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Sein neues Zuhause war hübscher, als Tully zu hoffen gewagt hatte, deswegen verbrachte er zwei angenehme Stunden mit dem Einzug und der Erforschung. Ersteres dauerte nicht sehr lange. Ein Dutzend Kartons mit seinem Eigentum waren schon am Tag zuvor abgeliefert worden, aber er packte nur aus, was er im Camaro mitgebracht hatte. Als er die Kleider, das Necessaire mit den Toilettenartikeln und seine Waffen ins Haus trug, wunderte er sich, wie wenig er eigentlich besaß. Nach dem Tod von Linda und Kevin hatte er sich von fast allem getrennt. Er hatte in einer möblierten Wohnung gelebt und sich seinem Beruf und dem Verlangen gewidmet, das Ungeheuer zu fangen, das seine Familie auf dem Gewissen hatte.

Obwohl die Identität des Hintertür-Mörders noch immer ein Rätsel war, das zu entschlüsseln er sich vorgenommen hatte, sagte sich Tully unter der heißen Dusche, dass es an der Zeit war, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Er trocknete sich ab und zog sich an. Linda hätte sich über seinen Neuanfang bestimmt gefreut. Obwohl sie oft wütend gewesen war, weil er so viele Stunden mit seiner Arbeit verbrachte, hatte sie ihm stets zu verstehen gegeben, dass sie seine Hingabe verstand.

Eins wusste er nun: Als sie geheiratet hatten, musste er für sie eine echte Plage gewesen sein – ein eifriger, nach Vorschrift arbeitender Cop. Und als er Detective geworden war, hatte die Arbeit noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit gefordert.

Hin und wieder hatten Linda und er darüber gesprochen, die Stadt zu verlassen und an einem Ort wie diesem ein neues Leben anzufangen. Wie gern hätte er sie und Kevin nun bei sich gehabt. Das Städtchen hätte ihnen bestimmt gefallen, und auch die Berge und das Haus.

Es lag etwa eineinhalb Kilometer nördlich des Stadtzentrums, und es war hier – von dem kleinen Teich bis zu dem großen rustikalen Kamin – sehr ruhig und idyllisch. Das aus Rotholz gefertigte, einstöckige Blockhaus verfügte über einen Einstellplatz für den Wagen und einen kleinen Dachboden. Oben befanden sich ein großes und zwei kleine Schlafzimmer und ein Bad. Der große Schlafraum enthielt ein Bett aus Kirschholz und dazu passende Möbel, und das Bad war mit Handtüchern, Reinigungsmitteln, Toilettenpapier, Seife und Papiertaschentüchern ausgestattet. Tully wusste, dass die halb volle Schachtel mit den Papiertaschentüchern Frank Lawson gehört hatte. Die Vorstellung ging ihm leicht an die Nieren.

Er ging über die Treppe ins Erdgeschoss. Eine Wand des gemütlichen, mit Eiche getäfelten Wohnzimmers wurde von einem gefliesten Kamin eingenommen. Holzscheite lagen in einem Blechbehälter neben den Kaminutensilien. Auf dem hölzernen Kaminsims standen mehrere Zierenten und ein glänzender Messingspucknapf.

Der aus breiten, goldfarbenen Eichenbrettern bestehende Boden war von einem geflochtenen, ovalen Teppich bedeckt, und die altmodischen, dick gepolsterten Möbel passten perfekt dazu. Der schwere Tisch aus Kiefernholz war dazu bestimmt, müde Füße zu tragen, und die Wände waren mit Landschaftsbildern dekoriert. Um die Ecke befanden sich eine Essnische und eine Küche, in der es von Löffeln und Gabeln bis zu Gewürzen und Dosensuppen alles gab. Tully warf einen Blick in den Kühlschrank. Eine Sechserpackung Budweiser – eine Dose fehlte – wartete auf ihn.

Der interessanteste Raum des Hauses befand sich hinter dem Wohnzimmer. Offenbar hatte Sheriff Lawson hier gearbeitet. Er war ein fleißiger Leser gewesen. Der Raum sah aus wie eine Leihbibliothek, die Regale waren voller Bücher und säumten alle Wände. Ein großer Schreibtisch und ein Sessel waren das einzige Mobiliar. Eine türkisfarbene Glaslampe und ein dunkler Tintenlöscher standen auf dem Tisch.

Tully warf einen Blick auf die Wanduhr, zog sie auf, brachte das Pendel zum Schwingen und stellte sie nach seiner Armbanduhr. Es war 19.00 Uhr. Sein Magen knurrte schon wieder, und er wollte dem Sheriffbüro noch einen Besuch abstatten.

Tully kehrte in die Küche zurück, erhitzte eine Dose Hühnersuppe mit Nudeln und fand ein paar Cracker. Eine Viertelstunde später schloss er das Haus ab und fuhr zum Sheriffbüro.

