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Erde, Unterwelt, Geisterwelt

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Hekate ist sicherlich eine Nachfahrin dieser steinzeitlichen „starren nackten“ Göttin. Allerdings hat sich ihre Erscheinung im Laufe der Geschichte zweifellos an die Gegebenheiten angepasst; wir müssen insbesondere berücksichtigen, dass ursprünglich matrizentrische Vorstellungen in einen patriarchalen Kontext eingepasst wurden, was dazu führen kann, dass ursprünglich positive Eigenschaften negativ gewertet werden oder ursprünglich sinnvolle Symbole später nicht mehr richtig verstanden oder missdeutet werden. Wenn wir versuchen, Hekates Wesen provisorisch zu umreißen, ergibt sich ungefähr folgendes Bild:

Hekate ist ein Aspekt der großen Erdgöttin. Die Erde steht für alles, was Form und Materie ist; da die weibliche Kraft im Universum die Gestaltgeberin ist, die die ursprünglich ungebundene Energie in eine Form bringt. Die Erde ist auch das Reich der Toten und der Ort der Wiedergeburt: Wenn etwas stirbt, existiert eine subtile Form des Lebewesens weiter, die in die „Unterwelt“ geht und dort aufgesucht oder beschworen werden werden kann. Schon zu Lebzeiten kann sich der subtile Körper von dem grobstofflichen Fleischkörper trennen und im Traum oder in Trance umherwandern; solche Schattenkörper können durchaus Schaden anrichten, weshalb man in der Antike großen Wert darauf legte, sich vor den Seelen der Verstorbenen zu schützen. Der Ort dieser Schattenwelt wird allgemein unter der Erde gedacht. Die Göttin, die diesem Unterweltbereich vorsteht, ist ein Aspekt der Erdgöttin, aber ein eher verborgener, unheimlicher Aspekt, der nicht direkt greifbar ist und das Zwischenreich des Traums, des Todes, des Okkulten, der Hexerei und Magie beherrscht. Dieser Zwischenbereich wird mit der „schwarzen“ Sonne in Verbindung gebracht, die nachts unter der Erde von Westen nach Osten wandert, später wird dieses Reich in den Mond verlegt.

Sehr treffend resümiert der französische Archäologe Alfred Laumonier 1958 in seiner Studie über die einheimischen Kulte im antiken Karien, der Heimat der Hekate:

Der weibliche Aspekt der Gottheit ist die Materie, die Welt der Formen, aber diese lebende Materie ist bald die sichtbare und berührbare physikalische Materie, Pflanzen, Tiere, Menschen (Demeter, Artemis, Aphrodite), bald die subtile psychische und „strahlende“ Materie (Hekate), bald die geistige Materie (Athene). Und jede der Gottheiten Griechenlands, die ursprünglich die Komplexität eben dieser eminent plastischen Materie wiedergab, hat sich nach und nach auf einen Aspekt dieser gewaltigen Weiblichkeit spezialisiert, die die Hindus insgesamt Maya nannten. (…) Hekate ist die Göttin der untersten unsichtbaren Welt – der Welt der Entkörperten, der gespenstischen Gestalten, der Larven, der unbegrabenen Toten, deren Ausgang und Aktivität die Nacht begünstigt. Aber diese Welt ist auch die sublunare Welt, die „astrale“ Welt des Okkultisten, die Welt des Fegefeuers, in der die schwarze Magie gern arbeitet, die Hexerei. Wie alle Göttinnen ist sie ursprünglich eine chthonische Göttin, weil die Erde die Mutter aller unsichtbaren Formen ist, sie, die auf der Erde durch ihre kondensierende Kraft, durch ihre Passivität, die männlich-aktive, aber sublimierende Kraft der Sonne ausgleicht.17

Hekate

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