Читать книгу Handbuch Ethik für Pädagogen - Thomas Kesselring - Страница 54

4.6.2. Rassismus, Xenophobie, Ethnozentrismus, Ausländerfeindlichkeit

Оглавление

Diskriminierung hat viele Erscheinungsformen. Die vier Begriffe in diesem Untertitel stehen für unterschiedliche diskriminierende Haltungen, die sich im Alltag allerdings nicht immer klar auseinanderhalten lassen.

a. Rassismus. Eine rassistische Einstellung setzt im Grunde die Unterteilung menschlicher Gruppen nach biologischen Merkmalen voraus. Das Wort „Rasse“ (port. „raça“) steht für eine biologische Art oder Varietät. Es gibt aber keine klaren genetischen Kriterien für die Zugehörigkeit zu dieser oder jener bestimmten menschlichen „Rasse“. Natürliche Abgrenzungskriterien zwischen Rassen fehlen also (wogegen zwischen biologischen Arten das Abgrenzungskriterium darin liegt, dass Individuen verschiedener Arten keinen gemeinsamen Nachwuchs erzeugen können). „Rassen“ werden daher faktisch durch Zuschreibung gemeinsamer Merkmale definiert, und diese Zuschreibungen sind allemal willkürlich. Willkürlich ist damit auch die Zuordnung einer Person zu einer bestimmten „Rasse“. Der Nationalsozialismus hat sich mit einer nicht weiter begründeten Festlegung beholfen: Als Jude galt, wer eine jüdische Großmutter hatte. Jede Argumentation unter Rückgriff auf den Rassebegriff ist unfundiert.

Kasten 4.9.: Rassismus – ein Definitionsvorschlag

„Rassismus umfasst Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- oder Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden“ (Zerger 1997, S. 81).

b. Ethnozentrismus (von „Ethnie“ = Volk, gesellschaftliche Gruppe). Der Begriff „Ethnie“ hat im Unterschied zu dem der „Rasse“ keine biologischen Konnotationen, und die Rede von Ethnien setzt keine klare Grenzziehung zwischen verschiedenen Ethnien voraus. Der Begriff „Ethnozentrismus“ steht für die Fixierung auf die Verhaltensgewohnheiten und Lebensformen der eigenen Gesellschaft oder Volksgruppe. Diese Fixierung wird häufig von einer expliziten oder impliziten Minderbewertung des Fremden begleitet. Ethnozentrisch verhält sich derjenige, der von den Anderen eine Anpassung an seine Gewohnheiten und die Übernahme seines Wertesystems erwartet, selber aber nicht bereit ist, auf die Interessen anderer Gruppen einzugehen, ihren berechtigten Erwartungen zu entsprechen oder Teile ihrer Wertesysteme zu übernehmen.

c. Xenophobie (wörtlich: „Fremdenangst“) und Fremdenfeindlichkeit. „Fremdheit bezieht sich (..) keineswegs nur auf Unbekannt-Sein“ (Zerger 1997, S. 94). Das, was uns unbekannt ist, können wir kennen lernen – das ist der beste Weg zum Abbau von Vorurteilen. Nicht zufällig ist Fremdenfeindlichkeit oft gerade in Regionen verbreitet, in denen wenig „Fremde“ leben, die Gelegenheiten zu entsprechenden Begegnungen also rar sind. Fremdheit ist häufig auch Ergebnis sozialer Zuschreibung – einer Mischung aus kolportierten Halbwahrheiten und vorschnellen Verallgemeinerungen. Der Schluss von Einzelerfahrungen auf das Allgemeine ist logisch immer unkorrekt.

Während Jahrtausenden ist die Angst vor Fremden, die ja auch Angehörige eines feindlichen Stammes oder Volkes sein konnten, eine durchaus rationale Emotion gewesen, weil sie zur Vorsicht anhielt. In einer modernen pluralistischen Gesellschaft ist es hingegen deplaciert, vor anderen Personen aus dem einzigen Grunde Angst zu haben, weil sie einem fremd sind. In vielen Großstädten gibt es zwar Risikozonen, in denen man sich nicht aufhalten sollte. Die Gefahr, die von solchen Zonen ausgeht, liegt allerdings weniger in der Fremdheit der dort lebenden Gruppen als in ihrer ökonomischen Randständigkeit oder ihrer Ghettoisierung.

Fremdenfeindlichkeit ist eine Haltung, die darauf verzichtet, ihre ablehnende Einstellung gegenüber Fremden auf eine Zuschreibung spezifischer Merkmale zu gründen (Zerger 1997, S. 95). Wer einer bestimmten Gruppe irgendeine Form von Minderwertigkeit zuschreibt, ist auf dem besten Wege, ihren Mitgliedern – zumindest partiell – die Achtung zu verweigern. Hierin liegt das Bedrohliche: Eine fremdenfeindliche Haltung kann jederzeit in offene Diskriminierung ausarten, in die Tendenz zum Ausschluss, zur Separierung und/oder zur Weigerung, den Anderen oder die Andere als Person und Träger(in) von Menschen- oder Bürgerrechten anzuerkennen.

d. Ausländerfeindlichkeit. Wörtlich steht dieser Begriff für eine diskriminierende Haltung gegenüber Personen, die nicht dieselbe Nationalität haben wie man selber. Ethnische Erwägungen können, müssen dabei aber keine Rolle spielen: In manchen EU-Ländern gelten Bürger anderer EU-Staaten gleichsam als „weniger ausländisch“ als Bürger von Drittstaaten. Darüber, wer Ausländer ist und wer nicht, kann man sich im Übrigen leicht täuschen: Man sieht es einer Person nicht an, ob sie ein Einbürgerungsverfahren durchlaufen hat. In der deutschsprachigen Schweiz bekommen oft auch Landsleute aus dem italienischsprachigen Tessin eine abwertende Haltung zu spüren.

Fazit: Die leider weit verbreitete Tendenz, fremde Personen zu diskriminieren, ist ein Indiz dafür, dass die Achtung – die ethische Grundhaltung – sich in unserem Umgang miteinander nicht von selber versteht. Wie schon Kant betont hat, ist die Achtung eine rationale, von der Vernunft gelenkte Haltung. Sie steht dem Intellekt näher als den Emotionen. Dementsprechend entstehen diskriminierende Haltungen oft aus einem Mangel an vernünftiger Reflexion, oft aber beruhen sie im Gegenteil auf Vorsatz und Planung.

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, ob unethisches und ungerechtes Verhalten nicht schlicht auf einer mangelhaften Entwicklung unserer vernünftigen Fähigkeiten beruht und überwunden werden kann, wenn wir unsere moralische Urteilsfähigkeit zielgerichtet ausbilden. Diese Frage führt uns nun zu den entwicklungspsychologischen Aspekten der Moral (Kapitel 5; zum ganzen Kontext vgl. auch Kapitel II. 4 und 5).

Handbuch Ethik für Pädagogen

Подняться наверх