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Amigo und Penny – Meine ersten Blindenführhunde

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Als ich die Ausbildung zum Blindenführhundtrainer begann, bekam ich zwei Hunde als Schüler. Einen schwarzen Großpudelrüden namens Amigo und eine schwarz-graue Schäferhündin namens Penny.

Amigo war ein sensibler Hund, der sehr schnell lernte. Er war von jeder neuen Übung begeistert und entwickelte sich zu einem eifrigen Schüler. Penny war ein ganz anderer Charakter. Sie war zwar ebenfalls sehr gelehrig, aber sie brauchte auch einen starken Rudelführer, der ihr immer mal wieder klar machte, wer der Chef ist. Durch Penny lernte ich sehr viel über Durchsetzungsvermögen und was ein Rudelchef so alles mitbringen muss, um einen Hund von seiner Führungsqualität zu überzeugen.

Nach den ersten zwei Monaten der Ausbildung erfolgte die erste von drei Qualitätsprüfungen der Hunde. In der ersten Prüfung mussten die Hunde zeigen, ob sie Sitz, Platz und Fuß, sowie das Herankommen verstanden hatten. Darüber hinaus mussten sie auf einem geraden Gehweg in der Stadt führen, die Richtungsänderungen nach rechts und links durchführen, eine Kehrtwendung machen, sowie eine Sitzgelegenheit auf entsprechendes Hörzeichen aufsuchen. Meine anfängliche Nervosität legte sich nach den ersten Übungen, denn es lief sehr gut. Ich bekam meine Gratulation zur ersten bestandenen Prüfung und war sehr stolz auf meine Hunde und mich.

Nach weiteren drei Monaten erfolgte die zweite Prüfung. Diesmal war ich noch aufgeregter, weil mein Ausbilder selbst mit meinen Hunden die Prüfung absolvierte und ich nicht dabei sein durfte. Nun würde sich zeigen, ob meine Blindenführhunde auch einer fast fremden Person das Gelernte zeigen würden oder nicht. Ich hielt die Spannung kaum aus, bis der Ausbilder nach zwei Stunden endlich wieder mit beiden Hunden erschien. Beide Hunde hatten, bis auf ein paar Kleinigkeiten, die bisher gelernte Führarbeit gezeigt und bestanden. Ich war überglücklich!

Es folgte der Endspurt der Ausbildung. In dieser Zeit trainierte ich ausschließlich in Großstädten wie Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden. Dabei mussten die Hunde alle vierzig Kommandos ausführen, die ein Blindenführhund insgesamt beherrschen sollte. Ich fuhr mit meinen Hunden Bus, U-Bahn, S-Bahn sowie Zug. Darüber hinaus mussten sie unbekannte Wege laufen und Nahziele wie Treppen, Türen, Aufzüge, Sitzgelegenheiten, Briefkästen, Schalter, Automaten, Ampeln und Zebrastreifen suchen. Bei diesem Training wurde zeitgleich der Blindenstock eingesetzt, damit sich beide daran gewöhnten. In dieser Trainingsphase wurden auch verschiedene Gänge von mir unter der Dunkelbrille vorgenommen, wobei ein zweiter Trainer immer hinterherlief. Dieser teilte mir in bestimmten Abständen meinen Standort mit, damit ich dem jeweiligen Hund das richtige Kommando geben konnte. Dieses Training forderte immer meine volle Konzentration, da ich mich auf meine verbliebenen Sinne verlassen musste. Auch meine Hunde mussten sich erst auf meinen nun etwas unsicheren Gang einstellen.

Nach nochmals zwei Monaten intensiven Trainings der Hunde wurde die Abschlussprüfung durchgeführt, in der mein Ausbilder alle Kommandos überprüfte, die die Hunde beherrschen sollten. Dazu gehörte auch die Überprüfung der intelligenten Gehorsamsverweigerung bei herannahendem Verkehr. Dabei wartet der Prüfer an einer Straße darauf, dass sich ein Fahrzeug annähert und gibt dann dem Führhund das Kommando zum Überqueren der Straße. Der Führhund muss dieses Kommando verweigern, indem er stehen bleibt.

Ich saß wie auf glühenden Kohlen und wartete gespannt auf die Rückkehr meines Ausbilders. Natürlich hatte ich in den zurückliegenden Monaten meine Führhunde kennen und schätzen gelernt. Ich kannte ihre Stärken und Schwächen und war sehr gespannt darauf, wie sie sich zeigen würden. Nachdem der Ausbilder nach immerhin vier Stunden aus der Stadt zurückkehrte und ich das Ergebnis ‚bestanden‘ schriftlich in den Händen hielt, war ich so stolz! Der Ausbilder hatte genau dieselben, mir bekannten Stärken und Schwächen meiner Schützlinge erkannt. Nun hatte ich noch einen Monat Zeit an den kleinen Schwächen zu arbeiten, um dann anschließend die Einschulungen mit den vorgesehenen Sehbehinderten zu beginnen. Beide Einschulungen liefen gut und Penny bestand ihre Gespannprüfung mit ‚sehr gut‘.

Bei einer Gespannprüfung begutachtet ein externer Prüfer, ob der Sehbehinderte mit seinem Blindenführhund zu Recht kommt und beide zusammen als Team verkehrssicher sind.

Amigo musste keine Gespannprüfung ablegen, da die Krankenkasse des Sehbehinderten darauf verzichtet hatte.

Beide Blindenführhunde haben ihren Dienst täglich mit viel Hingabe verrichtet und Penny würde heute noch arbeiten, wenn ihr Herrchen nicht aufgrund gesundheitlicher Probleme gezwungen gewesen wäre sie abzugeben. Wir haben Penny zu uns in die Führhundschule geholt, wo sie ihre Rente genießt. Von Amigo mussten wir leider im Jahr 2007 Abschied nehmen, da er viel zu jung, einem Krebsleiden erlag. Amigo und Penny sind und bleiben für mich ganz besondere Führhunde, da ich mit und durch sie die Faszination der Führhundausbildung kennengelernt habe. Die Leidenschaft mit der diese beiden Hunde ihre verantwortungsvolle Aufgabe erlernt und ausgeführt haben, hat mich an die weitere Ausübung dieses faszinierenden Berufes gefesselt. Was Hunde im Stande sind zu leisten habe ich in dieser Zeit erfahren. Wie oft werden sie doch von uns Menschen unterschätzt! Die Hilfe, die Blindenführhunde ihren sehbehinderten Besitzern leisten, ist für diese von unschätzbarem Wert und diese Wertschätzung spüren die Hunde. Als ich meine beiden Blindenführhunde und deren Besitzer nach einem halben Jahr besucht habe und sie beim Führgang begleiten durfte, war ich gerührt von der Teamarbeit, die sie leisteten. Wenn man das einmal sehen durfte wird man es nie mehr vergessen!

Nicht streicheln, ich arbeite

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