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7. Ich bin die Dumme

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Zu mindestens samstagmorgens bestand ich darauf, dass wir alle gemeinsam frühstückten, da es unter der Woche nicht immer möglich war, je nachdem welchen Job ich gerade hatte und welche Schicht ich arbeiten musste. Um Punkt neun Uhr hatten die Mädchen am Frühstückstisch zu sitzen, den ich gedeckt hatte, auch wenn sie davon nicht immer begeistert waren. Ausreden wie: „Ich bin noch müde, ich hab bis heute Morgen noch programmiert oder ich hab noch lange Fury oder Hanni und Nanni gelesen“, zählten dann nicht. Es wurde gemeinsam gefrühstückt. Basta und aus! Wer sich danach wieder ins Bett legen wollte, war mir egal. Sonntags ein gemeinsames Frühstück abzuhalten, war nicht immer möglich, da die Große schon mal auf Feten eingeladen wurde, auf denen es später wurde, was der Kleinen zu schaffen machte und mir auch, denn die Kleine wurde nie eingeladen, und wenn die Große dann weg ging, fing die Kleine an zu schmollen und aus Mitleid, sah ich dann immer die tausendmal gesehenen Pferdefilme mit ihr an.

Heute war aber ein besonderer Samstag, da ich noch arbeiten sollte bei der Alten Dame, und sie die Mädchen eingeladen hatte. Ich fand das zwar keine gute Idee, ich befürchtete, die Mädchen würden sich langweilen, aber sie bestand darauf, meine Mädchen kennen zu lernen, es gäbe viel zu sehen und ihre Tochter könnte mit Rex den Museumsführer spielen.

Die Kleine willigte direkt ein, sie wollte sich unbedingt mit Rex anfreunden. Ich warnte sie, was zur Folge hatte, ich musste mir wieder eine Predigt über meine Phobie vor großen Tieren anhören, die ich überhaupt nicht habe. Die Große lehnte ab, sie müsse fürs Abitur lernen, was die Kleine nur damit kommentierte, sie würde doch schon alles wissen, was will sie da noch lernen.

Ob es eine Ausrede war oder nicht, konnte ich nicht beurteilen, denn was meine Große auf ihrem Zimmer machte, war für mich nicht mehr nachvollziehbar. Obwohl… Eigentlich saß sie unentwegt vor dem Bildschirm, aber was sie da machte, ich wusste es nicht wirklich. Dann dachte ich, meine Jugend war doch viel schöner, wir trafen uns im Dorf und tranken zusammen einen Kasten Bier, obwohl unsere Erziehungsberechtigten das auch nicht gut fanden und befürchteten, aus uns würde nichts werden. Na ja, aus mir ist auch nichts Gescheites geworden.

Die Ausrede musste ich akzeptieren, wer kann schon etwas gegen Lernen haben und schon überhaupt nicht fürs Abitur, da hier schon Kommastellen über den Lebensweg der jungen Erwachsenen entscheiden. Meine Große erzählte, viele Schüler würden daher die Schule wechseln, wenn abzusehen sei, dass der erforderliche Notendurchschnitt nicht zu erreichen ist. Sie suchen sich dann eine Schule, der nachgesagt wird, sie würde die gleiche Leistung besser bewerten. Wenn Eltern es sich leisten können, schicken sie ihre Kinder auf Privatschulen oder direkt aufs Internat. In der Zeitung las ich, fünfzig Prozent der Nachhilfestunden werden genommen, nicht um über die Runden zu kommen, sondern seine Leistungen, seinen Schnitt zu verbessern. Schulen werben geradezu mit ihren wenigen Wiederholern und den Leistungen der Schulabgänger, sie führen darüber Statistiken. Meiner Großen sind sie geradezu hinterhergelaufen, zwei Schulen buhlten um sie, das Zeugnis und die Einschätzung ließ auf einen Nullkommaschnitt hoffen, Jahrgangsbeste des Landes, was sich äußerst gut in der Außendarstellung vermarkten ließe. Auf diesen Schulen muss man sich bewerben, mit Zeugnis und je nach Schule mit Lebenslauf, auch der Eltern. Dann wurde selektiert. Es gab also einen NC für Grundschüler, inoffiziell natürlich nur, der zwischen eins Komma sechs und eins Komma acht, bei begehrten Schulen lag. Der Kampf um die Zehntel beginnt also schon im Kindesalter. Ich frage mich, ob Schule da noch Spaß machen kann. Aber wahrscheinlich macht sich darüber niemand Gedanken. Mein Haus, meine Yacht, mein Auto, mein Kind mit Einserschnitt. Sollten Schüler trotz dieser Selektion so abfallen, dass sie das Klassenziel nicht erreichen, wird ihnen und ihren Eltern nahegelegt, die Schule frühzeitig zu verlassen, damit auch ja nicht die Statistik versaut wird. Was für ein Irrsinn!

