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2.4.3. „Natur“ und „Kultur“

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Beide Begriffe, „Natur“ und „Kultur“, spielen bei Wertungen eine wichtige, aber manchmal recht dubiose Rolle.

Betrachten wir als Beispiel ein paar Argumente pro und kontra Homosexualität: Es gibt genau vier Möglichkeiten, Homosexualität positiv oder negativ mit der Natur in Verbindung zu bringen (Tabelle 2.7). Alle vier Varianten sind historisch belegt – lauter „Pseudo-Begründungen“, wie wir gestützt auf Hume und Moore feststellen müssen.

Um die Begründung der Thesen zugunsten oder gegen Homosexualität „logisch“ zu reparieren, müsste man eine allgemeine Wertprämisse einführen, z.B. „Alles Verhalten, das sich in der Natur beobachten lässt, ist moralisch gut“, bzw. „schlecht“ usw. Jede solche Wertprämisse wäre willkürlich und viel zu pauschal, um plausibel zu sein.

Tabelle 2.7.: Pro und kontra Homosexualität (nach Dahl 1991, S. 272-277)

↗… sie kommt nicht in der Natur vor ↗… sie kommt in der Natur vor
Homosexualität ist schlecht, denn…↗ 1. Homosexualität kommt in der Natur nicht vor, sie ist widernatürlich, daher moralisch schlecht. Platon (Nomoi): „aber das von Männern beim Verkehr mit Männern oder von Frauen beim Verkehr mit Frauen genossene Vergnügen scheint wider die Natur, ein schweres Verbrechen…“ 2. Homosexualität kommt in der Natur vor, sie ist folglich unter dem Niveau des Menschen, also unmoralisch. Bernhard von Cluny (Christliches Mittelalter): Homosexuelle sind „tierisch“, also „unrein“ – „nicht besser als eine Hyäne“.
Homosexualität ist gut, denn… 3. Homosexualität kommt in der Natur nicht vor; sie ist edler als alles Natürliche und daher moralisch gut. Pseudo-Lukian (Antike): „Löwen kennen solche Liebe nicht, da sie auch keine Philosophen sind. (…) Aber bei den Menschen hat die Weisheit (…) die Meinung gebildet, dass gleichgeschlechtliche Liebe die stabilste Liebe sei.“ 4. Homosexualität kommt in der Natur vor; sie ist durch sie geheiligt und also moralisch gut. Marquis de Sade empfahl in seiner „Philosophie im Boudoir“, man solle der ‚Moral der Natur‘ gehorchen. Für ihn gab es keine sexuelle Absonderlichkeit, die nicht natürlich und also nicht gutzuheißen wäre.

Es gibt eine Vielzahl weiterer Beispiele naturalistischer Fehlschlüsse. Außer der „Natur“ sind häufig gewählte Ausgangspunkte Entwicklung und Evolution (ihnen wird unterstellt, das moralisch Gute zu fördern), Lust (deren Steigerung das Gute definieren soll), der Wille der demokratischen Mehrheit (das, wofür die Mehrheit votiert, gilt als gut), Neuheit (das Neuste ist das Beste) und Effizienz (je effizienter, desto besser, unabhängig vom Kontext).

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