Читать книгу Handbuch Ethik für Pädagogen - Thomas Kesselring - Страница 43

3.5. Nicht-relative (= universalistische) Tugenden

Оглавление

Wie steht es aber mit dem Relativismus-Vorwurf, demzufolge jede Gesellschaft ihren eigenen Tugend-Katalog kennt, die Wertschätzung für eine Tugend also stets historisch und geographisch beschränkt ist? Obwohl dies für viele Beispiele wertgeschätzter Haltungen zweifellos zutrifft, wäre es voreilig, aus dieser Tatsache schließen zu wollen, dass es keine universalistischen Tugenden geben könne. Die Bilder, die sich verschiedene Gesellschaften von der menschlichen Natur machen, gehen zwar weit auseinander, aber doch nicht so weit, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten sinnlos würde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Vertreterinnen und Vertreter der verschiedensten Gesellschaften (vielleicht mit Ausnahme der Jäger- und Sammlergesellschaften) sich in den Grundzügen auf ein bestimmtes Menschenbild einigen könnten. Und es ist nicht unmöglich, dass bestimmte Haltungen und Einstellungen überall oder fast überall in zivilisierten Gesellschaften auf positive Anerkennung stoßen oder doch zumindest stoßen würden, wenn sie sich überall etablierten.

Eine Autorin, die dezidiert diesen Standpunkt vertritt und die Idee universalistischer Tugenden verteidigt, ist Martha Nussbaum (1993, 1999). Nussbaum ist Philosophin, nicht Ethnologin, und sie hat ihre These nicht empirisch überprüft. Zu ihren Gunsten sprechen allerdings Plausibilitätsargumente. So ist es beispielsweise kein Zufall, dass Geduld für friedliche und konstruktive Formen des Zusammenlebens besser geeignet ist als Ungeduld, Freundlichkeit besser als Aggressivität und Sachlichkeit besser als Voreingenommenheit. Wie diese Beispiele nahelegen, ist es zumindest nicht vollständig beliebig, welche Haltungen es verdienen, allgemein wertgeschätzt zu werden und welche nicht. Nussbaum (1998, S. 158) entwickelt eine philosophische Anthropologie, auf deren Grundlage die Annahme universalistischer Tugenden durchaus nahe liegt.

Tabelle 3.4: Aristoteles weiterdenken: Positiv bewertete Haltungen und Charaktereigenschaften heute. – Hinweis: Diese Tabelle berücksichtigt die Beobachtung von Aristoteles, dass eine „ Tugend“ zwischen zwei negativen Extremen liegt (und bald dem einen, bald dem anderen näher steht). Die meisten Beispiele sind von Aristoteles nicht thematisiert worden, und viele stehen zur Ethik nur in lockerer Beziehung. Es wird keine Vollständigkeit beansprucht.


Als Beispiele erwähnt Nussbaum Gerechtigkeit, Mut und Großzügigkeit. Weitere Beispiele, die sich in diesem Zusammenhang nennen ließen, sind die Achtung bzw. der Respekt gegenüber anderen Personen (vgl. das folgende Kapitel 4.), die Rücksichtnahme und – in modernen Gesellschaften besonders wesentlich – die Toleranz.

Handbuch Ethik für Pädagogen

Подняться наверх