Читать книгу Von der Kunst, sich selbst zu führen - Thomas Hamblin Harry - Страница 24

Werkzeuge der Selbstführung Selbstverantwortung

Оглавление

Ich bejahe die Verantwortung für mein Ergehen und Verhalten in allen wesentlichen Bereichen meines Lebens.

Abraham Lincoln, US-Präsident von 1861–1865, befand sich auf einer öffentlichen Veranstaltung und hatte sich gerade länger mit einem Mann unterhalten. Das Gespräch war beendet, der Präsident brach auf. Beim Hinausgehen sprach er mit einem seiner Berater über die vorausgegangene Begegnung.

„Ich mag sein Gesicht nicht“, meinte Lincoln.

„Aber ein Mensch kann doch nichts dafür, was für ein Gesicht er hat“, verteidigte der Berater den Mann.

„Doch“, entgegnete Lincoln, „jeder ist für sein Gesicht verantwortlich, sobald er die vierzig überschritten hat.“

Mit diesem Satz wies Lincoln auf ein für uns Menschen wichtiges Prinzip hin – das Prinzip der Selbstverantwortung, das für jeden Erwachsenen gilt. Es ging ihm bei seiner Aussage nicht darum, dass wir beeinflussen können, wie lang unsere Nase ist, welche Augenfarbe oder wie viele Haare wir haben (von Schönheitsoperationen einmal abgesehen). Welcher Ausdruck aber auf unserem Gesicht liegt – egal, wie lang unsere Nase ist und wie viele Falten wir haben –, das ist in unserer Verantwortung. Tatsächlich ist unser Gesichtsausdruck (vor allem in Momenten, in denen wir uns unbeobachtet fühlen und kein bewusst gesteuertes „Gesichtsmanagement“ mehr betreiben, um unseren Mitmenschen etwas vorzumachen) ein Abbild unseres Inneren. Eine Art Spiegel unserer Seele. Er lässt erahnen, wie wir denken und fühlen. Ob in uns Lebensfreude ist oder vor allem Verbitterung. Ob wir ein dankbares Herz haben oder eines, das sich und andere ständig anklagt. Ob wir grundsätzlich an das Gute und Schöne glauben und denken – oder nur schwarzsehen, weil wir davon überzeugt sind, dass die Welt nichts anderes als ein Ort voller sich anbahnender Katastrophen ist. Ab vierzig verrät ein Gesicht etwas über den Charakter und die innerste Lebenseinstellung eines Menschen. Und dafür sind wir ab einem gewissen Alter selbst zuständig.

Genau das ist für unser Thema ein zentraler Punkt. Wenn es mir als erwachsenem Menschen noch täglich schlecht geht, weil meine Eltern fundamental versagt haben, dann habe ich vergessen, dass ich kein Kind mehr bin, sondern ein selbstverantwortlich lebender Erwachsener. Ich bin nicht für das verantwortlich, was mir passiert ist, als ich noch klein, hilflos und unmündig war. Aber ich bin dafür verantwortlich, wie ich als Erwachsener damit umgehe. Ob ich beim Alten stehen bleibe, mich davon bestimmen und lähmen lasse – oder ob ich die Möglichkeiten wahrnehme und nutze, die sich mir heute bieten. Jeder erwachsene, geistig und psychisch einigermaßen gesunde Mensch ist fähig zur selbstverantwortlichen Gestaltung und Steuerung seiner Gefühle, seiner Gedanken und seines Verhaltens. Wäre es nicht so, könnte er anderen die Schuld für all das Negative und Destruktive geben, das sich in ihm tummelt und das er tut. Doch das kann er in der Regel nicht.

In der Rechtsprechung ist die Frage der Schuldfähigkeit entscheidend, wenn es um das Strafmaß für einen Täter geht. Hie und da kommt es vor, dass ein Täter als nicht schuldfähig gilt. Seine psychischen Störungen sind so gravierend, dass er nicht ins Gefängnis, sondern beispielsweise in eine psychiatrische Klinik kommt, wo man versucht, seine Krankheit zu behandeln. Man kann ihn nur bedingt für das verantwortlich machen, was er getan hat – so schrecklich es auch war. Für alle anderen aber gilt der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit. Er gilt auch für Sie und mich, wenn es um die Frage geht, wie unser Leben verläuft, was wir tun, sagen und wie wir unsere Beziehungen gestalten.

Sich selbst führen wird nur der, der seine Selbstverantwortung anerkennt und sagt: „Ich bejahe die Tatsache, dass ich dafür, wie ich mich fühle, wie ich mich entwickle, entscheide und wie ich handle, in erster Linie selbst verantwortlich bin. Die Gründe für meine Situation liegen nicht vor allem in meiner Vergangenheit, bei meiner Exfrau, meinen undankbaren Kindern, meinem tyrannischen Chef, meinem ekligen Nachbarn, meinen gemeinen Kollegen – sie liegen bei mir selbst. Und deshalb habe ich die Möglichkeit, etwas daran zu ändern.“

Natürlich gibt es vieles, das sich nicht ändern lässt. Auf manche Umstände habe ich wenig oder gar keinen Einfluss. Das heißt aber nicht, dass ich ihnen hilflos ausgeliefert bin. Ich kann vielleicht meine Umstände nicht verändern, aber ich kann bestimmen, wie ich mit dem Unveränderbaren umgehe. Selbstverantwortlich zu handeln, bedeutet dann: Ich finde eine konstruktive Einstellung zu und einen sinnvollen Umgang mit Dingen, die so sind und so bleiben, wie sie sind. Meine Verantwortung bezieht sich also immer auf die mir gegebenen Möglichkeiten und Handlungsspielräume.

Solche gibt es, wie wir später sehen werden, meist viel zahlreicher, als wir denken. Weshalb ich davon überzeugt bin? Weil Gott weit mehr offene Türen für uns bereithält, als wir in der Regel wahrnehmen. Weil er uns mit faszinierenden Fähigkeiten und Voraussetzungen ausgestattet hat, die uns zu verantwortungsvollen, handlungsfähigen Persönlichkeiten machen. In den Kapiteln 2–6 erfahren Sie mehr darüber. Sie werden entdecken, wie viel Gott in uns investiert hat, damit wir verantwortlich handeln und uns selbst gut führen können.

Von der Kunst, sich selbst zu führen

Подняться наверх