Ich fuhr mit der Kleinen los, sie war von der Tiefgarage und den Sicherheitsmaßnahmen sehr beeindruckt.

„Hallo Thomas, das ist mein Sohn, der hilft heute aus.“

„Hallo, mich nennen alle Bruce“, stellte sich Dirty Harry Junior vor und schaute zu meiner Kleinen, die etwas schüchtern wirkte.

„Was hast du uns denn Nettes mitgebracht?“ fragte der grobschlächtige Polizist aus San Francisco charmant.

„Meine Kleine“, sagte ich kurz und trocken, denn der Blick von Bruce gefiel mir überhaupt nicht. Der war bestimmt schon fünfundzwanzig.

„Das nächste Mal meldest du bitte deinen Besuch an“, sagte er sehr freundlich. „Hübsche Zöpfe hast du.“

„Danke schön“, sagte sie merklich beeindruckt von diesen beiden Riesen, die uns zum Aufzug begleiteten.

Die Aufzugstür öffnete sich, und Rex empfing uns schon mit wedelndem Schwanz. Die Kleine sprang heraus und fiel ihm direkt um den Hals: „Du bist aber ein Süßer!“

>Was soll an dem denn süß sein<, dachte ich und Rex schaute mich streng an, wenn Hunde das können. >Der wird wohl nicht auch noch Gedanken lesen können?<

„Was macht ihre Tochter da?“, empörte sich Frau Dr.Dr.Dr. schrill, die im businesstauglichen, creme de la cremefarbigen Blazer-Kostüm, mit flachem, breiten Kragen, goldfarbenen Knöpfen, einem Gürtel aus gleichem Stoff mit Goldschnalle, interessanten Taschen mit Klappen gekleidet in den Vorraum eintrat.

„Sie…“

Das Teil hatte schon was, obwohl ich mich normalerweise nicht für Mode interessiere und für Samstagmorgen etwas für overdressed hielt. Eins ist unumstritten und nicht diskutabel Fr. Dr.Dr.Dr. hat ein klasse Fahrgestell, würden Machos sagen, was mir natürlich nie einfallen würde.

„Ich schmuse mit Rexilein“, lächelte die Kleine und gab Rex einen Kuss auf die Nasenspitze.

„Kind, das ist kein Schmusetier sondern ein Hund!“, belehrte Frau Dr.Dr.Dr. sehr streng, „und der könnte auch gefährlich werden, also lass das bitte!“

Rex löste sich vorsichtig aus der Umklammerung der Kleinen und ging auf Frau Dr.Dr.Dr. zu, die schon den Rückwärtsgang eingelegt hatte, und bellte zweimal laut.

„Lass das!“

Er bellte.

„Lass das!“

Er bellte erneut.

Die Kleine forderte ihn auf, zu ihr zu kommen, und er gehorchte.

„Sitz!“ sagte sie. Er ging um sie herum und setzte sich neben sie hin, wie in der Hundeschule gelernt.

„Guter Hund“, sie streichelte ihn.

