war das Richtige für Max? Und was würden die Internisten empfehlen? Die Empfehlung war eindeutig: Alle von FORL betroffenen Zähne rausnehmen. Dann machen wir das auch genau so.

Also, wieder warten und ganz viel Energie zu Max senden, damit er das gut überstehen würde. Der nächste Anruf kam, als Max schon wieder wach war und noch weitere Infusionen bekam, um seine Nieren nach der Narkose bestmöglich durchzuspülen. Abends konnte ich ihn abholen, kurz nach 18 Uhr.

Als ich in der Tierklinik eintraf, wurden mir zuerst die Medikamente erläutert, die Max in den kommenden Tagen brauchen würde. Ein spezielles Schmerzmittel aus der Familie der Opiate, für welches ich eine besondere Erklärung unterschreiben musste, und ein Antibiotikum, um potenziellen Entzündungen vorzubeugen. Und dann wurde mir Max gebracht. Mit einem Trichter um den Hals. Mein armer Max, wie lange er das wohl erdulden würde? Wie lange Max denn den Trichter tragen müsse, habe ich gefragt. Mindestens eine Woche, sagte mir die Tierärztin, da die Nähte vorne nicht aufbrechen durften. Es gäbe da nämlich kein weiteres Material, um irgendwas ein zweites Mal zu vernähen. Das leuchtete mir ein. Nur, ich kannte meinen Max. Das würde er wohl kaum eine Woche mitmachen.

Ab ins Auto und nach Hause fahren. Ein geliebtes Tier wieder aus der Tierklinik mit nach Hause nehmen zu können, ist ein ganz spezielles, wunderschönes Gefühl. Hatte man doch erst mal alles richtig gemacht, die notwendige tierärztliche Behandlung ermöglicht, um die Samtpfote gesund zu erhalten. Nun musste Max nur noch zu Hause gesund gepflegt werden. Sehr gerne.

Auf dem Nachhausweg hatte er den Tag erstmal lautstark kommentiert. Unnötig, und echt ätzend fand er ihn. Was ich mir nur dabei gedacht hätte? Und Fangzähne raus machen, also das sei ja nun echt das Letzte, würde doch sehr an seinem Selbstbewusstsein als Chefkater nagen. Außerdem ginge es ihm doch prima. Also wozu das alles? Klar, Max war „auf Droge.“ Er hatte vor dem Nachhauseweg noch drei Tropfen des Schmerzmittels Buprenovet4 bekommen, sodass er entsprechend gut drauf war. Um Mitternacht würden wir erst wieder die nächste Dosis geben müssen.

Kaum waren wir zu Hause ist Max mit seinem Trichter aus dem Katzenkorb marschiert. Er ging erst mal Richtung Toilette, rempelte rechts und links alles an bis er sich neu „justiert“ hatte.

Zu meiner großen Überraschung war er hungrig und hat erst mal eine Portion Futter verdrückt. Und dann noch einmal eine halbe Portion. Was für eine riesengroße Erleichterung! Fressen war schon mal kein Problem für ihn.

Dann habe ich experimentiert wie ihm die Antibiotikum-Tablette am besten zu geben sei. Gemörsert in Leberwurst, die wir extra für ihn gekauft hatten. Das schien die Methode der Wahl zu sein. Wieder ein Problem gelöst.

3 FORL = Feline Odontoklastische Resorptive Läsionen, eine sehr schmerzhafte Zahnerkrankung bei Katzen. Die Deutsche Gesellschaft für Zahntierärzte stellt fest, dass 70% aller Katzen über 3 Jahren schmerzhafte Zahndefekte aufweisen. Tierarzt Ralph Rückert betreibt seit Jahren sehr viel Aufklärung zu dieser Autoimmunerkrankung auf seinem Blog (siehe Anhang). „Durch bisher nicht wirklich geklärte Ursachen, […], werden körpereigene Zellen aktiviert, die zum Abbau von Zahnhartsubstanz in der Lage sind, die [sog.] Odontoklasten (Zahnfresser). Diese Zellen haben ihren großen Auftritt während des Zahnwechsels, denn sie sind eigentlich dafür zuständig, die Wurzeln der Milchzähne abzubauen. Bei erwachsenen Katzen, die an FORL erkranken, tauchen sie aber plötzlich wieder aus der Versenkung auf und fangen damit an, blindwütig eigentlich gesunde Zähne anzufräsen. […] Die Odontoklasten beginnen mit ihrem Zerstörungswerk im Wurzel- oder Zahnhalsbereich, also zumindest anfangs […] für das Auge unsichtbar.“

4 Buprenovet ist ein Schmerzmittel aus der Familie der Opioide. Wegen Max‘ CNI bekam er dieses Medikament, da es nierenschonender ist als ein herkömmliches Schmerzmittel. Es fällt unter das Betäubungsmittelgesetz, weswegen man nur die exakt benötigte Menge bekommt, und ein entsprechendes Dokument unterschreiben muss.

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