Читать книгу connect - Thea Mengeler - Страница 13

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Schon seit zwei Stunden klickt Ava sich durch die immer gleichen Seiten. Nichts zu tun heute. Das sollte sie genießen, kommt selten genug vor. Ungewöhnlich ruhig ist es im Büro. Liz ist bei ihrem monatlichen Social-Media-Workshop und Mel schreibt Funkspots. Nur gelegentlich ist ein leises Murmeln zu hören, wenn Mel testet, ob die Spots in zwanzig Sekunden passen.

Ava könnte über Goldideen nachdenken, die braucht man immer. Aber ihr Kopf ist träge, nicht in der Verfassung, sich Ideen auszudenken, die Awards gewinnen. Außerdem hat sie genug gearbeitet in den letzten Tagen, den letzten Wochen, um auch mal nichts tun zu dürfen.

Und wie als Reaktion auf diesen Gedanken öffnet sich die Tür und – panisch wie immer – steckt Krissi den Kopf zur Tür herein. »Ava, könntest du kurzfristig auf nem Job aushelfen? Mir fehlt dringend ein Art Director.«

»Sorry«, Ava setzt ihr zerknirschtes Gesicht auf, »bin bis obenhin dicht«, schaut zurück auf ihren Bildschirm und klickt auf einen Artikel über eine Frau, die mit ihrem Igel durch die Welt reist.

»Jaja, bis obenhin dicht«, sagt Mel, sobald die Tür ins Schloss gefallen ist. Ava zuckt die Schultern. »Die braucht doch immer ganz dringend irgendwas. Nicht mein Problem, wenn die dem Kunden gegenüber nie nein sagen kann. Muss sie eben auf die Fresse fliegen, vielleicht lernt sie es dann mal.« Mel lacht und wendet sich wieder ihren Funkspots zu.

Avas Hände liegen unentschieden auf der Tastatur. Was könnte sie lesen, sich anschauen? Die News hat sie schon durch und auch die Blogs, denen sie folgt. Sie könnte Serien schauen, aber das geht ihr dann irgendwie doch zu weit. Einige Minuten starrt sie nur auf den Bildschirm, tippt schließlich »connect« in das Suchfeld ihres Browsers. Mehr Ergebnisse, als sie erwartet hat. Einige Zeitungsartikel, Blogeinträge und eine Website. Ava fängt mit den Zeitungsartikeln an.

Eine Journalistin berichtet begeistert von ihrem ersten connect-Workshop. »Eine Mischung aus Achtsamkeits-Training, Yoga und Kontaktimprovisation«, »völlig neue Körpererfahrung« , »lässt einen wünschen, dass jeder diese Erfahrung einmal machen darf«, »bestimmt nicht mein letzter Workshop«.

Ava klickt weiter. Ein verschwörungstheoretischer Artikel, der behauptet, connect sei nur ein schlecht verschleierter Versuch, den Kommunismus durch die Hintertür einzuführen.

Klick. Einige kurze Meldungen darüber, dass connect einen schon lange leerstehenden Hangar kaufen will, dass der Kauf stattgefunden hat, dass die Umbauarbeiten gut vorangehen, dass connect das Gebäude bei der Einweihung für alle Interessierten öffnet.

Unter einigen dieser Meldungen finden sich die unvermeidlichen Kommentare von Leuten, die »Sekte« brüllen und sich plötzlich brennend für das Gelände interessieren, das vorher jahrelang niemanden gekümmert hat, weil es zu weit außerhalb der Stadt liegt.

Ava klickt sich weiter zu Blog-Einträgen von Leuten, die connect ausprobiert haben und über ihre Erfahrungen berichten. »Völlig neues Erlebnis«, »unglaubliche Atmosphäre im Hangar«, »ganz nett, aber eigentlich nur Altbekanntes neu verpackt«, »wusste gar nicht, welche große Distanz ich normalerweise um mich aufbaue«, »magische Atmosphäre«, »befreiend«, »connected hat da bei mir nix«, »wem’s gefällt«, »eine Oase der Liebe und des gegenseitigen Verständnisses«.

»Was verziehst du denn so dein Gesicht?«

Ava zuckt fast zusammen, als Mel sie plötzlich anspricht. »Hab ich das?«

»Oh ja! Fast so, wie wenn Jan uns einen seiner Vorträge hält. Du hast dein Gesicht echt nicht unter Kontrolle.«

»Hab ich wohl wirklich nicht«, lacht Ava und schließt den Blog der Eso-Frau mit den Dreadlocks, die von authentischen Erfahrungen und spirituellen Verbindungen schwärmt.

Mel steht auf und streckt ihren langen Körper Richtung Decke. »Soll ich dir einen Kaffee mitbringen?« Ava schüttelt den Kopf, wartet bis die Tür hinter Mel ins Schloss gefallen ist, öffnet die connect-Website.

Nach spiritueller Selbsterfahrung immerhin sieht hier nichts aus. Vor allem Bilder sind zu sehen. Junge Menschen, schöne Menschen, die Übungen machen, zusammen im Gras sitzen, mit Farbe beschmiert vor einer frisch gestrichenen Wand posieren, Beete umgraben und Möbel vom Sperrmüll aufarbeiten. Ava klickt auf das Bild eines Magazinartikels.

Ein Porträt nimmt den größten Teil einer der beiden abfotografierten Seiten ein: Ein Mann, vielleicht Mitte dreißig, mit kurzgeschorenem Haar und einem Blick, der aus dem Bild herauszuspringen scheint. Das Bild ist Schwarz-Weiß, doch Ava ist fast sicher, dass die Augen in Wirklichkeit von einem blassen Blau sind, das in krassem Kontrast zu dem dunklen Haar steht.

Sie reißt sich von dem Bild los und liest.

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