Читать книгу Handbuch Ethik für Pädagogen - Thomas Kesselring - Страница 30
2.3.1. Der Baum der Erkenntnis und der Sündenfall
ОглавлениеNach der Geschichte vom Sündenfall ist das Böse eine unvermeidliche Folge der menschlichen Selbstreflexion – der Reflexion auf die eigenen Handlungsmotive, auf „gut“ und „böse“ (Kleist 1977). – Ist es aber möglich, dass ein Mensch aus Einsicht böse handelt? Welche Rolle spielen dabei die Willens- und Entscheidungsfreiheit? Hier zeigt sich ein tiefes Dilemma.
„Ist die Freiheit des Menschen gleich Null, begeht er keine Verbrechen. Das ist völlig klar. Das einzige Mittel, den Menschen vor dem Verbrechen zu bewahren, ist, ihn vor der Freiheit zu bewahren“ (Samjatin 1984, S. 37).
Folgt daraus nicht, dass wir die Freiheit so weit wie möglich einschränken und unsere Kinder zur Unfreiheit erziehen sollten?
Kasten 2.5.: Weshalb handeln Menschen böse?
Einerseits besteht ein enger Zusammenhang zwischen Freiheit und Bosheit. Boshaftes Handeln setzt boshafte Motive voraus, und boshafte Motive lassen sich nur bei Lebewesen unterstellen, die auch nach edlen Motiven handeln könnten. Dazu müssen wir ihnen Willensfreiheit (Entscheidungsfreiheit) unterstellen.
Andererseits erscheint die Annahme, dass Personen, die auch nach edlen Motiven handeln könnten, sich lieber von boshaften Motiven leiten lassen, zumindest auf den ersten Blick unplausibel: Gibt es wirklich so etwas wie Bosheit aus freiem Entschluss?
Wer aufgrund unbeherrschter Affekte oder aus Unvermögen – weil er „nicht anders kann“ – andere Personen schädigt, entscheidet sich zu diesem Verhalten nicht wirklich in Freiheit!