Frau Dr.Dr.Dr. war verlegen und aus der Fassung, um abzulenken sagte sie: „Wen von den beiden Töchtern haben Sie den mitgebracht?“

„Ich bin die Dumme, komm Rex, zeig mir das Zimmer der Alten Dame.“

Das ließ Rex sich nicht zweimal sagen und lief vor, die Kleine hinterher.

„Na ja“, spottete sie wutentbrannt, „Sie kennen ja den Weg!“

Als ich ins Zimmer kam, lag Rex auf seinem Stammplatz und meine Kleine umarmte die Alte Dame zur Begrüßung, was mich wunderte. Als die Kleine losließ und sich zu Rex in die Ecke begab, konnte ich sehen, wie die Alte Dame sich eine Träne mit ihrem Taschentuch abtupfte.

In ihrem einfachen, roten Pulli, mit Jeans, Turnschuhen und Rattenzöpfen, sah sie neben dem überproportionierten Rex aus wie ein Mädchen aus der Grundschule. Aber es war nicht nötig, genau hinzusehen, sie war kein kleines Mädchen mehr.

„Guten Morgen“, sagte ich wie jeden Tag.

„Hallo Herr Müller, da haben Sie mir aber eine Freude gemacht, dass Sie Ihre Kleine mitgebracht haben. Wo ist die Große denn?“

Fragend woher sie wusste, dass die Kleine die Kleine ist, antwortete ich brav: „Die lernt für ihre Abiturprüfungen.“

„Schade, aber das ist bestimmt wichtiger, das verstehe ich sehr gut.“

„Aber die kann doch schon alles“, petzte die Kleine.

„Anscheinend nicht“, schützte ich die Große.

„Herr Müller, wir haben noch die Finanzen zu regeln.“

Auf den Satz oder einen gleichen Inhalts hatte ich gewartet, und mir viel ein Stein vom Herzen. Hätte sie nichts gesagt, wäre ich bestimmt zu feige gewesen, wie so oft, nach meinen Gehalt zu fragen. Meine Stimmung die eigentlich gut war, verbesserte sich gleich um ein Vielfaches.

„Der Umschlag im Buch ist für Sie, bitte schauen Sie nach, ob der Betrag stimmt. Bei dem Personal…, na ja, Sie wissen schon.“

Ich nahm den Roman und zog den schlichten Briefumschlag heraus, öffnete ihn und war doch sehr erstaunt, sechs einhundert Euro Scheine. „Das ist zu viel!“ rutschte es mir raus, obwohl ich eigentlich „Danke“ sagen wollte.

„Wenn wir eines diese Woche gelernt haben, Herr Müller, ist es, dass Mathematik nicht Ihre Stärke ist. Es stimmt auf Heller und Pfennig und der heutige Tag ist noch nicht vorbei.“

Bevor ich mich bedanken konnte, stichelte die Kleine: „Papa ist wirklich schlecht in Mathe, da bin ich fast besser. Aber in Deutsch ist er sehr gut, Lesen und Schreiben kann er ganz toll und Aufsätze schreiben kann er auch sehr gut. Da findet meine Schwester sogar kaum Fehler.“

„Du bist ja was ganz Liebes“, schwärmte die Alte Dame. „Für dich mein Kind hab ich eine Überraschung…Schickt mir mal meine Tochter rein, bitte“, sagte die Alte Dame im Befehlston und ließ eine Taste unter ihrer Armlehne los.

„Möchte Ihre Tochter mithören?“

„Bestimmt, aber ich möchte es nicht. Die geht mir schon genug auf den Keks. Das sagen die jungen Leute heute doch so?“

„Ja“, sagte die Kleine.

„Sehr schön, du verstehst dich so gut mit Rex, er mag dich du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.“

„Ich hab doch keine Angst vor Rex. Ich bin doch nicht wie Papa. Rex ist doch ein ganz Lieber“, sie umarmte und knuddelte ihn, „wir zwei sind doch Freunde.“

Rex konnte nicht mit den Ohren wackeln, da das eine nach vorne und das andere nach hinten verbogen wurde, daher bewegte er den Schwanz.

