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Überfall, war Emmas erster Gedanke. Oder ein Betrunkener, der sie vergewaltigen wollte.

Emma fuhr in die Höhe und trat der Person mit voller Wucht in den Unterleib. Sie hörte ein gequältes Aufstöhnen und sah mit Befriedigung, wie sich die Gestalt vor ihr krümmte.

Der Selbstverteidigungskurs, den sie als 16-Jährige absolviert hatte, machte sich zum ersten Mal bezahlt. Die Bewegungen, Schläge und Tritte zur Abwehr von Angreifern hatte sie damals so viele Male geübt, dass sie in Fleisch und Blut übergegangen waren. Emmas Bein bewegte sich wie durch eine Feder betätigt, ihre Hände fuhren auseinander, und die Handkanten schnellten wie zwei Beile links und rechts gegen den Hals des Mannes, der noch immer vorgebeugt dastand.

Wieder ein Stöhnen, der Angreifer geriet ins Wanken. Sie packte seinen Kopf unter dem Arm und drehte sich, als wollte sie dem Unbekannten das Genick brechen. Er schrie erschrocken auf, und um dem Schmerz zu entkommen, ließ er sich zu Boden fallen.

Genau das war Emmas Ziel gewesen. Es war ein Mann in einer dunklen Jacke und Jeans. Er lag auf dem Bauch, Emma war sofort über ihm, riss seinen linken Arm hoch und verdrehte ihn auf den Rücken. Sie kniete halb über dem Mann und hatte ihn jetzt unter Kontrolle. Wenn er sich bewegte, musste sie nur den Arm leicht nach oben drücken, schon würde er aufgeben.

Schlagartig fühlte sich Emma stark. Sie war über ihre Reaktionsgeschwindigkeit und Kraft selbst überrascht. Zugetraut hätte sie sich nichts davon.

»Polizei!«, rief Emma. Das heißt, sie wollte es rufen, aber die Aufregung schien in ihrer Kehle zu stecken. Sie brachte keinen Ton heraus.

Der Mann bewegte sich und versuchte den Kopf zu heben. Sofort verdrehte Emma seinen Arm fester, worauf er stöhnte und sich wieder sinken ließ. Sie räusperte sich kräftig und holte Luft. Ein neuer Versuch, um nach Hilfe zu rufen.

»Ich tue dir doch nichts. Ich bin Eric, vom Lucky Beach.«

Nein, das konnte jetzt nicht wahr sein. Emma fühlte sich wie in einem schlechten Film. So etwas passierte nur ihr, das war wieder typisch. Der Funke Selbstvertrauen, der aufgeglüht war, erlosch, als wäre eine Welle darüber gerollt. Um ganz sicher zu gehen, beugte sich Emma etwas vor. Der Mann hatte den Kopf zur Seite gedreht, und obwohl sein Gesicht schmerzverzerrt war und nur vom schwachen Mondlicht beleuchtet wurde, konnte sie das frech vorspringende Kinn von Eric erkennen, sowie das tiefe Grübchen, das sie irgendwie sexy fand.

Sie ließ ihn augenblicklich los und sprang von ihm.

»Entschuldigung. Tut mir wirklich leid. Ich… ich wusste nicht, dass du es bist. Ich dachte…«

Ächzend stützte sich Eric auf die Ellbogen und richtete sich langsam auf. Er hielt die Hand in seinen Schritt, als müsste er seine Geschlechtsteile vor Emma schützen.

»Was bist du im normalen Leben? Leibwächterin? Rauswerferin? Auftragskillerin?«

»Nein, nein, es tut mir wirklich leid.« Emma klopfte seine Raulederjacke ab, als könnte dort Sand kleben, den es aber am Kiesstrand von Brighton an dieser Stelle nicht gab.

Eric hustete. Noch immer konnte er nicht aufrecht stehen.

»Wenn ich mit dir keine Kinder mehr bekommen kann, ist das deine Schuld.«

»Kinder? Ich glaube, ich bin nicht talentiert für Kinder.«

»Emma, es war ein Scherz.« Eric blickte sie von unten mit einem sehr gequälten Lächeln an.

»Wieso hast du mich angefasst? Ich dachte, es ist ein Überfall. Jemand will mich vergewaltigen.«

»Hier? Wo es alle sehen können?« Eric schüttelte stumm den Kopf. »Emma, was guckst du für Serien?«

»Aber wieso hast du dich angeschlichen?«

»Habe ich doch nicht. Ich habe dich dreimal gerufen, aber du hast nicht reagiert. Hast du geweint? Es hat nämlich so ausgesehen, und ich wollte nur fragen, was los ist.«

»Ach, lange Geschichte«, sagte Emma ausweichend.

Eric musterte sie nachdenklich, stellte aber keine weitere Frage. Stattdessen sagte er: »Ich habe mein Moped bei den Arkaden geparkt und dich zum Wasser staksen gesehen. Du warst unsicher auf den Beinen.«

»Ich habe mir vorhin den Knöchel angeknackst. Darum hinke ich.«

»Zuerst wollte ich dich in Ruhe lassen, aber dann habe ich noch schnell eine geraucht, und du bist auf einmal eingesunken, als wäre dir übel geworden.«

»Nein, nein, das hat nur so ausgesehen. Unkraut verdirbt nicht«, sagte Emma mit wenig Überzeugung.

Eric konnte endlich wieder gerade stehen. Noch immer aber hatte er die Schultern leicht hochgezogen und sah verkrampft aus.

»Geht es wieder?«, erkundigte sich Emma.

»Wahrscheinlich bin ich dort unten blau.«

»Eric, es tut mir wirklich…«

»Wenn du mich schon brutal niederschlägst, dann spendierst du mir jetzt wenigstens einen Drink.«

»Gut. Einverstanden.«

»Wir nehmen mein Moped und fahren zum Fitzherbert.«

Das Fitzherbert war eine Bar in der Fußgängerzone, nicht weit vom Theater und vom Brighton Dome entfernt, wo Emma eine Ausstellung angesehen hatte. Der Eintritt war frei gewesen, und aus Langeweile war sie hineingegangen. Die Bilder waren alle wilde Farbklecksereien, nicht uninteressant, aber trotzdem hatte sie die Kunst darin nicht ganz sehen können. Das lag aber vielleicht auch an ihr.

»Hast du einen zweiten Helm für mich?«

»Du nimmst meinen. Ich riskiere mein Leben.«

»Das kann ich nicht verantworten.«

»Aber mich krankenhausreif zu prügeln schon?«

»Ich habe im Haus einen Helm. Den hat einer von Nells Gästen einmal vergessen und nie abgeholt. Ich gehe zu Fuß, und du holst mich ab. New Steine. Das Cherry Tree.«

Liebesbrief an Unbekannt

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