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SIEBTES KAPITEL
ОглавлениеDie ersten paar Wochen bei der Gewerkschaft waren für Bill Malloy durchaus erfolgreich gewesen. Über hundert Abfindungsfälle standen an, und er hatte zig Briefe an die betroffenen Arbeitgeber diktiert. Eine Woche später hakte er telefonisch nach. Die meisten Antworten waren nicht nur ablehnend, sondern regelrecht unverschämt, aber in etwa einem Dutzend aller Fälle hörte man ihm zu und vereinbarte eine Zusammenkunft, die dann zu einer Einigung führte. Die dabei erzielten Abfindungssummen übertrafen die Erwartungen der Gewerkschaft mindestens um das Doppelte.
Der Großteil der Empfänger war mit seinem Vorschlag einverstanden, wonach 25 Prozent der Gesamtsumme in einer Art Kriegskasse verbleiben sollten. Die nach einem Jahr fällige Ausschüttung summierte sich samt Zinsen auf sechs Prozent. Danach suchte er sechs Schadenersatzklagen gegen große Firmen heraus, bei denen seiner Ansicht nach gute Erfolgsaussichten bestanden. Er ging zu den zuständigen Bezirksgerichten und anschließend zu den Lokalzeitungen, die er mit näheren Einzelheiten bezüglich der Ansprüche sowie einem Protokoll versorgte, in dem die Ausflüchte der betroffenen Firmen chronologisch aufgelistet waren. All diese Firmen stellten Waren her, die in fast allen Haushalten benutzt wurden, und einige Ansprüche waren schon seit über zwei Jahren fällig. Bei vier dieser Verfahren ging es um Arbeitsunfälle mit Gabelstaplern, bei zweien um Unglücke mit Schmalspurlokomotiven auf dem Werksgelände. In allen Fällen waren die Verletzungen so schwer gewesen, daß die betroffenen Mitglieder nie wieder arbeiten konnten.
Seine Vorstöße wurden zwar nicht in den Schlagzeilen erwähnt, aber die Presse berichtete von den Ansprüchen, den ständigen Hinhaltemanövern und verwies in kurzen Kommentaren auf die gewaltigen Profite, die von den vier betroffenen Firmen gemacht wurden.
Die erste Besprechung, zu der man ihn bat, fand bei einer Firma mit einem allseits bekannten Namen statt, die Kocher und Kühlschränke herstellte.
In den prunkvollen Geschäftsräumen setzte er sich mit den Vertretern der Gegenpartei zusammen, einem bekannten Anwalt und dem Betriebsleiter des Unternehmens.
Als sie an dem großen Tisch Platz genommen hatten, ergriff der Anwalt das Wort.
»Mein Name ist Hancox, Mister Malloy. Meine Kanzlei sitzt an der Madison Avenue. Ich dachte, es wäre nur recht und billig, wenn wir uns hier im Büro meiner Mandanten zusammensetzen.«
»Ist mir recht, Mister Hancox. Freut mich, daß wir uns einmal persönlich begegnen. Bislang kenne ich Ihren Namen nur aus der Zeitung.«
»Wann haben Sie Ihr Jurastudium abgeschlossen, Mister Malloy?«
»Vor etwa sechs Monaten.«
»Und Sie arbeiten meines Wissen hauptberuflich für die Gewerkschaft.«
»Ja.«
»Nun zu der Forderung.« Er lächelte. Es war ein wissendes, ein verschwörerisches Lächeln, so als wolle er sagen, man sei ja unter Freunden. »Fünfzigtausend Dollar und eine Invalidenrente bis ans Lebensende.« Er schwieg einen Augenblick. »Worauf basiert dieser Anspruch?«
»Ich verfüge über Atteste vom Hausarzt der Familie und von Spezialisten, in denen bestätigt wird, daß der Mann nie wieder wird arbeiten können. Von seiten Ihres Mandanten ist man zwei Jahre lang nicht auf die Forderung eingegangen. Nicht einmal der Eingang der Briefe, die man Ihrem Mandanten geschrieben hat, wurde bestätigt. Laut Statistischem Landesamt beläuft sich die übliche Abfindungssumme in ähnlich gelagerten Fällen auf vierzigtausend Dollar. Die zusätzlichen zehntausend Dollar sind für den weiteren Schaden, der durch die fehlende Bereitschaft Ihres Mandanten zu einer gütlichen Einigung entstanden ist.«
Hancox nickte. »Ihnen ist natürlich bewußt, daß andere medizinische Sachverständige Ihre ärztlichen Expertisen anzweifeln könnten.«
»Darüber wird notfalls das Gericht befinden. Der Mann ist für immer an den Rollstuhl gefesselt.«