„Soll ich anfangen zu lesen?“

Da ging die Tür auf und Frau Dr.Dr.Dr. schob einen von diesen mondänen Schreibtischstühlen herein, die aussehen, als hätten Außerirdische ihn bei einem Besuch vergessen.

>Wenn sie jetzt mithört, ist es aber aus mit fehlerfreiem Lesen.>

„Was willst du denn damit?“, fuhr die Alte Dame ihre Tochter an.

Ganz irritiert antwortete sie: „Ich denke, ich darf zuhören?“

„Falsch gedacht. Wie kommst du überhaupt auf so eine Idee. Du kannst dir deinen eigenen Vorleser suchen, vielleicht hat Herr Müller noch Kontingente für dich frei“, knirschte sie. „Du sollst mit der Kleinen und Rex einen Ausflug machen.“

Rex hob den Kopf so schnell, dass er der Kleinen mit der Stirn einen Kinnhaken verpasste.

„Au!“, sagte sie.

„Rex!“, rief die Alte streng und fiel in einen Husten.

Der Hund lag wieder.

„Ist nicht so schlimm, er hat das bestimmt nicht mit Absicht gemacht, nicht war Rex“, entschuldigte die Kleine Rex.

Der Hund wackelte mit dem Ohr, zweimal.

„Entschuldige dich, Rex“, befahl sie.

Rex legte seine Pfote auf die Hand der Kleinen, drehte den Kopf zu ihrem und berührte sie an der Wange.

„Du bist aber gut erzogen, das hat dir bestimmt Frau Dr. beigebracht.“

Der Kopf ging zurück, er sah die Kleine verständnislos an und danach die grinsende Frau Dr.Dr.Dr., die süffisant sagte: „Glaub mir, mein Kind, das war harte, wirklich harte Arbeit.“

Rex stand langsam auf und Frau Dr.Dr.Dr. schob den Stuhl auf ihn zu: „Ich warne dich. Wehe!“

„Ich warne euch“, kam es von der Alten barsch, „wir haben Besuch, benehmt euch.“

Beide blieben wie versteinert stehen.

„Kleines, dein Papa hat mir gesagt, du magst Pferde?“

„Ja, sehr…“, fing sie an zu schwärmen.

Rex drehte sich um, da sagte die Kleine noch schnell: „Aber nicht so sehr wie dich.“

Was Rex mit Ohrenwackeln und Schwanzwedeln quittierte.

„Und Reiten magst du auch gerne, hat er mir auch verraten.“

„Ja, das ist richtig, ich kann es auch ziemlich gut, das ist auch das Einzige, was ich… und Stricken kann ich ziemlich gut.“

„Stricken kannst du? Hab ich früher auch mal gelernt, in der Schule. Was strickst du denn?“

„So viereckige Lappen. Wenn ich genug hab, schickt mein Papa die zu einer Frau und die macht daraus Decken für Leprakranke. Dann schickt die mir eine Kiste mit neuer Wolle.“

„Du engagierst dich für andere Menschen. Das finde ich aber toll. Ich hab bestimmt auch noch irgendwo Wolle. Ich schicke sie dir vorbei, wenn du möchtest.“

„Das wäre ganz toll!“

(Drei Tage später erhielten wir sechs große Kartons mit sehr edler Wolle in den verschiedensten, kräftigen Farben, was zur Folge hatte, aus den Lepradecken wurden richtige Designerstücke.)

„Daran könnten sich andere ein Beispiel nehmen“, dabei schaute sie zu ihrer Tochter mit verkniffenen Augen. „Aber Reiten ist doch deine große Leidenschaft.“

„Sicher, es gibt nichts Schöneres.“

„Hat mir dein Papa auch erzählt.“

Frau Dr.Dr.Dr. schaute unbeteiligt durch die Gegend.

