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Der Aufstieg der neuen Potentaten
ОглавлениеAnders als der einjährige Städtebund von 1327 wurden die Bündnisse unter den künftigen Eidgenossen zusehends auf «ewig» (in perpetuum) abgeschlossen, eben «unbefristet». Wirklich aussergewöhnlich war indessen, dass der schweizerische Bund neben Städten dauerhaft Länderorte umfassen sollte. Reine Bündnisse von Landschaften gab es auch andernorts, zumindest in peripheren Regionen: Pyrenäen, Dauphiné, Friesland, Dithmarschen. Am Tiroler Landtag waren neben Prälaten, Adligen und Städten auch «Täler und Gerichte» als vierter Stand vertreten. Doch dauerhafte ständeübergreifende Bündnisse von – wie es das 19. Jahrhundert nennen sollte – «Bürgern und Bauern» gab es nur im Alpenraum, wo auch die Bünde in Rätien und im Wallis sowohl Städte als auch ländliche Talschaften und geistliche Herrschaften vereinten. Dieser Bogen wurde 1332 erstmals solid geschlagen, als sich die habsburgische Landstadt Luzern und die drei Waldstätte verbündeten und gegenseitig Hilfe bei inneren oder äusseren Gefahren zusagten. In den vorangegangenen Jahren hatte der Luzerner Rat dem österreichischen Herzog Autonomierechte wie die Wahl des Schultheissen abgerungen. Vermutlich erhoffte man sich durch das Bündnis Rückhalt für diese Politik. Doch es enthielt den geschuldeten Vorbehalt, dass die Rechte des habsburgischen «hochgebornen unsern Herren» nicht beeinträchtigt würden. Von diesem erbat sich Luzern als Landstadt folgerichtig weiterhin die Bestätigung seiner Privilegien. Gleichzeitig stand die Stadt aber bei kriegerischen Konflikten zumeist auf der Seite von Habsburgs Gegnern. So schwankten die Luzerner noch bis zur Schlacht von Sempach zwischen Untertanenpflichten und Autonomiebestrebungen.
In den Waldstätten ging in derselben Phase die Herrschaft allmählich und endgültig an die neue Gruppe von Potentaten über. Zuerst gelangten sie wohl um 1300 in Schwyz an die Macht (Ab Iberg, Stauffacher), in Uri erst nach dem Tod des hochadligen Landammanns Johannes von Attinghausen (1358/59).Die Urner Alpentäler hatten ursprünglich vor allem entfernten Gotteshäusern gehört, ausser dem Fraumünster Zürich Zisterzienserklöstern wie Wettingen; die Verwaltung übertrugen sie kleinadligen Vögten oder Meiern. Im 14./15. Jahrhundert kaufte die Landsgemeinde oder vielmehr ihre vermögenden Mitglieder den Klöstern den Grundbesitz mit den feudalen Rechten ab. Bezeichnenderweise erfolgte der Loskauf vom Kloster Wettingen in Uri zum selben Zeitpunkt, als die Herrschaft der Hochfreien von Attinghausen zu Ende ging. Bis zum Ende des Jahrhunderts verloren auch die Ministerialengeschlechter, so die Hunwil in Obwalden, und überhaupt alle bisherigen Landammannsfamilien ihre Machtstellung in den Waldstätten. Die grossbäuerlich-kleinadlige Aufsteigerschicht, die mit Vieh und Söldnern Handel trieb und sich auf eine Klientel in den Dorfgemeinden stützte, beerbte den lokalen Adel und die klösterlichen Amtsträger als Garanten der öffentlichen Ordnung im Alpenraum. Anders als ihre Vorgänger kannte sie aber keine Loyalitätspflichten mehr gegenüber Habsburg. Auch deswegen wurden diese Potentaten als dauerhafte Partner interessant für diejenigen Kreise, die gewohnt waren, ihre inneren und äusseren Herrschaftsansprüche durch vorübergehende überregionale Bündnisse zu sichern: die städtischen Räte von Zürich und Bern.