Читать книгу Liebesbrief an Unbekannt - Thomas Brezina - Страница 12
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ОглавлениеEmma ließ die Worte einsickern. »Wie lange kann das dauern?«
»Von fünf Sekunden bis zu fünf Jahren.«
»Die fünf Sekunden hören sich gut an, die fünf Jahre weniger. Bis dahin bin ich alt und grau.«
»Wie alt bist du jetzt?«
»29.«
»Aha, und mit 34 bist du alt und grau.«
»Du weißt, wie ich das meine.«
»Die fünf Sekunden sind schon allein deshalb zu kurz für dich, weil du einen Mann brauchst. Weil du ihn dir so wünschst.« Patricia schlug auf die Tischplatte. Die vielen kleinen Glücksbringer aus aller Welt hüpften in die Höhe. »Das ist die beste Art, den wirklich richtigen Mann von dir fernzuhalten. Du würdest ihn nämlich erdrücken, wie eine Boa constrictor ihre Beute.«
»Patricia, es ist überhaupt nicht so…«
Emma traf ein langer, ruhiger Blick aus den geschminkten Augen. Patricia legte den Kopf leicht zur Seite und schwieg einfach nur. Nach ein paar Atemzügen stammelte Emma herum, schluckte und wurde verlegen. Weil sie den Blick nicht aushielt, sah sie im Raum herum: Es war ein geräumiges Wohnzimmer, in dem auf allen geraden Flächen hohe Stapel von Büchern lagen.
Ganz oben auf den beiden höchsten Stapeln thronten die Katzen Isis und Osiris. Sie war eine schwarz-weiß-rote Glückskatze, er ein pechschwarzer Kater mit weißen Pfoten und einem weißen Schwanz. Mit seinen smaragdgrünen Augen sah er auf Emma herab. Als sich ihre Blicke trafen, glaubte sie eine Stimme in ihrem Kopf zu hören.
»Kannst du das alles endlich kapieren, du dumme Nuss?«
Natürlich war es nicht der Kater, der das gesagt hatte. Oder doch?
Sanft tippte Patricia mit den Fingerspitzen auf Emmas Handrücken. »Du tust einfach genau, was ich dir sage, und wenn der Zweifel sich meldet, dann sagst du ihm einfach…«, Patricia schrie die nächsten Worte so laut, dass die beide Katzen herabsprangen und sich unter dem Sofa verkrochen: »Halt die Klappe!!!«
Mittlerweile wusste Emma, dass Patricias zweiter Vorname Sturheit war. Es war sinnlos, ihr zu widersprechen. Vielleicht kam das von ihrem Beruf, in dem sie Leuten ihre Zukunft vorhersagte. Sie musste es auf eine Weise tun, die die Leute überzeugte, und deshalb hatte sie sich angewöhnt, so eindringlich zu reden.
»Ich mache es.«
»Gutes Mädchen«, lobte Patricia und lächelte.
»Aber was tue ich mit den Briefen?«
»Was immer du gerne willst. Manche lesen sie laut dem Universum vor. Andere Leute versperren sie in einer Lade. Andere schreiben sie in ihr Tagebuch. Andere tippen sie auf dem iPad. Andere verbrennen sie. Hauptsache, du hast beim Schreiben deine Frequenz gefunkt.«
Emma wusste, dass sie sich albern fühlen würde, wenn sie die Briefe später las. Vor allem, wenn kein Traummann aufgetaucht war und die ganze Aktion umsonst.
»Stopp!«, rief Patricia. Emma fuhr zusammen. »Du zweifelst schon wieder.«
»Wieso weißt du das?«
»Liebste, mein Beruf ist Hellsehen und ein wenig Gedankenlesen. Außerdem steht dir alles mehr oder minder auf die Stirn geschrieben. Mit Leuchtbuchstaben.«
Verlegen grinsend atmete Emma tief durch.
»Hast du diesen Rat schon anderen gegeben? Das mit den Liebesbriefen an Unbekannt?«
»Vielen.«
»Und?«
Patricia überlegte und zählte mit den Fingern. »Trefferquote hängt immer davon ab, wie ernsthaft Leute die Briefe schreiben und wie sehr sie daran glauben, den richtigen Partner oder die Partnerin dadurch ins Leben zu ziehen. Bisher habe ich damit mehr als dreißig Beziehungen gestiftet. Neun davon sind verheiratet, fünf sind verpartnert, und nur eine Beziehung ist wieder in die Brüche gegangen. Kein schlechter Schnitt, finde ich.«
»Bei mir ist auch ein Mann aufgetaucht. Sonntagabend.«
»Erzähl!« Patricia deutete Emma, kurz zu warten, und holte schnell den Weißwein und zwei Gläser. Sie schenkte ihnen ein und sie prosteten sich zu.
Emma berichtete vom Spaziergang zum Strand und der Begegnung mit Eric.
»Ist er der Richtige? Was meinst du? Habe ich ihn angezogen?«
Wieder sah sie Patricia nur schweigend an.
»Sag etwas, bitte. Ich halte deinen Blick nicht aus«, flehte Emma.
»Cheers.« Patricia hielt das Glas in ihre Richtung, um erneut anzustoßen. Mehr war aus ihr an diesem Abend zum Thema Eric nicht herauszubekommen. Dafür wurde Quiche mit Tomaten und Karotten, dazu Fenchelsalat mit Orangenfilets serviert.