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Das Mittelland wird Peripherie

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Der oberdeutsche Raum war im hohen Mittelalter kaisernahe gewesen: Die Salier und Staufer hatten ihre Stammlande in Schwaben, Franken und am Rhein gehabt. Auch der Wittelsbacher Ludwig der Bayer, der nicht unumstrittene König von 1314 bis 1347 und seit 1328 Kaiser, stammte aus dem Süden und residierte in München. Sein Nachfolger hingegen, Karl IV. aus dem Hause Luxemburg, hielt in seiner Geburtsstadt Prag Hof. Im Unterschied zu seinen Vorgängern verzichtete er auch auf eine aktive Italienpolitik und zog nur zweimal für kurze Zeit über die Alpen.

Damit rückte das künftige Schweizer Mittelland an den Rand des Reiches. Es bildete zu diesem Zeitpunkt in keiner Hinsicht eine Einheit, sondern hatte zwei Pole: den Genfersee und den Bodensee mit den dazugehörigen Siedlungs- und Kulturräumen. Im Westen handelte es sich seit der Völkerwanderung um die Gebiete der romanisierten, also französischsprachigen Burgunder; im Osten lebten deutschsprachige Alemannen. Innerhalb des hochmittelalterlichen Reiches entsprach dem etwa die Grenze zwischen dem alten Königreich Burgund und dem Herzogtum Schwaben, das südlich des Bodensees theoretisch bis weit in den Bündner Alpenraum hineinreichte. Während sich die Sprachgrenze allmählich entlang der Saane festigte, folgte eine weitere, mindestens ebenso wichtige der Aare: Hier stiessen die Bistümer Konstanz und Lausanne aufeinander. Da der Pfarrer und damit die kirchliche Verwaltung im Mittelalter weit gegenwärtiger waren als weltliche Beamte, fehlte jegliches überlokale Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich auf die spätere Schweiz hätte erstrecken können. An diesem Gebiet hatten insgesamt zehn Diözesen teil; zu den Bischöfen von Konstanz und Lausanne hinzu kamen diejenigen in Basel, Chur, Sitten, Genf, Besançon, Novara und Como sowie der Erzbischof von Mailand. Für sie alle war die spätere Eidgenossenschaft Peripherie.

Auch die beiden wichtigsten Fürstengeschlechter in der Region grenzten ihre Einflusssphären nach anfänglichen Konflikten um 1310 einvernehmlich voneinander ab: Savoyen und Habsburg. Beiden Dynastien stand eine grosse, aber noch unvorhersehbare europäische Karriere bevor. Das spätere italienische Königshaus Savoyen stiess im 13. Jahrhundert aus dem südlichen Alpenraum in das Waadtland vor. 1356 wurden die Savoyer Reichsvikare, also amtsführende Stellvertreter des Kaisers. Damit konnten sie über die Rechtsprechung ihre Territorialherrschaft aufbauen, also allgemein über ein Gebiet und dessen Einwohner bestimmen und nicht, wie im Feudalwesen, mit einzelnen konkreten Rechtstiteln über bestimmte Personengruppen. Die Habsburger verdankten ihren Namen der Burg bei Brugg im heutigen Kanton Aargau, die bis etwa 1220 ihr Hauptsitz gewesen war. Vor allem durch Erbschaften wurde Graf Rudolf IV. von Habsburg zu einem der mächtigsten Territorialherren im Herzogtum Schwaben; dazu kamen Besitzungen im Elsass und im Breisgau, den späteren «Vorlanden» oder Vorderösterreich. Auf dieser Grundlage wurde er als Rudolf I. 1273 zum König des Heiligen Römischen Reichs gewählt, womit das seit dem Tod Kaiser Friedrichs II. 1250 anhaltende Interregnum – die Zeit ohne herrschaftsfähige Könige – beendet war. Rudolf I. nutzte diese neue Stellung dazu, seinem Haus im Osten eine neue Machtbasis zu schaffen. Nach dem Sieg über König Ottokar II. von Böhmen verlieh er 1282 die Herzogtümer Österreich und Steiermark und damit die Reichsstandschaft seinem Sohn Albrecht I., der ihm mit etwas Verzögerung 1298 auch als König nachfolgte. Wie die Luxemburger verschoben also die Habsburger ihren Schwerpunkt gegen Osten, ohne allerdings das Interesse an den Stammlanden zu verlieren; vielmehr lagen Versuche nahe, die verschiedenen Besitzungen zu einem Fürstenterritorium zu verbinden.

Ein erfolgreiches Modell für eine solche frühe «Staatsbildung» lag im Süden des Alpenkamms: Die Visconti hatten das Amt des Reichsvikars genutzt, um in der Lombardei um das Zentrum Mailand eine Territorialherrschaft zu errichten, die der Kaiser Ende des 14. Jahrhunderts zum Herzogtum Mailand beförderte; dazu gehörte auch das heutige Tessin. Wenn die Habsburger ihre Macht weiter ausdehnen wollten, so mussten sie ähnlich vorgehen und die Vogteirechte nutzen, also die öffentliche Ordnung im Namen (und formal im Auftrag) des Reiches wahren. Der Vogt (lateinisch advocatus: Rechtsbeistand, Verteidiger) war für die öffentliche Ordnung zuständig: Schutz und Schirm, Verwaltung, Blutgericht (bei dem die Todesstrafe möglich war) und Leitung des militärischen Auszugs. Die Bauern schuldeten für den militärischen «Schutz und Schirm» des Adels Abgaben, die sie als Hörige in persönlicher Unfreiheit (Schollenbindung) erbrachten: Frondienste, Todfall (ein fixer Erbteil) und Abgaben in Naturalien und Geld. Mit dem Treueid riefen sie Gott als Zeugen und Garanten an für diese Schutzbeziehung, die eine persönliche, gegenseitige Verpflichtung darstellte.

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