Читать книгу Fünf Millionen Lösegeld - Thomas Kredelbach - Страница 9
Dienstag, 20.50 Uhr
Оглавление»Da bist du ja endlich«, knurrte Kommissar Joachim Lenz seinen Partner Uwe Neuhaus an, als dieser das Restaurant ›Don Pepe‹ auf der Neusser Straße betrat. »Ich warte schon geschlagene fünfzehn Minuten auf dich.«
Neuhaus schüttelte mürrisch den Kopf. »Ausgerechnet heute, wo das Halbfinalrückspiel stattfindet. So ein Mist!«
»Hast du gewettet?«
»Dreitausend auf Madrid.«
Lenz schüttelte den Kopf. »Bist du bekloppt? Das drehen die doch niemals.«
»Mach mir nur Mut.«
»Wie lautet die Quote?«
»Neun zu eins.«
»Das ist gut. Nur ist die Quote leider für die Katz. Ein vier zu null lässt sich Mailand nie und nimmer wegnehmen.«
Neuhaus verzog das Gesicht. Natürlich wusste er, dass die Wette gewagt war. Allerdings musste er nach den letzten Pleiten etwas riskieren. Inzwischen stand er mit sechzig Riesen bei Jimmy Roth in der Kreide. Mit dem Wettgewinn konnte er zumindest einen Teil der Schulden zurückzahlen. Falls ihm das nicht gelang, steckte er knietief in der Scheiße. Jimmy Roth verstand keinen Spaß, wenn es um sein Geld ging. Der Buchmacher war dafür bekannt, dass er säumigen Schuldnern gerne mal Arme oder Beine brach. Mitunter stellte er auch Schlimmeres mit ihnen an. Daran wollte Neuhaus aber lieber nicht denken.
Der Kommissar sah sich um. Das Lokal war klein und gemütlich. Es gab lediglich elf Tische. An allen saßen Leute. Uniformierte Polizisten waren damit beschäftigt, die Gäste zu befragen.
»Was ist passiert?«, fragte Neuhaus.
Lenz berichtete ihm kurz, was die Polizei bisher herausgefunden hatte. Als er geendet hatte, schüttelte Neuhaus verwirrt den Kopf.
»Nur damit ich das richtig verstehe: Drei bewaffnete Frauen, die als Miss Piggy, Pippi Langstrumpf und Biene Maja maskiert waren, sind hier reingestürmt und haben diesen Frank Becker gekidnappt.«
»Richtig. Ein vierter Komplize, von dem wir nicht wissen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, hat draußen im Wagen gewartet. Das Ganze lief sehr professionell ab. Die Frauen waren bestens vorbereitet. Eine von ihnen ging direkt auf Becker zu, während ihre Komplizinnen alle anderen in Schach gehalten haben.«
»Also wussten sie ganz genau, wen sie wollten.« Neuhaus runzelte die Stirn. »Was ist denn so besonders an diesem Becker?«
»Tja, genau da wird die Sache knifflig. Frank Becker ist der Sohn von Norbert Becker.«
Neuhaus fiel die Kinnlade herunter. »Willst du mich verscheißern?«
»Nein, keineswegs. Frank Becker ist der Sohn des Paten. Übrigens gehört das Lokal hier zum Becker-Imperium.«
»Scheiße, verdammt. Die haben den Sohn des Paten in dessen Wohnzimmer gekidnappt. Mutig, mutig.«
»Mut ist wohl nicht der richtige Ausdruck. Wahnsinn passt hier eindeutig besser.«
Neuhaus nickte. »War Becker allein hier?«
Lenz schüttelte den Kopf und zeigte auf Beckers Freundin, die an einem Tisch nahe dem Eingang saß.
»Er war mit ihr hier«, erklärte Lenz. »Sie heißt Rebecca Lange.«
»Becker hat einen guten Geschmack.«
»Und ein fettes Bankkonto. Ohne das kannst du bei einer Tussi wie der sicher nicht landen.«
»Hast du schon mit ihr geredet?«
»Noch nicht. Ich wollte warten, bis du da bist.«
Neuhaus schnalzte mit den Lippen. »Okay, dann wollen wir der Süßen mal auf den Zahn fühlen.«
Die Polizisten setzten sich zu Rebecca Lange an den Tisch und stellten sich vor. Die Frau kratzte sich nervös am Arm. Der Schock über die Entführung stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben.