Zwei Streifenwagen standen auf dem Parkplatz, als er anhielt und ausstieg. Die Limousine war verschwunden, dafür stand nun ein zweiter Explorer da, der etwa ein Jahr älter war als der, den er bereits gesehen hatte. Tully warf einen Blick in beide Fahrzeuge. Das neuere war makellos in Schuss, und er vermutete, dass dies das Erbe war, das Frank Lawson ihm hinterlassen hatte. Auf dem Sitz des älteren Modells lagen ein paar Kassetten mit Countrymusic und eine Flasche Hustensaft.

Das einstöckige Sheriffbüro verfügte über eine moderne Doppelglastür. Als er gegen die Scheibe drückte, fand er sie verschlossen vor. »Was soll das, verdammt?« Dann erspähte er gleich neben der Tür ein kleines Plakat, das allen Besuchern riet, nach 18.00 Uhr die Klingel zu betätigen.

Nachdem er zweimal geläutet hatte, ging hinter dem Empfangsbereich eine Tür auf. Ein schlaksiger junger Mann in brauner Uniform trat heraus. Er sah Tully argwöhnisch an, dann nieste er in ein Taschentuch und kam näher. Er musterte Tully an der Eingangstür noch einmal, bevor er sich entschloss, die Tür zu öffnen.

»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte er mit heiserer, leicht nasaler Stimme. Seine Nase war rot, und er sah ziemlich elend aus.

»Ich bin Zach Tully.«

Das Gesicht des jungen Mannes verzog sich zu einem Grinsen. »Freut mich, Sie zu sehen, Sir!« Er trat beiseite. Tully ging hinein und hielt ihm die Hand hin. Der Deputy wollte sie zuerst schütteln, doch dann zog er seine Hand wieder zurück. »Ich bin erkältet und möchte Sie nicht anstecken. Ich bin Tim Hapscomb.« Er schloss die Tür ab, nieste zweimal, entschuldigte sich und führte Tully durch den Empfangsbereich und eine Tür in einen Korridor, der zu den Büros und Toiletten führte. Tim ging, um sich die Hände zu waschen.

Im Büro standen vier Schreibtische. Auf den drei kleineren standen Schilder mit der Aufschrift DEPUTY TIM HAPSCOMB, DEPUTY AL STOKER und DEPUTY RON SETTLES. Auf einem größeren Schreibtisch im hinteren Teil des etwa sieben Meter langen Raumes stand ein nagelneues Namensschild mit der Aufschrift SHERIFF ZACHARY TULLY. Als Tully es sah, machte sein Magen einen kleinen Satz. Bis jetzt war ihm der neue Titel nicht sehr real erschienen.

Er umrundete den Tisch und testete den großen, ziemlich abgewetzten Ledersessel. Er kippte ihn nach hinten, legte die Füße auf den Tisch und achtete darauf, dass er den kleinen Computermonitor auf der einen und die Aktenablage auf der anderen Seite nicht herunterwarf.

Er blickte sich in dem Raum um und sah Fahndungsfotos, Aktenschränke, Pinnwände und ein planlos vollgestopftes Bücherregal und zog den Schluss, dass er sich in diesem gemäßigten Durcheinander zu Hause fühlte. Ihm fiel auf, dass sich auf Hapscombs Schreibtisch außer Papiertaschentüchern ein großer Pappcolabecher, eine Tüte Hustenbonbons und in den Eingangs- und Ausgangskörben mehrere Akten befanden. Stokers Schreibtisch war gerade noch ordentlich zu nennen, doch Settles’ Arbeitsplatz war makellos sauber. Wenn man nach den Äußerlichkeiten urteilte, würde er mit Hapscomb und Stoker gut auskommen.

»Tut mir leid.« Hapscomb blieb im Türrahmen stehen und starrte überrascht Tullys auf dem Tisch ruhende Beine an.

Tully empfand leichte Verlegenheit. Er nahm die Füße herunter und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Setzen Sie sich, Deputy.«

Hapscomb hielt an seinem Tisch an, um sich ein Papiertaschentuch zu nehmen, dann ließ er sich auf den Stuhl fallen. »Ich wollte Sie nicht anstarren, Sir, aber mit den Füßen auf dem Tisch haben Sie mich sehr an Sheriff Lawson erinnert. Er sah Ihnen auch ähnlich.«

Tully nickte, und der Deputy putzte sich die Nase. Schließlich räusperte sich Tully. »Erzählen Sie mir was über sich, Tim.«

»Ich bin dreiundzwanzig und jetzt fast zwei Jahre dabei.« Ein Hustenanfall schüttelte ihn. »Verzeihung«, sagte er. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. »Es ist ’ne Sommererkältung.«

