Читать книгу Liebesbrief an Unbekannt - Thomas Brezina - Страница 5
ОглавлениеLieber Wer-immer-du-bist,
hier schreibt dir Emma, deine zukünftige Traumfrau, die allerdings derzeit eine Alptraumfrau ist.
Eigentlich sollte ein so hoffnungsloser Mensch wie ich alle Hoffnung aufgegeben haben, aber irgendwas in mir schreit: Tu es nicht, tu es nicht.
Warnung: Ich bin die totale Versagerin und habe in den vergangenen drei Jahren meines Lebens so ziemlich alles verhaut, was ich nur verhauen konnte.
Ich sehe weder großartig aus, noch kann ich irgendetwas besonders gut (außer die falschen Männer wählen). Aber meine neue Freundin Patricia hat mir geraten, meinem zukünftigen Traummann Briefe zu schreiben, auch wenn ich nicht den Schimmer einer Idee habe, wer du sein könntest.
So sitze ich, Katastrophen-Frau Emma, an meinem Schreibtisch, der nicht einmal mir gehört. Ich schreibe mit dem Füller, den ich mir heute geleistet habe (obwohl ich eigentlich kein Geld dafür habe), und bei jedem Wort denke ich mir, du musst mich für völlig verrückt halten, weil ich das tue.
Je länger ich schreibe desto mehr spüre ich aber, dass es so vieles gäbe, was ich dir erzählen möchte. Natürlich ist das einfach Wahnsinn, denn wie gesagt bin ich dir noch nie begegnet, und normale Menschen erzählen nicht einfach in die Luft hinein irgendwelche Geschichten aus ihrem Leben.
Aber als normal kann man mich ohnehin nicht bezeichnen. Das hängt aber nicht mit den unfassbaren Fehlern zusammen, die ich in der Vergangenheit gemacht habe. Mein Wahnsinn hat damit zu tun, dass ich noch immer daran glaube, dass es Männer mit Herz, Hirn und Verstand gibt, die ehrlich und aufrichtig sind. Männer, die mich nicht ausnehmen oder ausnützen, mit denen ich offen reden und herzlich lachen kann.
Männer, die zärtlich sind und mich einfach nur im Arm halten, wenn ich mich danach sehne, und die sogar bereit sind, Schwäche zuzugeben und sich an mich anlehnen.
Männer, die beste Freunde sein können.
Männer, die mich wollen, aber nicht brauchen und nicht an mir hängen wie tonnenschwere Kletten.
Ich bin so völlig geisteskrank, daran auch weiterhin zu glauben, dass es diese Kategorie von Männern gibt. Für mich selbst bräuchte ich nur ein einziges Exemplar davon, und das sollst du sein, an den ich diesen Brief schreibe.
Obwohl ich keine Ahnung habe, wo du bist und wie es dir geht. Aber natürlich müsstest du auch wollen und vor allem – das ist der größte Haken an der Sache – müssten wir uns begegnen. Damit das möglich wird, schreibe ich dir. Patricia behauptet, es wäre möglich, auf diese Weise den Herzmann zu finden, ihn »ins Leben zu ziehen«, wie sie das nennt.
Allerdings raucht Patricia auch etwas, das mehr high macht als Marihuana und verdient ihr Geld mit Wahrsagen. (Sie muss erfolgreich sein, weil sie regelmäßig für einen Fernsehsender den Ausgang von Wahlen vorhersagt und in fast allen Fällen Recht behalten hat.)
Das hier ist mein erster Brief an dich, mein erster Versuch, und ich fürchte, er scheitert so kläglich, wie die gefühlten 50 anderen Briefe, die ich schon begonnen habe…