»Ich verstehe das nicht. Wieso tut jemand so etwas? Was wollen diese Leute von Frank?«
»Genau das versuchen wir herauszufinden«, erklärte Neuhaus und beugte sich so weit vor, dass er nur noch wenige Zentimeter von der Frau entfernt war. Deutlich konnte er ihr Parfüm und die feine Creme riechen, mit der sie ihren Körper eingerieben hatte. Ihren Körper. Er malte sich aus, was die Frau unter ihrem schwarzen Rock und der roten Bluse trug. Strapse? Spitzenunterwäsche? Oder gar nichts?
»Bitte erzählen Sie uns, was passiert ist«, sagte Lenz.
Rebecca Lange seufzte leise. Sie berichtete den Polizisten von den drei Frauen, davon, wie diese ins Lokal gestürmt waren und Frank Becker zum Mitkommen aufgefordert hatten, er sich aber zunächst geweigert hatte.
»Erst, als die Frau mit der Biene-Maja-Maske auf Frank geschossen hat, gab er nach.«
»Sie hat auf ihn geschossen?«, fragte Neuhaus überrascht.
»Naja, nicht direkt auf ihn. Sie hat neben seinen Fuß in den Boden geschossen.«
Lenz zeigte seinem Partner das Loch im Boden. Die Kugel war längst von den Forensikern entfernt und ins Labor gebracht worden.
Neuhaus runzelte die Stirn. »Wie sahen die drei Frauen aus?«
Rebecca Lange zuckte hilflos mit den Achseln. »In der Hektik habe ich nicht so sehr auf ihr Äußeres geachtet. Dafür hatte ich viel zu viel Angst. Ich weiß nur, dass sie … SCHWEINEPRIESTER!«
Die Polizisten sahen Rebecca entsetzt an, deren Gesicht rot anlief.
»Tut mir leid. Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass ich unter Tourette leide. Manchmal rutschen mir diese Schimpfwörter heraus.«
»Von der Krankheit habe ich gehört«, glättete Lenz die peinliche Situation. Er grinste breit. »Mir rutschen diese Schimpfwörter manchmal heraus, obwohl ich nicht unter Tourette leide.«
Rebecca lächelte. »Herrje, ist das peinlich. Ich hätte Sie … ARSCHLOCH! … frühzeitig darauf hinweisen sollen. Ich vergesse das immer wieder.«
»Sie müssen sich nicht dafür schämen«, sagte Neuhaus und berührte die Frau am Arm. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er stellte sich vor, dass er ihr die Klamotten vom Leib riss und sich von ihr beschimpfen ließ, während er sie fickte. Der Gedanke machte ihn noch heißer, als er ohnehin schon war.
»Was können Sie uns denn nun über die drei Entführerinnen sagen?«, wechselte Lenz das Thema.
»Wie gesagt, nicht viel«, entgegnete Rebecca. »Natürlich sind mir sofort die Masken aufgefallen. Außerdem glaube ich, dass Pippi Langstrumpf die Anführerin war.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie war diejenige, die sich um Frank gekümmert hat. Die anderen beiden haben die übrigen Anwesenden im Auge behalten.«
Lenz nickte. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?«
»Ja, noch eine Sache: Miss Piggy wirkte ziemlich gereizt.«
»Wieso gereizt?«
»Naja, mir ist ein Wort herausgerutscht. Sie … SCHWANZLUTSCHER! … wissen schon. Miss Piggy meinte, ich wollte sie beleidigen.«
»Welches Wort ist Ihnen denn herausgerutscht?«
»Ich habe ›Drecksau‹ gesagt.«
»Tja.« Lenz grinste amüsiert. »Ein wenig kann ich Miss Piggy schon verstehen.«
Rebecca lächelte. Neuhaus schielte immer wieder auf ihre Brüste. Lenz ahnte, was in seinem Kollegen vorging.
