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Teil I Hekate in archaischer Zeit

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Hekate ist geheimnisvoll und unter den antiken Göttinnen eine der vielgestaltigsten (polymorphos). Die Forschung hat sie lange vernachlässigt, da sie in Kunst und Mythos der Antike weniger augenfällig ist als andere Gottheiten. Hinzu kam, dass sie als unheimliche Göttin der Verstorbenen und der Hexerei alle denkbaren Vorurteile gegen „Okkultismus“, Magie und Aberglauben aktiviert. Mit der spätantiken Überlieferung der Zauberhandschriften, Verfluchungstäfelchen und neuplatonischen Theurgie, in denen unsere Göttin eine überragende Stellung erlangt, mochte man sich in der Altertumswissenschaft lange nicht gern beschäftigen, da diese Epoche als dekadente Verfallszeit nicht hoch im Kurs stand. Man überließ diese Zeit, die ja gleichzeitig die Frühzeit des Christentums ist, lieber den Theologen, von denen man keinen unvoreingenommenen Blick auf das antike Heidentum erwarten konnte.

In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch einiges getan. Es sind einige akademische Arbeiten erschienen, die ein differenzierteres Bild der Göttin gezeichnet haben. Hervorzuheben sind die kunstgeschichtliche Monographie von Theodor Kraus (1960), Sarah Johnstons Studie über Hekate und die chaldäischen Orakel (1990), Stephen Ronans Textsammlung von 1992, von Rudloffs Studie (1999), Bergs kommentierte Ausgabe der Proklos-Hymnen (1999), die Wiener Magisterarbeit von Karin Zeleny (1999) und die Monographien von Wolfgang Fauth (2006) und Nina Werth (2007). Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass sie das herkömmliche Bild der „bösen“ und „dämonischen“ Hekate revidiert haben und stattdessen das Bild einer bipolaren, vermittelnden Wesenheit zeichnen, die Übergänge herstellt und beherrscht: „Sie ist keine ihrem Wesen nach dämonische Gottheit, sondern eine der Grenzbereiche, die damit befasst ist, ihren Verehrer durch gefährliche und unsichere Gebiete des Niemandslandes jenseits des Gewissen und Bekannten zu führen, wie Geburt und Tod und, auf der physikalischen Ebene, Kreuzwege und Türen.“1

Hekates Entwicklung in der Antike lässt sich in drei Phasen gliedern: eine vorklassische, eine klassisch-hellenistische und eine chäldäisch-neuplatonische ab dem 2. Jahrhundert nach Christus. In der ersten Phase ist sie eine kleinasiatische Spielart der Magna Mater (Mêter), die nach und nach in das Pantheon der Griechen integriert wird. Sie trägt ursprünglich eher erdhafte und solare Züge, ihre unheimliche Seite tritt in den ältesten Texten nicht offen zutage. In der Zeit der Klassik und des Hellenismus, also etwa ab dem 5. und 4. Jahrhundert v. Z., steigt sie zur Göttin der Geister, der Magie und der Nacht auf und wird zunehmend mit Artemis-Diana und der Mondgöttin Selene gleichgesetzt. In der dritten Phase, die ab dem 2./3. Jahrhundert nach Chr. anzusetzen ist, wird Hekate bei den Neuplatonikern zur „Göttin Natur“, zur Verkörperung der Weltseele oder des höchsten weiblichen Prinzips, während sie nach wie vor die Göttin der Magie bleibt und als solche eine bedeutende Rolle in der neuplatonischen Theurgie spielt.

Wie sich das Bild der Göttin über tausend Jahre in der Antike entwickelt hat, will ich im Folgenden aufzeigen. Dabei gehe ich von der Prämisse aus, dass die Göttin in den einzelnen Epochen auf durchaus unterschiedliche Art und Weise erschienen ist, aber im Grunde immer dieselbe blieb. Sie ist die „Vielnamige“ und „Vielgestaltige“ (Polymorphos) mit den tausend Gesichtern und tausend Namen (Isis myriônymos), die sich doch immer gleich bleibt.

Hekate

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