Читать книгу Von der Kunst, sich selbst zu führen - Thomas Hamblin Harry - Страница 41
Das Risiko wagen
ОглавлениеSie fragen sich wahrscheinlich, wie es mit der oben erwähnten Frau weiterging. Ich unterstützte sie in ihrem Bedürfnis nach einer Trennung. Es wurde immer wahrscheinlicher, dass sie unter der gegenwärtigen Last zerbrechen würde, und ich konnte es nicht verantworten, ihr in dieser Situation zu raten, „treu“ zu bleiben und weiter nichts zu tun. Es war ein schwieriger Schritt für mich und erst recht für diese Frau. Sie zog zu einer befreundeten Familie, die eine nur selten benutzte Wohnung hatte. Dann geschah etwas, auf das sie all die Jahre vorher vergeblich gehofft hatte: Ihr Mann schreckte auf und kam zur Besinnung. Er wurde bereit zu Veränderungsschritten, die es dem Paar ermöglichten, wieder zusammenzukommen. Nicht alles ist optimal, aber es hat sich vieles verbessert. Diese Ehe hat es wieder verdient, so genannt zu werden.
Leider sieht das Ergebnis nicht immer so aus. Ich habe andere Situationen erlebt, in denen es zu einem endgültigen Bruch kam. Ist es falsch, wenn es zu einer Scheidung kommt? Ja, denn Gottes Ordnungen sehen etwas anderes vor. Ist es deshalb besser, einen leidenden Partner zu unbedingter Treue zu verpflichten? Nein, denn manchmal sind die Würde und die Gesundheit des leidenden Partners nach menschlichem Ermessen so sehr gefährdet, dass es fahrlässig wäre, es zu verlangen. So war es im genannten Beispiel. Was also bleibt, wenn Nichtstun keine Option ist? Dann gilt es, in der Abhängigkeit Christi zu handeln, um seine Gnade zu bitten und die Folgen des eigenen Handelns zu verantworten. Statt es selbst zu beurteilen, lassen wir Gott sein Urteil darüber sprechen, und wir werden uns ihm beugen. Mit Dietrich Bonhoeffers Worten:
Wer in Verantwortung Schuld auf sich nimmt – und kein Verantwortlicher kann dem entgehen –, der rechnet sich selbst und keinem anderen diese Schuld zu und steht für sie ein, verantwortet sie. Er tut es nicht in dem frevelnden Übermut seiner Macht, sondern in der Erkenntnis, zu dieser Freiheit genötigt und in ihr auf Gnade angewiesen zu sein.11