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Das ovale Holzschild an der Tür sagte: »Bitte Geduld und Vorfreude«.

Patricias Arbeitsplatz am Pier, weit draußen auf dem Steg, war ein hölzerner Planwagen. Drei Stufen führten hinauf zur Tür. Daneben war ein Schild angebracht, das Patricias Auftritte im TV beschrieb sowie einige Wahrsagungen, die sich als richtig erwiesen hatten.

Die Wagen der Achterbahn donnerten in der Nähe über die Schienen, ein paar junge Leute kreischten, als sie in einem Kanu einen Wasserfall hinunterrasten und nass wurden. Emma lief vor dem Wagen auf und ab, verließ den Platz aber nicht, damit sich niemand vordrängte.

Sie wartete und wartete. Nach 45 Minuten warf sie die Arme in die Luft. Wer war da bei Patricia drinnen, und was sagte sie ihm? Normalerweise waren ihre Termine doch im 15- oder 30-Minuten-Takt. Allerdings war jetzt auch Vorsaison, und vielleicht nahm sie sich da mehr Zeit.

Eine Stunde war vorbei, aber aus dem Wohnwagen war noch immer kein Lebenszeichen gedrungen.

»Hey, Emma!« Patricia war hinter Emma aufgetaucht, eine große Tüte Fish&Chips in der Hand. »Willst du?«

»Nein.«

»Was tust du hier? Lust auf Achterbahn?«

»Ich suche dich. Wieso sagst du, dass du jemanden drinnen hast, wenn es nicht stimmt?«

Patricia betrachtete das Schild. »Bitte Geduld und Vorfreude. Stimmt doch. Es sagt nicht, dass ich eine Kundin oder einen Kunden habe. Auch eine Wahrsagerin braucht Pausen.«

Emma machte eine wegwerfende Handbewegung, um zu zeigen, dass das jetzt egal war. »Ich weiß, von wem der Brief ist«, platzte sie heraus.

Patricia wollte sich gerade ein Stück gebackenen Fisch in den Mund schieben, ließ ihn nun aber wieder zurück in die Tüte sinken. »Ich höre.«

»Am Montag hätte ich beinahe wieder die Müllabfuhr verpasst. Ich bin im Bademantel hinaus, habe ihnen meine Müllsäcke gegeben und den Papierkorb mit den Fehlversuchen mitgenommen.«

»Du meinst Briefe, die dir nicht gefallen haben?«

»Ja. Mindestens…«, Emma ruderte mit den Armen in der Luft, »mindestens fünfzig zerknüllte Blätter. Ein paar sind runtergefallen, und der Wind hat sie fortgeweht. Aber dann kam ein Mann, dem ich Bier über den Pullover geleert habe, und er hat mir beim Aufheben geholfen.«

»Du meinst, er hat einen Brief gelesen?«

»Möglich. Er hat einen Hund.«

»Du hast ihn also in Bier gebadet, und er hat einen Hund. Sonst noch was? Woher kennst du ihn?«

Emma erzählte von dem Unfall im Fitzherbert. Patricia schloss die Tür zu ihrem Wagen auf und musste den Kopf einziehen, als sie eintrat. Emma folgte ihr.

Der Wagen war innen mit dunkelblauem Samt ausgeschlagen, es gab an der Hinterwand einen kleinen Tisch und einen Stuhl mit schmaler hoher Lehne für Patricia, für den Kunden einen bequemen Sessel davor.

»Ist es im Sommer hier nicht sehr heiß?«, wollte Emma wissen.

»Darling, ich habe eine Klimaanlage. Ich bin Wahrsagerin, aber nicht von vorgestern. Ich habe auch eine Heizung und…« Patricia lüftete den Stoff an der Wand, und dahinter kam eines dieser Zahlgeräte zum Vorschein, in das man Kreditkarten steckte, »ich bin gut ausgestattet.«

»Aha. Wahrsagung mit Kreditkarte bezahlen.« Emma fand es reichlich unromantisch, aber praktisch.

»Zurück zu deinem Traummann. Wie gefällt er dir?«

»Er sieht gut aus. Ich meine, er ist kein Model oder so, aber das muss ein Traummann auch nicht sein. Er war freundlich, als ich seinen Pullover durchnässt habe, und er riecht so gut. Aber er raucht.«

»Hast du ihn rauchen gesehen?«

»Nein, aber der Umschlag riecht nach den Fingern eines Rauchers.«

»Das ist ein dicker Minuspunkt.«

»Ist es. Sein Parfüm mag ich dafür sehr.«

Patricia hatte auf ihrem Stuhl Platz genommen und tippte die Fingerspitzen aneinander.

»Interessanter Weg, wie der Brief zu einem Mann führt, der für dich besonders sein kann.«

»Ist er mein Traummann?«

Wieder einmal schwieg Patricia auf diese Art, die Emma einfach wahnsinnig machte.

»Passt der Brief zu deinem Bier-Pullover-Anwalt?«, fragte sie schließlich.

Ratlos zuckte Emma mit der Schulter. Sie konnte es nicht abschätzen. »Da war eine Frau im Pub. Sie hat sich beschwert, dass er nicht in die Vorstellung gekommen ist.«

»Eine Schauspielerin?« Patricia nahm ihr Smartphone und googelte. »Im Theater Brighton läuft derzeit ein Krimi.« Sie überflog den Inhalt und studierte die Fotos der Schauspieler. »War sie das hier?« Sie zeigte Emma das Bild einer Frau mit schulterlangen dunklen Haaren.

»Ja, das war sie.«

»Nur eine Freundin. Da kann ich dich beruhigen.«

»Bist du sicher?«

Patricia nickte, gab aber keine weitere Erklärung ab, wieso sie das zu wissen glaubte.

»Soll ich… soll ich ihn suchen? Er muss in der Nähe wohnen. Ich kann auch am Abend ins Pub gehen und dort warten. Vielleicht kommt er. Oder was soll ich machen?«

Diesmal überlegte Patricia länger. »Schreib ihm.«

»Wie schreiben?«

»So wie du den ersten Brief geschrieben hast.«

»Es waren verschiedene.«

»Gut, gut. Schreib ihm weiter. Beschreibe deine Träume und Wünsche und erzähle etwas Schönes von dir.«

»Patricia, ich weiß nicht, wer er genau ist, ich habe keine Adresse, ich…«

Lächelnd hörte ihr Patricia zu, ohne darauf einzugehen, was sie sagte. »Emma, vertrau mir. Bisher ist es doch schon ganz interessant gelaufen.«

»So viel ist nicht geschehen«, relativierte Emma. »Der Typ kann eine taube Nuss sein, wie Philip. Der ist am Anfang auch erschienen wie ein junger Gott.«

»Hast du andere Ideen?«

Nein, die hatte Emma nicht. Aber sie hatte eine Frage. »Was mache ich mit dem Brief oder den Briefen dann? Wieder wegwerfen und hoffen, dass er sie findet?« »Nein. Schließ sie weg.«

»Wie soll er dann etwas davon erfahren?«

»Sei ein Leuchtturm der freudigen Gedanken. Das reicht.«

»Manchmal machst du mich wahnsinnig«, sagte Emma.

Es wurde an die Tür geklopft. Patricia räusperte sich und rief mit tiefer Stimme: »Ich bin sofort für sie bereit.« Zu Emma sagte sie: »Das Business ruft. Wir hören uns. Viel Glück.«

Liebesbrief an Unbekannt

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