Читать книгу connect - Thea Mengeler - Страница 19
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Оглавление»Ich will mal wieder was für mich machen. Ein eigenes Projekt. Etwas, das nichts mit Werbung zu tun hat«, sagt Ava spät am Abend im Garten der Halle.
Die anderen nicken. »Worauf hättest du denn Lust?«, fragt Paul, doch Ava weiß keine Antwort. »Ist ja auch schwierig neben der Arbeit.«
Paul unterbricht sie: »Jetzt nicht wieder gleich alles zurücknehmen. Was hast du denn früher gerne gemacht?«
Ava überlegt. »Fotografiert habe ich immer ganz gerne.«
»Gut!«, Paul strahlt, als hätte Ava gar nichts Besseres sagen können. »Dann fotografier doch mal wieder.«
Ava lacht. »Das klingt so einfach, aber ich muss mir erst mal ein Konzept überlegen und dann ein Shooting organisieren. Ich will ja nicht einfach nur ein bisschen rumknipsen.«
»Wieso nicht?« Paul winkt ab, als Ava gleich widersprechen will. »Ja, ich weiß, ich hab keine Ahnung davon. Aber was hält dich denn davon ab, einfach mal deine Kamera rauszunehmen und zu fotografieren? Ist doch völlig egal, was. Du kannst zum Beispiel hier fotografieren. Luca hat bestimmt nichts dagegen.«
»Ey, das ist ne super Idee«, mischt sich jetzt auch Lina ein. »Mach hier Fotos!«
»Ich weiß nicht«, Ava wünschte, sie hätte gar nicht erst mit dem Thema angefangen. »Ich glaube, Sportfotos sind nicht so mein Ding.« Aber Lina widerspricht. »Wer sagt denn was von Sportfotos? Du kannst doch auch irgendwas Abstraktes machen. Oder Porträts. Gesichter gibt’s hier schließlich genug.«
Ava ist froh, als sich das Gespräch schließlich von ihr wegbewegt, als es nicht mehr um ihre, sondern um die Leidenschaften und Träume der anderen geht, die irgendwo zwischen Studium und Arbeit verloren gegangen sind und von denen man nicht immer merkt, wie sehr man sie vermisst.
Beinahe hat sie die ganze Foto-Diskussion schon vergessen, als Luca sie beim Verlassen der Halle abfängt.
»Ava, ich habe von Paul gehört, dass du gerne mal bei uns fotografieren möchtest?«
Ava ist so überrumpelt, dass sie nicht gleich widerspricht, sondern nur ein unverständliches Murmeln von sich gibt, was so ziemlich alles bedeuten könnte.
Luca strahlt. »Ich finde die Idee großartig. Bring doch einfach beim nächsten Mal deine Kamera mit. Und keine Angst«, fügt sie noch hinzu, als sie Avas Miene sieht. »Wir erwarten nicht, dass du irgendwelche Werbefotos für uns produzierst. Du kannst machen, worauf auch immer du Lust hast.« Bevor Ava noch widersprechen kann, hat Luca sie schon leicht an der Schulter berührt und ist wieder in den Garten hinaus verschwunden.
Am nächsten Freitag spielt Ava morgens kurz mit dem Gedanken, die Kamera einfach zu vergessen. Dann ist es ihr eben erst bei der Arbeit eingefallen, dass sie eigentlich fotografieren wollte. Kann man nichts machen, kommt vor. Aber sie lügt nicht gut und eigentlich hat sie auch keinen wirklichen Grund, die Kamera nicht mitzunehmen. Abgesehen von diesem diffusen Gefühl des Nicht-Wollens, das bei ihr meist weniger mit echtem Unwillen, als mit Angst zu tun hat.
Aber was ist schon dabei? Sie wird ein paar Fotos machen und wenn sie nichts werden, muss sie die Bilder ja niemandem zeigen. Aber damit, das weiß sie selbst, hat ihre Angst nichts zu tun. Es geht nicht darum, sich vor anderen zu blamieren. Es geht darum, sich vor sich selbst zu blamieren. Wenn sie Bilder macht, das weiß sie, sollen sie mehr sein als bloßes Geknipse. Dass ihr das nicht gelingen könnte, ist ihre eigentliche Sorge. Trotzdem nimmt sie die Kamera mit, als sie die Wohnung Richtung Arbeit verlässt. Sie muss sie ja nicht benutzen, sagt sie sich. Wenn sie wirklich nicht will, kann sie noch immer behaupten, sie hätte sie vergessen.
Dass sie es nicht tut, liegt an Lina. Es ist Zufall, dass sie im gleichen Moment an der Halle ankommen. Ava schließt gerade ihr Fahrrad ab, als sie eine Hand auf der Schulter spürt. Lina umarmt sie ein wenig stürmischer als sonst, fast aufgeregt. »Du machst Fotos heute, oder?«, fragt Lina mit einem Blick auf Avas Tasche. Und in dem Blick liegt eine so offensichtliche Freude, dass es Ava rührt.
Mehr um Lina nicht zu enttäuschen als aus eigenem Antrieb, setzt sie sich nicht mit den anderen hin, als die Körperarbeit beginnt, sondern zieht die Kamera aus der Tasche, bleibt unschlüssig am Rand der Halle stehen.
Würde sie die Konzentration der anderen nicht stören, wenn sie jetzt fotografiert? Vielleicht sollte sie besser warten, bis das Klacken der Kamera überlagert würde von den schwerer gehenden Atemzügen.
Ihr Blick wandert über die ruhig dasitzenden Körper und bleibt an Luca hängen, die ihren Blick erwidert und mit einem halben Lächeln und einem kaum wahrnehmbaren Neigen des Kopfes Ava auffordert, anzufangen.
Ava hebt die Kamera und durch den Sucher scheinen die Gesichter ein Stück von ihr weg zu rücken, lösen sich auf in grafische Formen aus Licht und Schatten.
Sie drückt den Auslöser das erste Mal. Klack. Der Spiegel schlägt zurück.
Das Geräusch scheint ihr zu scharf und metallisch für die Stille des Raums, doch die Gesichter im Sucher bleiben ruhig, entspannt. Also schweift Avas Blick weiter durch den Raum, sucht nach Formen, nach Farben, lässt den Spiegel wieder und wieder klackend zurückschlagen.
Als die anderen beginnen, sich zu bewegen, bewegt sie sich mit, lässt die Belichtungszeiten länger werden, löst Formen in Bewegung auf, bewegt sich selbst immer näher an die Körper heran, dann zwischen ihnen hindurch, lässt Körperteile sich in mehreren Ebenen überlagern, übereinander wischen, bis sie keine Körperteile mehr sind, sondern bloße sich vermischende, sich streifende Bewegung.
Als die Übungen vorbei sind, atmet auch sie schwer, spürt das Gewicht der Kamera in den Schultern, spürt die vertraute Anspannung im Nacken.
Während der Meditation sitzt sie aufrecht mitten zwischen den liegenden Körpern und fühlt sich viel mehr mit ihnen verbunden als jemals zuvor. Eine Euphorie steigt in ihr auf, und als endlich wieder die Musik einsetzt, bewegt sie sich mit den anderen, tanzt und schaut nicht mehr durch den Sucher, während sie wieder und wieder den Auslöser drückt. Im Rhythmus der immer schneller werdenden Beats.
Als der letzte Ton verklungen ist, richtet sie, schwer atmend, die Kamera auf sich selbst. Löst ein letztes Mal aus.