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Trimorphos - Das Rätsel der drei Gestalten
ОглавлениеIhre Darstellung ändert sich im Lauf der Jahrhunderte kaum. Ihre Attribute sind: Schlüssel, ein Apfel, Fackel, Dolch und Schwert, ein Hund, Schlangen, eine Geißel. Sie wird häufig mit drei Leibern dargestellt, was auf die drei Phasen des Mondes bezogen wird, auf die Wegkreuzungen, an denen sich die Hekataien meist befanden, oder auf die drei Elemente Erde, Wasser, Himmel, über die sie Gewalt hatte. Letzteres ist die ältere Zuordnung.
Hekate wurde im eigentlichen Griechenland erst ab dem 5. Jahrhundert v. Z. dreigestaltig dargestellt, wie Pausanias in seinem Reiseführer für Griechenland bestätigt: „Alkamenes hat nach meiner Meinung als erster Hekatebilder gemacht zu dritt aneinander, die die Athener die Epipyrgidia nennen.“59 Laumonier weist allerdings darauf hin, dass es auf der Insel Rhodos, die vor der karischen Küste liegt, schon 150 Jahre früher eine dreigestaltige archaische Darstellung der Hekate gab, die wie eine hethitische Göttin als „Herrin der Tiere“ auf zwei Löwen steht.60 Da es auch bei den Hethitern schon dreigestaltige Götter gab, stellt sich in der Tat die Frage, ob diese Darstellung der Göttin nicht auch aus dem Osten kommt.61 In der Folgezeit wurde diese dreigestaltige Form zur häufigsten und erfreut sich auch heute wieder einiger Beliebtheit; es gab jedoch immer auch eingestaltige Darstellungen. Die dreigestaltige Darstellung konnte auch Tierköpfe haben, in den Orphischen Argonautika (V. 977 - 980) erscheint sie mit einem Pferde-, Schlangen- und Hundekopf. Andere Kombinationen sind: Hündin-Jungfrau-Kuh (PGM IV, 2119), Frau-Rind-Hund (Lukian, Philops. 14), Stier-Hund-Löwin (Porphyrios, De abstin. 3,17,2).
Spätantike Gemme, nach Roscher
Schon von den antiken Gelehrten wurde die Dreigestalt der Hekate unterschiedlich erklärt. Wenn Vergil etwa in der Aeneis von der „am Himmel und in der Unterwelt mächtigen Hekate“ (voce vocans Hecaten, Caeloque Ereboque potentem; VI, 247) spricht, greift er Hesiod auf, bei dem Hekate, wie wir noch sehen werden Allgöttin über Himmel, Erde und Meer ist. Der Verfasser des als „Servius auctus“ bekannten spätantiken Vergil-Kommentars deutet Hekates Macht genauer als Macht über Geborenwerden, Leben und Sterben (potestas nascendi valendi moriendi) und stellt sie als Triade Lucina-Diana-Proserpina neben die Moiren, macht Hekate also zur Schicksalsgöttin, die das zyklische Werden und Vergehen der Lebewesen beherrscht. Augenscheinlichstes Beispiel für zyklisches Werden sind die Mondphasen, mit denen Hekate zuerst in der römischen Kaiserzeit von dem stoischen Philosophen und Astronomen Kleomedes gebracht wird (Kleomedes 2,5; ähnlich auch L. Annäus Cornutus, De natura deorum, c. 34). Allerdings nennt Kleomedes die Mondgöttin Artemis, und nicht Hekate, so dass die Übertragung der Mondphasen auf Hekate erst durch die Gleichsetzung Hekate-Diana zustande gekommen sein kann, die allerdings durch einen Vers Vergils (Aeneis IV,511) nahe gelegt wird, in dem der Dichter sowohl Hekate als auch Diana als „dreiköpfig“ (tergeminamque Hecaten, tria Virginis ora Dianae) bezeichnet. Dass solche späten naturphilosophisch-theologischen Spekulationen aber für die künstlerische Darstellung maßgebend gewesen sein sollten, wird von Theodor Kraus zu Recht bezweifelt, da die dreigestaltige Darstellung ja schon lange vor der Stoa aufkam. Dass die drei Herrschaftsbereiche in den drei Leibern dargestellt sein sollten, erscheint auch unwahrscheinlich; und wenn die Auffassung von Hekate als einer Mondgöttin zur Dreigestalt geführt hätte, hätte eigentlich auch die eigentliche Mondgöttin Selene dreigestaltig abgebildet werden müssen, was aber nicht der Fall ist. Plausibler erscheint da, dass die drei Körper etwas mit den drei Wegen zu tun haben, an deren Kreuzung Hekate verehrt wurde. Ist die τριοδίτις (trioditis, lateinisch: trivia) also zur τρίμορφος trímorphos, geworden, die Wegegöttin zur Dreileiber-Statue?
