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0. Einleitung: Es war einmal…
ОглавлениеDer Vorleser der Alten Dame
oder
Der Kondor, der nicht fliegen wollte
Thomas Müller
dervorleserderaltendame@gmx.de
Tja, eigentlich müsste ich jetzt mit „Es war einmal…“ anfangen, aber dann würden Sie meine Geschichte für ein Märchen halten. Gleichgültig wie ich anfange, Sie werden mir sowieso nicht glauben. Ich muss hier noch erwähnen, dass Ähnlichkeiten mit lebenden bzw. toten Personen reiner Zufall sind und nicht beabsichtigt. Ich denke, aus juristischen Gründen, muss ich noch anführen, das Ähnlichkeiten mit lebenden bzw. toten Tieren auch reiner Zufall und auch nicht beabsichtigt sind.
Wie Sie bis hier schon sicherlich festgestellt haben, bin ich kein Profi im Buchgeschäft, ehrlich gesagt, handelt es sich um mein erstes Buch. Ich hätte es eigentlich auch gar nicht geschrieben, aber die Geschichte ist so verrückt, dass mir keine Wahl blieb, ich musste einfach. Wer hat schon die Gelegenheit als Otto Normalverbraucher hinter die Kulissen der Supermächtigen und Superreichen zu schauen.
Also wenn Sie sich entschlossen haben, weiter zu lesen, dann möchte ich mich und meine Familie kurz vorstellen. Mein Name ist Thomas Müller, bin 38 Jahre alt, und lebe mit meinen beiden Töchtern, beide 17 Jahre, in einem kleinen Haus. Die Großstadt, in der wir leben, möchte ich nicht nennen, aber ich kann soviel sagen, es ist die größte des Landes, aber das Land darf ich auch nicht nennen, wegen der Superreichen und Supermächtigen, vielmehr wegen ihrer Heerscharen von Anwälten.
Heute habe ich einen Brief von einem Anwalt bekommen, weil ich im Internet gedownloadet hätte und er will über 1000 Euro. Hier geht es doch nur noch um Abzocke, aber das ist eine andere Geschichte.
Bei den Mädchen handelt es sich um Zwillinge, genauer gesagt sogar um eineiige. Sie sehen sich sehr ähnlich, was auch von eineiigen Zwillingen zu erwarten ist, aber sonst sind sie total unterschiedlich. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Große, die wirklich eineinhalb Zentimeter größer ist, zuerst auf die Welt kam. Die Kleine hat bei der Geburt mit großer Sicherheit eine Zeitlang zu wenig Sauerstoff bekommen und daher kann sie mit ihren Gleichaltrigen intelligenzmäßig nicht mithalten. Bei der Großen sollte man meinen, sie hätte zu viel Sauerstoff bei der Geburt bekommen, sie ist ein Mathe- und Physikgenie und in den anderen Fächer auch erschreckend gut. Die beiden liegen daher geistig Lichtjahre auseinander.
Wegen des Unterschieds nenne ich die größer „Große“, weil sie viel vernünftiger und selbständiger ist und die kleinere „Kleine“, weil sie halt viel unvernünftiger und unselbständiger ist. Ich erzähle den Kindern natürlich immer, dass würde auf der Körpergröße beruhen.
Wenn die beiden sich zanken, was nicht so selten vorkommt und mich immer wieder überrascht, da die beiden schon siebzehn Jahre alt sind, sagt die Große zum Beispiel: „Ich habe das Gehirn von Mama und du das von Papa“. Darauf sagt dann meine Kleine: „Das kann überhaupt nicht sein, Mama war nicht so gemein und zickig, wie du es bist.“
Weil ich mich dann auch beleidigt fühle, sage ich dann immer: „Ihr habt beide recht!“, was die Große überhaupt nicht abhaben kann und schmollt, und die Kleine sowieso nicht kapiert und kuscheln kommt.
Ihre Mutter hat uns verlassen als die Kinder klein waren. Es war sehr schwer, aber wir sind darüber weg. Natürlich sind wir nicht darüber weg. Weil die Kinder so früh kamen, hatte ich mit meiner Frau vereinbart, dass sie ihr Studium zu Ende macht und ich das Geld rein hole zum Leben. Wenn sie dann fertig ist, würde ich mein Studium nachholen. Jetzt ist aber die diplomierte Chemikerin weg, die wirklich sehr gutes Geld verdient hat, und daher habe ich mein abgebrochenes Lehrerstudium der Germanistik nie wieder aufnehmen können.
Was meinen Sie, welchen Job Sie mit dieser Qualifikation bekommen. Überall werden Sie ausgelacht, alle Leute wollen sich rächen, wegen der Altlasten ihrer Schulzeit. Ich werde bei jedem Einstellungsgespräch so empfangen, wie Polizisten, die im Gefängnis ihre Haftstrafe absitzen müssen, auch wenn ich ausdrücklich darauf hinweise, dass ich gar kein Lehrer bin, was die Gegenseite nur wenig sanfter stimmt. Der Versuch, Lehrer zu werden, wird hier, meiner Meinung nach, viel zu sehr überbewertet, obwohl ich es auf der anderen Seite verstehen kann, da ich ja auch Schüler war.
Aus diesem Grund bekomme ich auch nur ganz üble Jobs, die schlecht bezahlt werden, wie zum Beispiel bei Fastfoodketten, Gebäudereinigungsfirmen oder in der Fleischindustrie. Der letzte Job war bei einem Paketdienst, nachdem eine Bandscheibe nicht mehr ihre Arbeit verrichten wollte, wurde ich fristlos gekündigt.
Daher ist die Geldnot, die eigentlich immer vorhanden ist, nun noch größer als sonst üblich, und ich muss mir etwas einfallen lassen. Aus diesem Grund studiere ich die Kleinanzeigen, und wie der Zufall will, sucht eine ältere Dame auf der gegenüberliegenden Parkseite einen Vorleser, da ihre Sehschwäche ihr dieses Vergnügen verwehrt. So steht es auf jeden Fall in der Zeitungsannonce. Alternativ wurde auch noch ein Gassigehen für einen größeren Hund gesucht.
Und jetzt beginnt die eigentliche Geschichte.