„Würdest du denn gerne Reiten gehen?“

„Ja schon, aber Reiten ist sehr teuer, und wir haben nur wenig Geld.“

„Ja, das ist richtig“, und die Alte Dame schaute mit strengem Blick zu ihrer Tochter.

„Ich kenne jemanden, der hat acht Pferde und der würde sich glücklich schätzen, wenn du sie bewegen würdest, denn derjenige, dem die Pferde gehören, muss viel Geld dafür bezahlen, dass die Pferde regelmäßig trainiert werden, weil die Reiterin, die sich um die Tiere kümmern soll, sie vernachlässigt.“

Rex wackelte mit dem Schwanz und schaute Frau Dr.Dr.Dr. schadenfroh an. So sah es tatsächlich aus.

„Meine Pferde…“, beschwerte sich Frau Dr.Dr.Dr. und schlug die Arme übereinander.

„Du hättest lieber einen Doktortitel in Jura erwerben sollen, im Spezialgebiet Eigentumsrecht.“

„Du hast sie mir geschenkt“, argumentierte ihre Tochter nun scharf.

„Ja, um zu reiten. Es sind Reitpferde und keine Standpferde. Wenn du nicht mehr reitest, sind es auch nicht mehr deine Pferde. Du solltest lieber reiten, als dir Hosenanzüge kaufen.“

„Das stimmt überhaupt nicht!“, und Frau Dr.Dr.Dr. fing an die beleidigte Leberwurst zu spielen.

„Dreiundachtzig! Wag es bloß nicht eine Träne herauszudrücken“, warnte ihre Mutter.

„Was?“

„Dreiundachtzig Hosenanzüge, im letzten Jahr. Und wie oft warst du reiten im letzten Jahr?“

„Das wei…?“

„Elfmal und hast acht Pferde. Wann warst du das letzte Mal reiten, mein Kind?“

„Eh…“, stotterte Frau Dr.Dr.Dr. Ihr selbstsicheres Auftreten, ihre Redekunst siechten dahin. „Eh, vor einem Monat…glaube ich.“

„Mag sein, dass es ein Monat war, die Dinge ändern sich ja und vielleicht sind die modernen Monate von heute acht Wochen und drei Tage lang.“

„Du spionierst mir nach!“, fauchte ihre Tochter und ging in den Angriff über.

„Dir hinterher spionieren muss ich nicht. Ich muss nur die Kreditkartenabrechnung einsehen, dann weiß ich, was du machst, Mädchen. Deine Gäule kosten mich fast dreißigtausend Euro im Monat und du gehst ein paarmal im Jahr reiten. Noch mal so ein doofer Spruch und ich ruf den Metzger höchst persönlich an, und gewöhne dir das alberne Gegackere ab. Ein bisschen Demut würde dir gut stehen“, stutzte sie Frau Dr.Dr.Dr. im militärischen Ton zurecht, und keiner im Raum wagte, was zu sagen. Rex schaute zur Decke.

„Entschuldige Kleines, ich hoffe, ich hab dich nicht erschreckt, aber manchmal muss man mit seinen Kindern schimpfen.“

„Ich weiß doch, Papa macht das auch mit uns, wenn wir zum Beispiel den Küchentisch nicht abräumen, oder nicht putzen. Eltern müssen mit ihren Kindern schimpfen, wenn sie Dummheiten machen oder nicht hören, sonst werden sie es im Leben schwer haben. Das sag ich auch immer meinen Puppen“, erwiderte die Kleine verständnisvoll.

„Da hast du wohl Recht, meine Kleine, vielleicht habe ich viel zu wenig geschimpft. Wir sollten es vielleicht auch mal mit Tischabräumen, Geschirrspülen versuchen.“

Der Scheibenwischer ging bei Rex wieder.

„Ich bin sechsunddreißig Jahre. Du kannst mich hier nicht herumschubsen, wie dir beliebt“, wehrte Frau Dr.Dr.Dr. sich.