»Wissen Sie eigentlich, wer der Vater Ihres Freundes ist?«
»Ja, natürlich. Er heißt Norbert Becker und ist Immobilienhändler.«
Lenz kniff die Augen zusammen. Er fragte sich, ob die Frau wirklich so ahnungslos war oder ihnen nur etwas vorspielte.
»Haben Sie ihn schon persönlich kennengelernt?«
»Nein, noch nicht. Frank hat mir erzählt, dass er und sein Vater sich nicht besonders gut verstehen. Deshalb hat er ihn mir noch nicht vorgestellt.«
»Hat er Ihnen sonst noch etwas über seinen Vater erzählt?«
»Nein, nichts. Wieso fragen Sie?«
»Nur so. Das gehört zu unserem Job. Waren Sie und Herr Becker schon häufiger hier im Don Pepe essen?«
»Zwei- oder dreimal. Das Lokal gehört Franks Vater.« Plötzlich kicherte Rebecca. »Eigentlich müssten wir nichts für das Essen bezahlen. Frank hat aber trotzdem immer bezahlt. Er dachte, dass sein Vater sich darüber bestimmt ärgern würde.«
»Eine nette Familie«, bemerkte Neuhaus, der seinen Blick kurz von ihrem Dekolleté losgerissen hatte. »Gab es einen besonderen Anlass, warum Sie heute hierhergekommen sind?«
Rebecca nickte. »Wir haben unser Jubiläum gefeiert. Heute vor sechs Monaten haben wir uns kennengelernt.«
»Wie romantisch«, sagte Lenz, darauf hoffend, dass die Frau seinen süffisanten Unterton nicht bemerkte. Er war seit fünfzehn Jahren verheiratet. Seine Ehe war die Hölle. Seine Frau Renate war eine notorische Nörglerin, die seit Beginn ihrer Ehe von einer schlanken, attraktiven Frau zu einem pummeligen Monster mutiert war.
»Ja, nicht«, entgegnete die Blondine lächelnd. »Er macht mir dauernd Geschenke.«
Er kann es sich auch leisten, dachte Neuhaus verärgert. Schließlich scheffelte Beckers Vater Millionen mit Rauschgifthandel, Mord und Erpressung.
»Wusste jemand, dass Sie heute ins Don Pepe kommen wollten?«
»Ich glaube nicht. Naja, vielleicht die Angestellten. Schließlich haben wir den Tisch reserviert. Wieso fragen Sie?«
»Die Entführerinnen wussten ganz genau, dass Ihr Freund heute Abend hier sein würde«, antwortete Lenz. »Die waren bestens informiert. Fragt sich, woher sie ihre Informationen hatten. Haben Sie eine Idee?«
»Nein, keine.« Rebecca Lange machte ein ängstliches Gesicht. »Glauben Sie, die werden Frank etwas antun?«
Lenz schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Wenn sie das wollten, dann hätten sie das gleich hier im Lokal erledigt.«
»Aber was wollen die Frauen dann von ihm?«
»Das Naheliegendste ist, dass sie Lösegeld erpressen wollen.«
Lenz sah durch die gläserne Eingangsfront nach draußen auf die Straße. Soeben hielt ein Wagen vor dem Lokal. Eine Limousine. Zwei Männer stiegen aus. Einen davon erkannte er sofort. Es war Norbert Becker.
Ein uniformierter Beamter kam zu ihnen an den Tisch, ein untersetzter Bursche mit dunklen Haaren und einer Hasenscharte. »Ich störe nur ungern, aber es gibt etwas, das Sie interessieren wird.«
»Und was soll das sein?«, fragte Neuhaus knurrig.
Der Uniformierte strich sich nervös über seine Hasenscharte. »Unter den Gästen ist ein kleiner Junge. Er ist mit seinem Vater hier. Wie es aussieht, hat er mehr beobachtet als alle anderen Gäste. Ich dachte mir, dass Sie vielleicht mit ihm reden möchten.«
Neuhaus nickte. Er hatte ohnehin lange genug auf die Titten der Blondine gestarrt.
»Gut, wir kommen.«