Читать книгу Eternity - Stadt der Toten - Tamara Thorne - Страница 12
9
ОглавлениеIrgendwie gelang es Zach Tully, die Adresse in weniger als drei Minuten zu erreichen. Es war sein Glück, dass er nach dem nervenaufreibenden Studium der Mordakten in der Polizeistation den Explorer genommen hatte, um eine Runde durch die Stadt zu drehen.
Als der Anruf einging, war er am westlichen Ende von Eternity gewesen, keinen Kilometer von der Anruferadresse entfernt. Er hatte blitzschnell den Stadtplan konsultiert und war in die Richtung gefahren, von der er betete, dass es die richtige war.
Sein Gebet wurde erhört, denn er fand das Haus an einer gefährlich schmalen, oberhalb der Stadt verlaufenden Straße. Tullys Herz pochte heftig. Er kannte den Namen Kate McPherson aus dem kurzen Bericht über Lawsons Tod. Sie hatte die Leiche seines Vorgängers gefunden. War das hier ein Zufall? Tully bezweifelte es.
Er hielt an, zog seine Pistole, stieg aus dem Wagen, duckte sich und schaute sich um. Die Außenlampen des Hauses strahlten hell, und auch das obere Stockwerk war erleuchtet. Als er nach oben zur offenen Balkontür blickte, trat eine weibliche Gestalt ins Freie. Als sie ihn sah, rief sie »Hintertür!« und verschwand wieder im Haus.
Tully rannte auf das Haus zu, seine Füße rutschten auf Tannennadeln aus, aber es gelang ihm auf wundersame Weise, das Gleichgewicht zu halten. Am Haus angekommen, eilte er mit der Waffe in der Hand seitlich daran vorbei und nach hinten. Auf halber Strecke hörte er jemanden davonlaufen, dann sah er einen Mann, der über die Lichtung hinter dem Haus floh.
»Halt, Polizei!«, rief er. Der Mann rannte den Hügel hinauf und verschwand im finsteren Wald.
Tully eilte hinter ihm her, blieb jedoch kurz darauf im Wald stehen, atmete angestrengt in der dünnen Luft und versuchte, die Schritte des Flüchtigen zu hören.
Nichts. Die hohen Tannen verdeckten das Mondlicht. Er konnte nichts sehen, weder den Mond noch die Lichter des Hauses, und er kannte auch das Gelände nicht, so dass es sinnlos gewesen wäre, die Verfolgung fortzusetzen. Außerdem war es gefährlich. Er wusste, dass er im Nu vom Jäger zum Gejagten werden konnte.
Er drehte sich langsam um, hoffte, dass er in die richtige Richtung ging, und machte ein paar Schritte. Der Wald hüllte ihn ein; die Stille war erstaunlich, ganz anderes als alles, was er je in der Stadt erlebt hatte. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Es lag nicht nur an der Kälte.
Mit ausgestreckten Händen – um sich an den Bäumen entlangzutasten – bewegte er sich ein Stück nach links, bis er ein winziges gelbes Licht sah. Erleichtert tastete er sich vorsichtig den Hügel hinab. Endlich kam das ganze Haus in sein Blickfeld. Als er es erreicht hatte, eilte er zur Haustür – nicht nur wegen der Fingerabdrücke, sondern auch, um Miss McPherson zu beruhigen.
Er klopfte an, und kurz darauf öffnete sich vor ihm ein kleines beleuchtetes Rechteck. Kate McPherson lugte hindurch. »Wer sind Sie, verdammt?«, erkundigte sie sich mit zittriger Stimme.
»Zach Tully, Ma’am. Ich bin der neue Sheriff.«
»Sie haben nicht mal ’ne Uniform an.«
Herr im Himmel. Er hätte wissen müssen, dass so etwas passieren würde. »Deputy Hapscomb war so krank, dass ich ihn nach Hause schicken musste, Miss McPherson. Ich werde erst morgen vereidigt.«
»Können Sie sich irgendwie ausweisen?«
»Ähm ... Wie wär’s mit einem Führerschein?«
»Der kann doch nicht beweisen, dass Sie ein Cop sind. Vielleicht sind Sie dieser Typ.«
»Ich glaube, mein Foto war diese Woche in der Zeitung. Haben Sie ein Exemplar?«
»Moment mal.«
Die Klappe wurde geschlossen, und kurz darauf wieder geöffnet. »Stellen Sie sich ins Licht«, befahl sie.
Tully gehorchte. Er hörte das Rascheln von Papier, dann wurde die Klappe wieder geschlossen, und er hörte, dass die Tür entriegelt wurde. Sie ging auf, und er sah Kate McPherson zum ersten Mal.
Sie war groß, und ihr blaues T-Shirt trug nicht wirklich dazu bei, ihre langen Beine zu verbergen. Rasch hob er den Blick, um ihr ins Gesicht zu schauen. Dunkelgrüne Augen, dunkelblondes Haar, hohe Wangenknochen und ein leicht eckiges Kinn. Sie gefiel ihm. Ihr ungeschminktes Gesicht war anziehend, aber sehr blass.
»Darf ich reinkommen?«
»Ja, natürlich.« Sie wirkte durcheinander, nervös, was unter diesen Umständen nur natürlich war. Sie trat beiseite, damit er eintreten konnte. »Im ersten Moment hab ich Sie für einen Geist gehalten. Sie sehen so aus wie Ihr Vorgänger.«
»Der Deputy hat’s auch schon erwähnt.«
Kate nickte. »Ihr Haar ist dunkler, und Sie sind dünner, aber er hätte wirklich Ihr älterer Bruder sein können.« Sie blickte nach unten, wurde sich ihrer Kleidung bewusst, und ihre blassen Wangen röteten sich. »Entschuldigen Sie mich einen Moment.«
Sie eilte die Treppe hoch und kam kurz darauf mit Jeans unter dem langen T-Shirt zurück. Als Tully etwas sagen wollte, legte sie rasch einen Finger auf ihre Lippen. »Mein Sohn schläft«, sagte sie. »Kommen Sie hier entlang.«
Sie führte ihn in die Küche, wo er auf der Stelle die Hintertür untersuchte. »Eine Minute später wäre er drin gewesen«, sagte Tully. Der Türriegel war aufgestemmt; nur ein Schieber hielt noch alles zusammen. Er drehte sich zu Kate um. »Haben Sie den Mann erkannt?«
»Nein«, antwortete sie entschuldigend. »Er hatte eine dunkle Jacke an und eine Kapuze auf. Ich konnte nicht mal seine Haarfarbe erkennen. Ich schätze, er war von durchschnittlicher Größe.«
»Tja, das ist besser als nichts«, erwiderte Tully. »Ich habe nur einen laufenden Schatten gesehen. Er ist im Wald untergetaucht.« Er hielt inne. »Wohnen Sie ganz allein hier draußen?«
»Mit meinem Sohn zusammen«, sagte Kate. »Warum?«
»Haben Sie eine Waffe?«
Sie schaute ihn an. »Eine ... Waffe?«
»Eine chemische Keule, einen Baseballschläger, ein Gewehr. Sie wissen schon – eine Waffe.« Er wusste, dass sie eine hatte, wahrscheinlich sogar eine Schusswaffe. Man sah es daran, wie sie seinem Blick auswich.
»Ja«, sagte sie. »Ich habe eine Waffe, und sie ist registriert. Wollen Sie sie sehen?«
»Nein, nein. Wissen Sie, wie man damit umgeht?«
»Ich habe Unterricht genommen«, erwiderte Kate. »Und ich habe keine Angst, sie zu benutzen.«
Tully glaubte ihr.