»Und die Invalidenrente? Wie errechnet sich die?«
»Der Mann hat viertausend Dollar im Jahr verdient, als er noch arbeitete. Jetzt bezieht er lediglich zehn Dollar pro Woche von der Gewerkschaft und fünf Dollar die Woche vom Sozialamt in Brooklyn. Ich meine, ihm stehen fünfundsiebzig Prozent seines Arbeitslohns zu.«
»Aha. Mir ist aufgefallen, daß in einer Lokalzeitung ein ziemlich ehrenrühriger Angriff auf meinen Mandanten veröffentlicht wurde. War das Ihr Werk?«
»Ich habe allen Lokalzeitungen die Fakten genannt. Keinerlei persönliche Ansichten. Nur die Tatsachen.«
»Ich glaube, ich sollte Sie warnen. Wir werden rechtliche Schritte gegen die betroffene Zeitung einleiten.«
»Das wird vor Gericht einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen, Mister Hancox. Man wird darin einen Versuch sehen, die Tatsachen zu unterdrücken. Man könnte es sogar als Drohung betrachten.«
»Aber Sie sind doch damit einverstanden, daß unser heutiges Gespräch vertraulich bleibt?«
»Kommt nicht in Frage. Sie haben sich das nicht ausbedungen, und soweit es mich angeht, ist das hier auch nicht möglich.«
»Ist das Ihr erster Abfindungsfall, Mister Malloy?«
»Nein. Aber der erste, bei dem ich mich an ein Gericht wenden mußte.«
»Und die anderen?« Er lächelte. »Haben die einfach klein beigegeben?«
»Nein. Wir haben die Fakten vorgelegt, und sie haben eingesehen, daß sie dafür geradestehen müssen.«
»Ihnen ist doch sicher klar, daß die Kosten eines solchen Rechtsstreites sehr hoch sein können. Vor allem für die unterlegene Seite.«
Malloy lächelte. »Die Gewerkschaft hat eine Kasse für Rechtsstreitigkeiten eingerichtet. Wir sind durchaus in der Lage, diese Kosten zu begleichen.«
»Ich vermute, Sie messen einem Sieg in dieser Sache große Bedeutung bei, damit Sie bei Ihren Ansprüchen gegenüber größeren Unternehmen auf diesen Präzedenzfall verweisen können.«
»Da haben Sie vollkommen recht.«
»Weshalb haben Sie meinen Mandanten ausgesucht?«
»Es gibt fünf weitere Kandidaten in der gleichen Größenordnung wie Ihr Mandant, deshalb habe ich mir alle genauestens vorgenommen. Außerdem habe ich einen Spezialisten für Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer zu Rate gezogen. Eine Klage gegen Ihren Mandanten kam mir vielversprechend vor. Zumal man nicht einfach darüber hinwegsehen wird, wie lange man von Ihrer Seite aus nicht auf die Forderung einging.«
»Und wenn Sie verlieren?«
»Dann gehen wir in die Berufung. Aber wir werden nicht verlieren, Mister Hancox. Das wissen Sie genausogut wie ich.«
»Und wenn Sie gewinnen? Was machen Sie danach?«
Malloy zögerte einen Augenblick, dann lächelte er. »Ich ziehe wahrscheinlich los und lasse mich vollaufen.«
Hancox lächelte ebenfalls, wenn auch etwas verkrampft. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, im Sekretariat eine Tasse Kaffee zu trinken, während ich die Sache mit meinem Mandanten bespreche?«
»Keineswegs.«
Malloy wartete im Sekretariat. Er war sich seiner Sache sicher. Man würde ihm ein Angebot unterbreiten, das wiederum als Grundlage für weitere Verhandlungen dienen konnte. Offensichtlich hatte man vorgehabt, ihm mit einem Anwalt wie Hancox einen Schreck einzujagen, statt dessen hatte man ihm geholfen. Hancox war dafür bekannt, daß er seine Hausaufgaben machte, und Malloy hatte alles getan, damit der Fall hieb- und stichfest war. Hancox würde erkennen, daß der Anspruch berechtigt war, während ein Hausjurist an seine Anweisungen gebunden wäre und die Sache bis zum bitteren Ende durchfechten müßte. Hancox hatte nicht mehr bestritten, daß eine Fahrlässigkeit von seiten des Arbeitgebers vorlag, denn ein Sicherheitsinspektor der gleichen Firma, so hatte Malloy herausgefunden, hatte schon zuvor darauf hingewiesen, daß die Gabelstapler aufgrund mangelhafter Wartung eine Gefahr darstellten. Folglich ging es jetzt nur mehr darum, den entstandenen Schaden festzulegen. Damit stand nur mehr das Quantum zur Debatte, die Höhe der Abfindung.