Dafür spricht insbesondere eine Stelle bei Ovid, in der der römische Gott Janus sich selbst mit Hekate vergleicht (Fasten I, 142 f.). Janus ist der Gott der Schwelle (ianua), und als solcher wie Hekate ein Gott, der den Übergang und die Zeit des Übergangs symbolisiert (er wird daher auch von Proklos neben Hekate gestellt, wie wir später noch sehen werden). So wie Janus nach innen und außen schaut bzw. in die Zukunft und in die Vergangenheit, schaut Hekate in die drei Richtungen der Wegkreuzung:
Ora vides Hecates in tres vergentia partes,
Servet ut in ternas compita secta vias.
Nach drei Seiten gekehrt erscheint dir auch Hecates Antlitz,
Nach drei Seiten sich hin theilenden Pfaden zur Hut.62
Theodor Kraus erscheint auch das nicht überzeugend genug. Er verweist vielmehr darauf, dass vor allem Gottheiten der Unterwelt dreigestaltig dargestellt werden: Neben dem dreiköpfigen Hadeswächter Kerberos, neben Hermes, der als Totengott mehrköpfig wurde, wurde auch der Riese Geryon dreiköpfig dargestellt, der wie alle Titanen ein Kind der Erdgöttin Gaia ist. Dass Hekate eine chthonische Gottheit ist, haben wir bereits gesehen, und dass sie von Titanen abstammt, werden wir gleich bei Hesiod sehen. In ähnlicher Weise ist auch die germanische Hel eine Tochter Lokis und der Riesin Angrboda (die Parallele geht sogar noch weiter: eine Variante des Mythos erzählt, Hekate sei von Zeus in die Unterwelt hinabgeworfen worden, ähnlich wie auch Hel von Wotan unter die Erde verbannt wird).
Kraus spekuliert, ob es nicht einen Brauch gegeben haben könnte, an den Dreiwegen an einem Pfahl drei Masken aufzuhängen, die die Göttin darstellen sollten, und dass hieraus die Dreigestalt entstanden sei. Das ist denkbar, es gibt jedoch keinerlei Beleg dafür. Eine befriedigende religionswissenschaftliche Erklärung für die Dreigestalt der Hekate gibt es jedenfalls bis heute nicht, wie Karin Zeleny 1999 feststellt. Denkbar wäre es, die Dreigestalt der Göttin mit den drei Parzen und Nornen in Verbindung zu bringen, und die drei Leiber als Symbole für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu sehen, wofür auch der oben zitierte Vergil-Kommentar spricht. Dies ließe sich dadurch plausibel machen, dass Hekate schon in der Antike mit Janus in Verbindung gebracht wurde, der offensichtlich ein Gott der Zeit ist. Dass die Römer den Janus von den Etruskern übernahmen, und dieser Gott wohl wie Hekate kleinasiatischen Ursprungs war, macht die Zeit-Symbolik ebenfalls wahrscheinlich.
Dreigestaltige Hekate, St. Petersburg
Es gibt noch rund 300 antike Hekate-Darstellungen. Meist handelt es sich dabei um Bruchstücke und Fragmente von Statuen, Darstellungen auf Münzen, Vasen und Amuletten (wie bei dem Anhänger in Brüssel, Musées Royaus, Inv. A 1662). Einigermaßen vollständige Statuen stehen u. a. in der St. Petersburger Eremitage, im kunsthistorischen Museum Wien, im Vatikan (Museo Chiaramonti Inv. 192263), im Museo archeologico in Venedig, im Museo Torlonia in Rom (Abb. 104 in C. G. Jungs „Symbolen der Wandlung“), in der Münchener Glyptothek, in der Bibliothèque Nationale in Paris und im Riijksmuseum van Oudheden in Leiden. Eine der schönsten, eine aus Ägina stammende Dreiergruppe aus der Sammlung Metternich, befindet sich in Prag (NM 4742). Wer sich kunstgeschichtlich mit den erhaltenen Hekate-Darstellungen beschäftigen will, greife zu dem von H. C. Ackermann herausgegebenen Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC), speziell zu Band VI/1 (Zürich,München 1992, S. 985 - 1010) und Band VI/2 (S. 655 - 673), sowie zu den Dissertationen von Tatjana Brahms und Nina Werth.64
Typische Attribute der Hekate sind Fackel, Hund, Oinochoe (Schöpfkanne), Phiale (Trinkschale), Frucht, Mondsichel, Dolch, Peitsche, Schlange, Schlüssel, selten sind Darstellungen mit Lotusblüte, Hirsch, Altar oder Sonnenscheibe (auf ägyptischen Münzen, wo Hekate mit Isis gleichgesetzt wird).
Aus der Antike ist im Übrigen keine einzige Darstellung überliefert, die Hekate als alte Frau oder „Hexe“ zeigt. Diese Vorstellung stammt aus der Zeit der Renaissance bzw. dem späten 19. Jahrhundert (Crowley), von wo sie an die Esoterik des 20. Jahrhunderts vermittelt wurde.