>Dann wäre die Alte Dame ja ungefähr sechzig gewesen bei der Geburt. Wahnsinn!… Mit sechsunddreißig schon drei Doktortitel… Wahnsinn!… Wenn die nur etwas normaler wäre… entfaltet die Frau einen Duft<, dachte ich, aber da konterte die Alte Dame bereits und die Familien-Soap ging weiter: „Mein Kind, du kannst auschecken, aus dem Hotel Mama mit seinen Bediensteten, wenn du möchtest! Jeder Zeit! Ich halte dich nicht! Lerne auf eigenen Füßen zu stehen…und du bist zweiundvierzig. Leugnen ist zwecklos, ich war dabei.“

Rex schaute erwartungsvoll Frau Dr.Dr.Dr. an, wenn Hunde das können, aber nichts passiert, es war ganz ruhig.

„Gut“, fuhr die Alte Dame fort, „Du schnappst dir die Kleine und fährst zum Stall, da verbringt ihr dann einen schönen Tag.“

Frau Dr.Dr.Dr. holte gerade Luft, um wahrscheinlich einen speziellen Kommentar loszulassen, da sagte die Alte Dame nur kurz und bündig: „Verkneif es dir! Pferdefleisch ist im Preis stark gestiegen, seitdem sie es auch für Lasagne verwenden.“

„Kann ich da auch reiten?“, fragte die Kleine dazwischen.

„Soviel du willst.“

„Kann ich da auch einen Helm leihen, ich hab meinen nicht dabei?“

„Ja natürlich.“

Frau Dr.Dr.Dr schaute verdutzt.

„Mein Kind, du hilfst bitte der Kleinen bei der Auswahl ihrer Ausrüstung, dafür bist du prädestiniert. Ich habe deinen Ausstatter zum Gut bestellt und du brauchst erst ab morgen knauserig zu werden.“

„Zu Befehl!… Du hast wieder mal alles geplant.“

Sie überging ihre Tochter, als hätte sie nichts gehört und sagte zu Rex eindringlich: „Und du passt auf die Beiden auf!“

„Was, kommt Rex etwa mit?“

„Das ist ja prima. Das wird bestimmt ein ganz toller Tag. Darf ich, Papa?“

„Das kann ich dir nicht verwehren. Ich freue mich für dich. Ihnen wünsche ich auch einen schönen Tag, Frau Dr.“

„Ich bedanke mich auch ganz herzlich, Herr Müller“, raunzte Frau Dr.Dr.Dr. zurück.

„Danke schön, Papa“, fiel mir die Kleine um den Hals.

„Bei mir musst du dich nicht bedanken.“

Sie schaute zur Alten Dame, ging zu ihr, nahm ihre runzlige von Rheuma gezeichnete Hand und sagte ganz ehrfurchtsvoll: „Vielen, vielen Dank.“

„Nichts zu danken, du tust mir und den Pferden einen Gefallen und Rex auch, der kommt mal raus aus dem Mief.“

„Mit Rex, das ist doch nicht dein Ernst, du weißt doch, wie der mit Pferden umgeht.“

„Ich weiß, wie er mit Reitern umgeht. Du wirst dich benehmen Rex. Verstanden!“

Rex wackelte zweimal mit dem Ohr.

„Denk daran: In China essen sie Hunde.“

Er jaulte auf, lief aus dem Zimmer und meine Kleine hinterher.

„Er wird sich benehmen, Kind. Mach dir keine Sorgen. Karl wartet schon.“

„Muss das sein?“

„Ja!“

„Nicht diese Proleten-Kiste, damit kommen sie alle an“, schnaufte Frau Dr.Dr.Dr.

„Ich wünsche dir einen schönen Tag, mein Kind und nimm dein Designerstück mit“, sagte sie abwertend, aber versöhnlich. „Und schließe die Tür, schickes Kostüm, Mädchen.“

Der Vorleser der Alten Dame

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