»Wie lange haben Sie heute Dienst?«

»Bis sechs Uhr in der Früh.«

»Sie sollten zu Hause im Bett liegen, Deputy.«

»Ich weiß, aber heute Abend ist nicht viel los.«

»Ich werde Ihre Schicht übernehmen.«

»Aber –«

»Was hab ich zu erwarten?«

»Sir, Sie sind offiziell noch nicht im Amt.«

Tully grinste. »Wollen Sie mich wegen Amtsanmaßung einbuchten?«

Hapscomb erwiderte sein Lächeln. »Nein, Sir.«

»Gibt es hier irgendwo einen Stadtplan?«

»Im Nebenraum hängt einer an der Wand, und in Ihren Schreibtischschubladen finden Sie bestimmt noch einen.«

Tully öffnete die oberste Schublade und entdeckte die Fotokopie eines handgezeichneten Stadtplans von Eternity – die Stadt auf der einen, das County auf der anderen Seite. »Das wird reichen.« Er hielt inne. »Ist hier nachts viel los?«

»Unter der Woche sind die Nächte ziemlich ruhig, es sei denn, die Ufos sind draußen.«

»Die was?«

»Ufos. Sie sind immer oben am Icehouse. Manchmal bauen die New Agers dann Unfälle, weil die alle da raufrasen.«

»Moment mal.« Tully hob beide Hände. »Heute Nachmittag hat mich ein möglicherweise seniler alter Kerl mit Geschichten über Bigfoots zugesülzt. Und jetzt erzählen Sie mir was über fliegende Untertassen? Was steht als Nächstes an? Spontane menschliche Selbstentzündung?«

»Es sind keine fliegenden Untertassen, Sir«, sagte Hapscomb beleidigt, »sondern nur unidentifizierte fliegende Objekte.« Er nieste und putzte sich die Nase. »Die New Agers halten sie für fliegende Untertassen. Ich weiß auch nicht, was sie sind.«

»Sie haben sie wirklich gesehen?«

»Alle haben sie gesehen.«

Himmel, steh mir bei. »Deputy ... Tim. Sind Sie ein Einheimischer?«

Hapscomb beäugte ihn, dann setzte er sich aufrecht hin. »Nein, Sir«, sagte er stolz. »Ich komme aus Bakersfield.«

»Wenn es Ihnen besser geht, möchte ich mit Ihnen über den Ort sprechen.«

»Klar.« Hapscomb putzte sich erneut die Nase. »Die Lebenslänglichen sind verdammt empfindlich, was manche Dinge angeht, es wäre deshalb am besten, wir sprechen darüber, wenn Ron und Al gerade nicht da sind.«

»Die beiden sind schon lange hier?«

»Al wurde hier geboren, und Ron war, wenn man ihn so reden hört, schon immer hier.« Hapscomb zögerte. »Wenn er überhaupt redet. Er redet nicht viel.«

»Soll ich das so verstehen, dass Sie nicht sonderlich gut mit ihm auskommen?«

»Ich wollte eigentlich nichts Besonderes damit sagen, Sir. Man schließt halt nur nicht so schnell Freundschaft mit ihm. Er ist nämlich der kommissarische Sheriff.«

»Ich weiß.«

»Als Deputy ist er gar nicht so übel. Tut mir leid – auch damit wollte ich nichts Besonderes sagen. Heute klingt alles falsch, was ich sage.«

»Schon in Ordnung, Deputy«, erwiderte Tully und warf einen Blick auf Settles’ makellos sauberen Tisch. »Ich glaube, ich versteh schon.«

»Er ist ein guter Cop«, sagte Hapscomb hustend.

»Das glaub ich gern. Gehen Sie jetzt nach Hause. Melden Sie sich morgen Nachmittag und lassen Sie mich wissen, ob Sie wieder arbeitsfähig sind.«

»Danke, Sheriff.« Hapscomb stand auf. »Ähm ... Sheriff Lawson hatte nie was dagegen, wenn wir mit den Streifenwagen nach Hause ...«

»Schon in Ordnung.«

»Danke.« Hapscomb gab Tully die Schüssel für das Gebäude, dann deutete er auf den Aktenschrank neben dem Schreibtisch. »Die Schlüssel zu Sheriff Lawsons ... ich meine zu Ihrem Wagen ... sind in der obersten Schublade. Seine Waffe auch. Munition ist in der Schublade darunter. Rufen Sie mich zu Hause an, wenn Sie heute Nacht noch irgendwas brauchen.« Er kritzelte seine Telefonnummer auf einen Zettel.

»Danke.« Tully folgte dem Deputy zur Haustür und schloss sie hinter ihm ab, dann kehrte er ins Büro zurück, lud Lawsons 38er und schaute sich den fotokopierten Stadtplan an. Für den Fall des Falles. Dann untersuchte er die Aktenschränke – in der Hoffnung, den Bericht über Frank Lawsons Tod zu finden.

Eternity - Stadt der Toten

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