Hancox war allein, als man ihn wieder ins Büro rief. Die Mappe mit den Unterlagen war geschlossen und beiseite geschoben worden.
»Setzen Sie sich, Mister Malloy.« Malloy hatte kaum Platz genommen, als Hancox sagte: »Ich fürchte, ich muß Sie enttäuschen, Mister Malloy.«
Hancox wartete offensichtlich auf eine Erwiderung, doch Malloy schwieg.
»Ich habe den Eindruck, daß junge, frischgebackene Juristen immer auf eine heiße gerichtliche Auseinandersetzung aus sind.« Er hielt inne und schaute Malloy an. »Mein Mandant hat diese Forderungen sehr sorgfältig geprüft. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, gibt es gewisse Punkte, die wir anfechten könnten. Mein Mandant ist jedoch bereit, Ihren Forderungen zuzustimmen.« Er überreichte ihm ein mit Maschine geschriebenes Blatt Papier. »Das ist eine Einverständniserklärung. Ein Scheck über die von Ihnen vorgeschlagene Entschädigungssumme wird gerade ausgestellt. Die Vereinbarungen bezüglich der Invalidenrente sind in dieser Vereinbarung aufgeführt.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Darf ich vorschlagen, daß Sie den guten Willen meines Mandanten anerkennen könnten, indem Sie dafür sorgen, daß die gütliche Beilegung dieses Falles in den nämlichen Zeitungen erwähnt wird. Ich meine, das wäre nur fair, Sie nicht?«
»Ich werde dafür sorgen, Mister Hancox. Und ich möchte noch weitergehen, vorausgesetzt, Ihr Mandant ist einverstanden.«
»Schießen Sie los.«
»Ich bin mir sicher, daß die Presse gern Fotos davon hätte, wie der ehemalige Mitarbeiter vom, sagen wir mal, stellvertretenden Firmenchef einen Scheck überreicht bekommt.«
Hancox lächelte. »Und Sie können dann eventuellen anderen Gegnern einen schönen Abzug von dem Ereignis schicken.«
»Es könnte nützlich sein, Sir.«
»Ich muß erst sehen, was mein Mandant dazu sagt. Ich werde mich in den nächsten zwei Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen.«
Zwei Tage später erhielt Malloy einen Anruf von Hancox.
»Tut mir leid, Mister Malloy, aber mein Mandant ist nicht damit einverstanden, daß der Scheck in aller Öffentlichkeit ausgehändigt wird – ich muß gestehen, daß ich ihm davon abgeraten habe. Nicht aus juristischen Gründen, sondern weil ich es für geschmacklos halte. Schließlich haben wir es mit einem Mann zu tun, der nie mehr arbeitsfähig sein wird.«
»Im nachhinein glaube ich, daß Sie recht haben, Sir. War nicht gerade eine gute Idee meinerseits.«
»Sie hatten sicherlich die besten Absichten. Jedenfalls bin ich froh, daß die Sache gütlich beigelegt wurde.« Er schwieg einen Augenblick. »Ich würde mich übrigens über Ihren Anruf freuen, falls Sie einmal Lust haben sollten, Ihre Fähigkeiten auch über die gewerkschaftliche Arbeit hinaus zu erproben – und das ist nicht nur so dahergesagt. Ich meine es ernst.«
»Danke. Ich werd’s mir merken.«