Читать книгу connect - Thea Mengeler - Страница 18
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ОглавлениеSchon wieder Sonntag. Schon wieder ein Tag auf der Couch. Vielleicht sollte sie rausgehen. Raus, aber wohin? Was ist los in der Stadt? Ava scrollt sich durch mehrere Seiten, findet nichts, worauf sie Lust hat. Vielleicht könnte sie mal wieder zeichnen. Zeichnen, aber was? Als sie ein Moodboard voll Inspiration gesammelt hat, hat sie schon die Lust verloren. Sie öffnet eine News-Website, schließt sie gleich wieder. Sitzt auf der Couch und starrt auf das leere Browser-Fenster. Mit plötzlicher Heftigkeit klappt sie den Laptop zu. Sie wird doch wohl noch in der Lage sein, irgendetwas zu machen, wofür sie nicht online sein muss. Sie tigert durch ihre Wohnung. Kochen? Aber sie hat auf nichts Appetit. Lesen? Warum nicht.
Sie kommt nur ein paar Seiten weit, bevor ihr Handy unter einer Nachricht vibriert. Ihre Mutter. »Geht es dir gut Schatz? Ruf doch mal …« Ava öffnet die Nachricht nicht. Irgendwann spät am Abend wird sie antworten, dass sie die Nachricht erst zu spät gesehen hat. Den ganzen Tag unterwegs gewesen. Vielleicht nächstes Wochenende.
Statt der Nachricht öffnet Ava ganz automatisch eine ihrer Apps. Ihr Feed lädt die neusten Bilder. Kann sie wirklich keine halbe Stunde von dem Scheiß wegbleiben? Ava wirft das Handy weg, greift aber gleich wieder danach, löscht eine App nach der anderen, bis nichts mehr übrig ist als ihr Messenger. Dann stellt sie das Handy auf lautlos, liest weiter bis sie irgendwann Hunger hat. Sie widersteht dem Drang, etwas zu bestellen, widersteht auch dem Drang, online nach Rezepten zu suchen, zieht wahllos Dinge aus ihren Schränken und improvisiert etwas, was am Ende nicht einmal schlecht schmeckt. Auch den Rest des Tages verbringt sie lesend, schafft das erste Mal seit Jahren wieder ein Buch an einem Tag und schläft irgendwann spätnachts über dem zweiten ein.
Die ersten Tage fallen nicht leicht. Besonders bei der Arbeit ertappt sie sich selbst immer wieder dabei, wie sie nach dem Handy greift, um eine App zu öffnen, die nicht mehr da ist, wie sie Browserfenster öffnet, nur um sie gleich wieder zu schließen. Am Freitag spricht sie mit Luca darüber. »Das ist normal. Das hört auf«, meint Luca. Die erste Woche sei die schlimmste, sagt Luca, und tatsächlich merkt Ava bald, wie der Drang weniger, wie sie selbst ruhiger wird. Als sie an einem verregneten Tag mit der S-Bahn zur Arbeit fährt, hat sie das Gefühl, die Strecke zum ersten Mal zu fahren. Um sie herum sind fast alle Köpfe Richtung Handy gesenkt.
Ein junger Mann ihr gegenüber tippt eine Nachricht in ein Übersetzungsprogramm und überträgt den Text sorgfältig auf einen linierten Collegeblock. »Leider kann ich nicht zum Unterricht kommen, weil es ein Currywurst-Essen gibt und es für meine geistige Gesundheit schön wäre, daran teilzunehmen.«
Ava ist nicht sicher, ob nur das Übersetzungsprogramm für diese Formulierung verantwortlich ist. Aber es wäre doch schön, denkt sie, wenn man mehr für die eigene geistige Gesundheit tun würde. Und wenn auch nur mit einem Currywurst-Essen.
Ava beobachtet immer mehr solcher kleinen Szenen, die ihr früher entgangen wären, versteckt hinter dem Display ihres eigenen Handys. Sie stellt sogar fest, dass die Arbeit ihr leichter fällt, dass sie die Jobs schneller abschließt, dass ihr auf dem Fahrrad oder in der Bahn Ideen kommen. Fast wie in den ersten Jahren, als sie so viel Bock auf den Job hatte, dass sie auch in ihrer Freizeit ständig über Goldideen nachdachte.
Zuhause schaltet sie ihren Router ganz ab, verbringt ihre Abende lesend, kochend, zeichnend, und gewöhnt sich wieder an das Gefühl der Langeweile. Die Nachrichten verfolgt sie nicht mehr und auch das empfindet sie als Befreiung, auch wenn Mel manchmal über ihre Ignoranz den Kopf schüttelt. »Du musst doch mitkriegen, was passiert. Nur wer informiert ist, kann etwas ändern.« Ava widerspricht ihr nicht. Von da an informiert Mel sie, wenn etwas vermeintlich Wichtiges passiert.